22 | 04 | 2020 | Diverses | 0 | 5408 |
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Der Barsch in mir
Nachdem ich mir über Mensch und Fisch so meine Gedanken gemacht hatte, begann eine Phase vertiefter Selbstbetrachtung. Darin setzte ich mich mit mir, meinen Wünschen, Vorlieben und Eigenheiten auseinander. Es brauchte Stunden der Stille und «Studium mit Gerte», an verschiedenen Gewässern, bei Wind und Wetter. Erst dann konnte ich mich schrittweise meinem Ebenbild unter den Schuppenträgern annähern.
Wie gerne wäre ich doch eine Bachforelle. Standorttreu, athletisch, asketisch, durchsetzungs- und überlebensfähig in kargstem Lebensraum. Ich hätte hohe Ansprüche an meine Umgebung und liesse mich in schnapsklaren Gewässern nur von den vorsichtigsten Feinden überlisten. Auch ein Wels wäre ich gerne. Ab einer gewissen Grösse ohne Feind, vom Menschen mal abgesehen. Über Nacht gemächlich meine Nahrung vom Gewässergrund aufsaugen, um tagsüber vollgefressen im Flachwasser zu fläzen.
Bin ich etwa ein Rotauge? Nein, zu robust und zu friedfertig. Hecht? Auch nicht; zwar führe ich gelegentlich eine grosse Klappe, bin aber kein Sprinter und oft zögerlich. Alet? Leider habe ich trotz meines Alters nicht annähernd diese Kampfkraft. So fiel nach und nach eine Spezies nach der andern weg, und am Schluss blieb noch?– der Egli, bzw. Barsch. Und so erlangte ich Klarheit.
In meinem Herzen bin ich also ein Barsch. Ausgestattet mit einer Flosse mit spitzen Strahlen, die ich in Erregung zum Kamm aufstelle. Man sollte mir nicht zu nahekommen und falls doch, dann bestimmt und mit der richtigen Herangehensweise. Als Barsch werde ich keine dominierende Rolle innehaben, schon gar nicht alleine. Stark bin ich nur im Schwarm. In Bedrohungslagen kann man mir die Tendenz zu Feigheit nicht absprechen. Schnell bin ich in Deckung oder reagiere mit Desinteresse. Lange kann ich die Neugierde aber nicht zurückhalten und erscheine früher oder später wieder auf der Szene. Ja, Barsche sind gesellig, neugierig, anpassungsfähig und robust. Sie jagen im Trupp und können da zuweilen komplett die Zurückhaltung verlieren. Es kann durchaus vorkommen, dass Barsche sich richtig unhandliche Happen reinhämmern. Ganze Krebse zum Beispiel.
Es ist auch verständlich, dass es neben Forellen-, Äschen-, Barben- und Brachsmenregion keine Barschregion gibt. Barsche finden vom Tümpel über den Fluss bis ins Brackwasser ihre Nahrung und Nischen. Schnell eignen sie sich Lebensräume an und bauen Populationen auf. Soweit ich den Lebensraum des Barschs einordnen kann, bleibt eigentlich einzig die Forellenregion von den gestreiften Punks unbehelligt.
Irgendwie spielen ihm die sich verändernden Umweltbedingungen in die Flosse und er kommt gut mit Winterhochwassern, höheren Temperaturen, Wanderhindernissen, Chemikalienmix und was auch immer zurecht. Die letzten Jahre durfte ich feststellen, dass sich der Barsch in meinem Fluss zunehmend gut entwickelt.
Schön zu wissen, dass man als Barsch ein Erfolgsmodell ist. Da ist man doch gerne mal ein Grossmaul, mal unterhaltsam und mal ein zickiger, kleiner und frecher Räuber.
Und jetzt zu Dir, wessen
Flosse ziert Dein Herz?
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