Sinnvoll fangen
19 | 11 | 2018 PraxisText & Fotos: Nick Bremer 05682
19 | 11 | 2018 Praxis
Text & Fotos: Nick Bremer 0 5682

Sinnvoll fangen

«Man muss die Fische zum Anbiss reizen» hören wir häufig. Doch was ist damit genau gemeint? Welche Sinne des Fischs können wir ansprechen, damit sich sein Maul öffnet und er uns an den Haken geht? Nick Bremer erklärt, welche Reize für den Fang entscheidend sind.


Ein Besuch im Fischerladen ist heutzutage die pure Reizüberflutung. Glitzernde und knallbunte Kunstköder, oft mit lauten Rasseln im Inneren, hängen an den Wänden. In den Regalen der Friedfischabteilung verströmt jede Futter- oder Boilie-Packung ein anderes intensives Aroma. Die vielen (optischen, akustischen, olfaktorischen und haptischen) Reize beeinflussen häufig unsere Kaufentscheidung. Doch gefällt auch dem Fisch, was uns gefällt? Diese Frage solltest Du dir sich unbedingt stellen, denn schliesslich hängt davon auch massgeblich ab, wie erfolgreich Du am Wasser sein wirst. Um sie beantworten zu können, ist jedoch ein wenig biologisches Hintergrundwissen von Nöten. «Kenne deinen Zielfisch», lautet die Devise.


Sehen

Optische Reize spielen im menschlichen Alltag eine extrem grosse Rolle und haben entsprechenden Einfluss auf unser Verhalten. Unter Wasser sieht das aber etwas anders aus.

Nicht jeder Fisch ist in erster Linie augenorientiert. Die Sichtverhältnisse unter Wasser sind aufgrund von Lichtbrechung, Absorption, Polarisation und den unterschiedlichen Trübungsgraden ganz anders als an Land. Die Augen der Fische haben sich im Lauf der Evolution daran angepasst, sodass manche Spezies wie zum Beispiel der Zander gar über eine Art Restlichtverstärker verfügen, um auch bei Nacht Beute machen zu können. Das Sehvermögen der verschiedenen Fischarten ist aber je nach Lebensraum und ökologischer Nische unterschiedlich ausgeprägt. Dabei reicht die Spanne von völliger Blindheit bis hin zu «Adleraugen».

Für die optische Wahrnehmung sind bei Fischen vor allem Bewegungen und Kontraste entscheidend. Einzelne, spezifische Farbtöne spielen oft nur eine untergeordnete Rolle, denn die Köderfarbe erscheint in verschiedenen Angeltiefen beziehungsweise Entfernungen unter Wasser nicht gleich. Das hängt unter anderem mit der Absorption der unterschiedlichen Wellenlängen der Lichtfarben zusammen. Langwelliges infrarotes, rotes und oranges Licht ist bereits in drei Metern Tiefe nur noch als Grau sichtbar. Mit zunehmender Tiefe verschwinden dann auch Gelb, Grün, Blau, Violett und Ultraviolett. Letzteres kann in klarem Wasser aufgrund seiner sehr kurzen Wellenlänge bis in 100 Meter Tiefe vordringen. Und tatsächlich sind viele Fische – im Gegensatz zu uns Menschen – in der Lage, ultraviolettes Licht bis zu einem gewissen Mass wahrzunehmen.

Die Angelindustrie macht sich dies zunutze und wirbt mit UV-aktiven Köderfarben. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen jedoch eher um fluoreszierende Farben, die unter UV-Licht besonders grell erscheinen. Diese umgangssprachlich auch Neon-Farben genannten Töne bilden daher starke Kontraste zu dunklen Hintergründen oder schwarzen Musterungen auf den Ködern, worauf viele Fische gut ansprechen.

In Bezug auf die Sehschärfe sei gesagt, dass die meisten Fische kurzsichtig sind. Damit lässt sich auch das Phänomen des Nachläufers erklären, der sich dem Köder auf wenige Zentimeter nähert, ihm ein Stückchen folgt und dann – leider zu oft – doch desinteressiert abdreht, weil er den Braten gerochen hat.


Hören

Schall- und Druckwellen breiten sich im Wasser etwa viermal schneller aus als in der Luft. Zudem ist ihre Reichweite dadurch deutlich höher. Somit werden Fische auch über Erschütterungen und Geräusche in Ufernähe oder auf einem über ihnen treibenden Boot bestens informiert.

Ein über wacklige Steine balancierender Uferfischer, ein auf die Bootsplanken fallender Jigkopf und selbst das leise «Ping» eines Echolotgebers bleiben vielen von ihnen nicht verborgen und können unter Umständen schon bewirken, dass ihre Mäuler geschlossen bleiben.

Wie sensibel Fische auf Geräusche reagieren, hängt oft davon ab, inwiefern sie zu ihrem «normalen Alltag» gehören und welche Erfahrungen sie mit ihnen verbinden. Ein gutes Beispiel für die akustische Lernfähigkeit von Fischen ist das Wallerholz. In Gewässern, in denen die Welse die lauten «Plopps» nicht gewöhnt sind, wirken diese Geräusche wie ein Magnet und locken die Welse Richtung Boot und somit in die Nähe der Köder. Mit zunehmender Klopf-Häufigkeit nimmt die Effektivität des Wallerholzes jedoch auch wieder ab, da die grossen Räuber den Haken an der Sache schon zu oft gespürt haben. Irgendwann wird aus dem Lock- unter Umständen gar ein Scheuch-Effekt.

Ähnlich kann es sich mit laut rasselnden Wobblern verhalten. Deshalb bieten einige Hardbait-Hersteller zwei Versionen ihrer Köder an – eine mit klappernden Kugeln und eine stumme.

Die Wahrnehmung von Schallwellen erfolgt bei Fischen über innenliegende Ohren. Es sind kleine, flüssigkeitsgefüllte Röhren hinter den Augen, in denen Gehörsteinchen – sogenannte Otolithen – schwimmen. Diese werden durch Schallwellen in Schwingung versetzt, was wiederum spezialisierte Sinneszellen anregt, die die Reize schliesslich ans Gehirn weiterleiten. Einige Fische, darunter auch Karpfen- und Welsartige, besitzen zudem den sogenannten Weberschen Apparat. Dieses Gebilde aus kleinen Knöchelchen verbindet das Innenohr mit der Schwimmblase, die durch ihren Resonanzraum wie ein Verstärker für Schallwellen wirkt. Somit können Fische mit Weberschem Apparat 40- bis 60-mal leisere Töne wahrnehmen als Arten ohne.

Ein weiteres Organ, das beim Hören für Fische eine extrem wichtige Rolle spielt, ist die Seitenlinie. Ihre hoch spezialisierten Sinneszellen verlaufen entlang beider Körperflanken und helfen Fischen vor allem dabei, die Richtung, aus der eine Schallwelle kommt, zu lokalisieren. Die Seitenlinie dient sozusagen dem räumlichen Hören.


Tasten

Auch beim Tasten und Fühlen ist die Seitenlinie ein zentrales Organ, denn neben Schall- nimmt sie auch Druckwellen im Wasser genau wahr. Jede Bewegung eines Objekts im Wasser erzeugt Verwirbelungen, die sich erst nach einer gewissen Zeit wieder verflüchtigen.

Wer einen Spinner knapp unter der Wasseroberfläche entlangführt, kann seine Laufbahn anhand der durchs rotierende Blatt entstehenden Verwirbelungen noch sekundenlang nachverfolgen. Unter Wasser sind diese Spuren mit dem Auge nicht zu erkennen, doch die Seitenlinie macht sie für die Fische «sichtbar». So können beispielsweise Raubfische ihre Beute – und unsere Köder – auch bei absoluter Dunkelheit und in trübstem Wasser problemlos verfolgen. Dabei ist die Sensibilität der Seitenlinie erstaunlich. Selbst kleinste Bewegungen, wie sie etwa beim Atmen durch die Kiemendeckel entstehen, können einem Räuber schon die Position seiner Beute verraten. Da ist es kein Wunder, dass zum Beispiel beim Vertikalangeln selbst Gummiköder ohne jede Eigenaktion, die sogenannten No-Action-Shads, erfolgreich sein können.

Zusätzlich zur Seitenlinie sitzen über die gesamte Haut der Fische verteilt druckempfindliche Rezeptoren, die ihnen ebenfalls stärkere Druckwellen und Berührungen signalisieren. Zum Ertasten ihrer Umwelt haben etliche Fischarten auch verlängerte Flossenstrahlen oder Barteln entwickelt. Das prominenteste Beispiel unserer Breiten hierfür ist der Wels, der gleich sechs Barteln in unterschiedlichen Längen ums Maul verteilt trägt. Sie dienen allerdings nicht ausschliesslich dem Tasten.

 Glasauge ist für den Zander ein passender Übername: Zander besitzen eine Art Restlichtverstärker. Somit können sie auch hervorragend in der Dunkelheit jagen.

Glasauge ist für den Zander ein passender Übername: Zander besitzen eine Art Restlichtverstärker. Somit können sie auch hervorragend in der Dunkelheit jagen.

 Ein Wallerholz lockt neugierige Welse zum Köder. Ein zu häufiger Einsatz kann die Räuber aber auch abschrecken.

Ein Wallerholz lockt neugierige Welse zum Köder. Ein zu häufiger Einsatz kann die Räuber aber auch abschrecken.

 Mit Hilfe der sogenannten Otolithen (Gehörsteinchen) sind Fische in der Lage, auch akustische Reize wahrzunehmen.

Mit Hilfe der sogenannten Otolithen (Gehörsteinchen) sind Fische in der Lage, auch akustische Reize wahrzunehmen.

 Kunstköder erzeugen Druckwellen. Diese werden von Raubfischen über die Seitenlinie wahrgenommen und der Köder wird attackiert.

Kunstköder erzeugen Druckwellen. Diese werden von Raubfischen über die Seitenlinie wahrgenommen und der Köder wird attackiert.


Schmecken und Riechen

Die Bartfäden sind bei vielen Arten nämlich auch ein wichtiges Geschmacksorgan, denn ihre Oberfläche ist mit einer Vielzahl von Rezeptoren übersät, die Aromastoffe im Wasser aufspüren.

Derartige Sinneszellen befinden sich in konzentrierter Form bei Fischen mit und ohne Barteln zudem im gesamten Maulbereich und in den beiden Riechgruben, sprich ihrer Nase. Dazu sei an dieser Stelle erwähnt, dass Riechen und Schmecken für Fische ein und dasselbe sind, denn alle chemischen Substanzen, die sie wahrnehmen, sind im Wasser gelöst.

Im Vergleich zu uns Menschen sind Fische – wie auch die meisten anderen Tiere – wahre Meister darin, Aromen zu registrieren. Dabei wird diese Fähigkeit nicht ausschliesslich bei der Nahrungssuche angewandt. Duftstoffe spielen beispielsweise auch bei der Kommunikation innerhalb und zwischen Fischarten eine wichtige Rolle. Ausserdem orientieren sich zum Beispiel Lachse auf ihren Laichwanderungen vornehmlich mit ihrem Geruchssinn und erkennen ihren Geburtsfluss ausschliesslich an seinem charakteristischen Aroma.

Ein solch feines Näschen ist für uns Fischer natürlich eine tolle Möglichkeit, denn wir können unser Futter und unsere Köder durch verschiedene Lockstoffe in ihrer Fängigkeit deutlich steigern. Warum ein bestimmtes Aroma besonders gut funktioniert, lässt sich dabei jedoch oftmals nicht logisch begründen. Knoblauch beispielsweise scheint, obwohl Fische ihn aus ihrem natürlichen Umfeld nicht kennen können, eine anziehende Wirkung auf eine Vielzahl unserer heimischen Flossenträger, darunter Brachsmen, Karpfen, Zander und Forellen, zu haben. «Erlaubt ist, was gefällt» und «Wer fängt, hat Recht» – mit unterschiedlichen Flavours zu experimentieren, kann einem den Fisch des Lebens bescheren.

 

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