09 | 06 | 2021 | Schweiz | 0 | 8804 |
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Tessin | Hecht mit Beifang
Wie steht es eigentlich mit dem Hechtfischen im Tessin? Langensee und Luganersee haben bekanntlich einen beachtlichen Seeforellen- und Zanderbestand. Gilt das auch für die Hechte? Und gibt es da nicht noch diese südliche Unterart «Esox cisalpinus»?
Fischt man im Tessin eigentlich auch auf Hechte?», wollte Chefredaktor Nils Anderson kürzlich von mir wissen. Ich ahnte, was kommen würde. «Du hast doch da deine Connections, könntest du eventuell …?» Ich dachte kurz nach, was ich über die Tessiner Hechte wusste. Da gab es doch mal einen Hecht als Beifang, als ich beim Eröffnungsfischen auf Seeforellen bei Roger Wyss auf dem Boot dabei war. Und die Fangstatistik des Kantons weist für die beiden Seen jährlich je um die 600 kg gefangenen Hecht aus – immerhin. Da muss es ja wohl auch einige Hechtspezialisten geben. «Und hier soll ja noch diese südliche Unterart «Esox cisalpinus» vorkommen», gibt mir Nils noch mit auf den Weg. Also los, ab ins Tessin!
Hechtfischen nicht an erster Stelle
Da sowohl Luganersee als auch Langensee über teils sehr gute Zander-, Seeforellen-, Egli- und Felchenbestände verfügen, steht der Hecht im Tessin nicht zuoberst auf der «Speisekarte» der Fischer. Am 20. Dezember beginnt im Tessin das Fischen auf die Seeforelle; Seeforellen werden bis weit in den April hinein gefangen. Im Mai versuchen es dann vor allem auf dem Lago Maggiore viele Fischer auf die Felchen. Im Juni werden die Egli munter und mit dem Sommerbeginn ab Ende Juni geht es los auf die Zander. Trotz dieser enormen «Artenkonkurrenz» gibt es einige Hechtfreaks im Tessin. Einer davon ist mein heutiger Bootsführer Sandro Leban, ehemaliger Präsident des FV Gambarogno, dessen «Hausrevier» der obere Teil des Lago Maggiore ist.
Technik
Wir schleppen auf Hecht mit Pfuris auch im Tessin bekanntem Unterwasserhund. Dieser zieht die Hauptschnur ganz tüchtig nach aussen und ermöglicht die Montage von sechs relativ kurzen Zügeln. Mit einem Blei auf der Bootsseite wird das Ganze unter die Wasseroberfläche gesetzt. Im Freiwasser jagende Hechte greifen ihre Beute von unten an, daher setzen wir unsere Köder lediglich auf drei bis fünf Meter Tiefe. Sandro verwendet beim Schleppen auf Hecht ausschliesslich Gummifische um die 20 cm am Stahlvorfach. Da wir beim Unterwasserschleppen die Bisse nicht sehen können, sind wir auf das berühmte Glöcklein angewiesen.
Hechtfischen mit attraktiven Beifängen
Nachdem beide Hunde mit je sechs Zügeln draussen sind, geht es schon bald los: «Kling, kling!» Andächtig lauschen wir dem lieblichen Geläut, dann beginnen wir mit dem Einholen der Hauptschnur und dem Abhängen der inneren Zügel – und weg ist der Fisch.
«Kling, kling!» Zum Zweiten. Diesmal lassen wir es nicht lange bimmeln, sondern machen uns sogleich ans Einholen. Natürlich hängt der Fisch am äussersten Zügel, und zwar ein rechter Brocken! Aufgrund des Drillverhaltens wird bald einmal klar, dass es kein Hecht ist, sondern ein kräftiger Zander, wohl gegen einen Meter! Sorgfältig drillt ihn Sandro heran, sodass er behutsam im Wasser abgehängt werden kann – denn es ist noch Schonzeit für Zander.
Nach einer Ruhephase ist es wieder soweit: «Kling, kling!» Zum Dritten. Wieder am äussersten Zügel, wieder viel Arbeit bis zum Einholen. Jawohl, Hecht! Nach problemlosem Drill ist der Zielfisch bald im Boot!
Noch ist aber nicht Feierabend. Das Schwerste kommt wie so oft am Schluss. Das Glöcklein bimmelt wie verrückt, es muss ein gewaltiger Einschlag stattgefunden haben, unglaublicher Zug auf der Hauptschnur. Wenn da nur alles hält! Nach längerem Kampf und Krampf hat Sandro den schweren Brocken beim Boot – Wels! Die freistehenden Haken des Köders neben dem Welsmaul verheddern sich im letzten Augenblick noch im Feumer, nichts geht mehr. Kurz entschlossen fasst Sandro den Wels mit Wallergriff beherzt am Unterkiefer und hievt ihn samt Feumer mit Hängen und Würgen ins Boot. Was für ein Drill der Extraklasse! Und was für ein ausserordentlicher Fang: Ein Wels, der am hell-heiteren Tag den oberflächennah geführten Gummifisch schnappt! Da am Lago Maggiore für Wels Entnahmepflicht besteht, wird der Fisch abgeschlagen und für einen Bekannten, der Welse gerne verwertet, mitgenommen.
Die Sache mit dem Esox cisalpinus
Der Italienische Hecht (Esox cisalpinus) ist eine im Jahr 2011 von L. Lucentini et al. neu beschriebene Art der Hechte. Sie umfasst die Hechtpopulationen des nördlichen und mittleren Italien, die damit von den nordeuropäischen Hechten (Esox lucius) unterschieden wurden und eigenen Artstatus erhielten.
Neben metrischen Charakteristika, den Verhältnissen zwischen verschiedenen Körpermassen, unterscheidet sich der Italienische Hecht vor allem in der Färbung und der kleineren Schuppenzahl entlang der Seitenlinie vom «normalen» Hecht. Der Italienische Hecht ist sehr variabel gefärbt und kann Längsstreifen, Querbänder, diagonale Streifen oder eine sich sternförmig verzweigende Streifung aufweisen. Die für Esox lucius typischen runden Flecken zeigt er jedoch niemals.
Die Frage stellt sich, ob es der Italienische Hecht bis in den Lago Maggiore herauf geschafft hat und ob in diesem See beide Hechtarten nebeneinander vorkommen.
«Petri-Heil» hat die in diesem Bericht verwendeten Hechtfotos und einige weitere den Fischereibiologen Danilo Foresti vom Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Tessin vorgelegt, der sie auch mit Diego Dagani vom BAFU besprochen hat. Beide sind der Meinung, dass keine definitive Einstufung möglich sei. Die auf Lucentini zurückgehenden Bestimmungskriterien für die Genotypisierung wurden in der Schweiz bisher nicht eindeutig bestätigt, dazu sei der Phänotyp mit dem Alter auch sehr variabel und neige vermutlich zur Hybridisierung. Im Lauf der nächsten Jahre soll im Tessin die Vielfältigkeit und introgressive Hybridisierung der beiden Hechtarten untersucht werden.
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