Früher war …
24 | 11 | 2023 DiversesText: Bastian Bodyl | Illustration: André Suter 13006
24 | 11 | 2023 Diverses
Text: Bastian Bodyl | Illustration: André Suter 1 3006

Früher war …

Erinnerungen sind gerne trügerisch. Bastian Bodyl hat sich hingesetzt und überlegt, ob sein Fischer-Glas nun halbvoll oder halbleer ist.



… alles besser!  

Ja, es gab kein Internet! Kein Angeben mit XXL-Fischen, die dank Fischaugen-Objektiv noch grösser erschienen. Wenn es ein Fangfoto gab, dann nach zwei Wochen Wartezeit, da der Film erst noch entwickelt werden musste. Kein Lieblingsspot wurde mit einem fahrlässigen Post kaputt gemacht.  Wenn jemand vom heissen Fangplatz wusste, dann höchstens vom Kollegen nach dem dritten Bier in der Beiz.

Viel wichtiger aber: Damals waren die Fischbestände einfach besser. Wenn ich Fischerkollegen von Zeiten erzählen höre, die 20 bis 30 Jahre zurückliegen: Kaum zu glauben, wie gut die Fischbestände waren. Es war tatsächlich so, dass man noch schnell für den Znacht am nächsten Fluss zwei Forellen holen konnte. Nicht wie heute, wo man mal mit Glück eine Massige fängt. Wo ich heute nur ein paar kleine Forellen fange, wurden in vergangenen Zeiten über 100 Mass­fische entnommen – pro Jahr. Noch früher, da wanderten die Äschen den Inn hoch, dass man schon fast auf den Fischen den Fluss überqueren konnte. Das ist nicht bloss Anglerlatein. 

Fischen war dazumal einfacher. Zapfen, Haken (mit Widerhaken natürlich!) und Wurm oder Bammeli dran. Keine riesigen Arsenale von Ködern, etwa aus China und voll mit Schadstoffen. Hersteller und Händler hatten sich nicht ständig mit dem neusten Mist überboten. Bleischrot, Würmer, Spinner, eine Marke Silch und ein paar Ruten, das reichte fürs Geschäft. 

Ja, früher war wirklich alles besser.



… alles schlechter!

Ja, es gab kein Internet! Wer eine neue Technik lernen wollte, musste im «Petri-Heil» (damals noch eine Zeitung und voller Anzeigen!) recherchieren oder ein Buch ausleihen oder gleich einen Kurs besuchen, und für diesen musste man erst noch irgendwo anrufen. Überhaupt gab es gar nicht so viele Techniken: Tenkara, Drop Shot oder Boilie-Fischen? Fehlanzeige! Und heute? Da reicht eine schnelle Suche auf Google. Schon warten unzählige Beiträge und Videos auf meine Klicks. Alles wird mir erklärt. Fischerwissen war noch nie so einfach zugänglich. Auch die Wissenschaft hat doch kaum jemanden interessiert. Da wurden völlig bedenkenlos skandinavische Forellen besetzt. Ein Fehler, wie man heute weiss. Ja, heute sind wir schlauer.

Wer ein neues Gewässer befischen wollte, musste sich früher durchfragen und fürs Patent eine Woche vorher anrufen. Heute finde ich mit ein paar Klicks schöne Gewässer, ob im Tessin, in Schweden oder Spanien. Und kann sie mir auf Google Maps erst noch ganz genau ansehen. Und das Patent habe ich sofort gelöst und kann es drei Minuten später ausdrucken. Die Fischerei ist so zugänglich wie noch nie.

Und dann erst das Fischermaterial! Ruten und Rollen aus den 1970ern sind doch näher an einem steinzeitlichen Faustkeil als an meiner High-End-Kombo! Bambusstecken, Glasfaserruten und harte Karbonprügel, die heute bestenfalls als Ruder zum Einsatz kommen würden, waren das. Dazu 500 Gramm schwere Rollen ohne ein einziges Kugellager. Oder Echolote, welche kaum was anzeigten und erst noch sauteuer waren. Und dann die Auswahl der Köder:  Heute gibt es für jede Situation zweihundert perfekt passende Köder. Und ich brauche dafür nicht mal vom Sofa aufzustehen. Ich bestelle alles bequem, egal aus Japan, den USA oder sonst wo her. 

Und wegen der Fische: Klar, es sind weniger. Aber dafür stinken die Gewässer (und die Fische) nicht mehr wie Kläranlagen und es gibt kein WC-Papier mehr als Beifang. Und es landen keine Schlacht­abfälle, Chemikalien oder x-beliebiger Haushaltsabfall mehr in unseren Gewässern. Da hat sich das Bewusstsein für eine intakte Umwelt doch deutlich weiterentwickelt.

Ja, früher war wirklich alles schlechter. 

 

1 Kommentare


Martin

02 | 02 | 2024

Das es früher mehr Fische gab, würde ich so nicht unterschreiben! Durch diverse Gewässerschutzmassnahmen wie bspw. Kläranlagen, wurden die Gewässer erheblich aufgewertet. Die Wasserqualität ist heute so gut wie noch nie! Früher durften Fische aus dem Rhein nicht gegessen werden, wegen der Belastung durch Schwermetalle und selbst baden war nicht unbedingt die beste Idee. Heute geht es vielen Gewässern erheblich besser als früher, was natürlich auch Auswirkung auf die Fischbestände hat. Das sollte durchaus auch einmal erwähnt werden. Heute weiss man als Fischer viel mehr über die Fische, über ihr Verhalten und einige alte Mythen wurden revidiert. Auch dank Echoloten wurden die Fangerfolge erheblich verbessert.


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