16 | 02 | 2022 | Praxis | 0 | 14131 |
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Das Geruchs- und Geschmacksorgan der Fische
Das Leben unter Wasser stellt hohe Anforderungen an die Sinnesorgane von Wasserbewohnern. Die anpassungsfähigen Augen und scharfen Ohren von Fischen haben wir bereits in den letzten zwei Ausgaben von «Petri-Heil» unter die Lupe genommen. In dieser Ausgabe widmen wir uns ihrem Geruchs- und Geschmackssinn.
Aktuelle Forschungen zeigen auf, wie ausgeprägt Geruchs- und Geschmackssinn bei Fischen sind. Warum haben gewisse Fische einen so guten Riechsinn? Wie funktioniert eigentlich die Ausbreitung der Gerüche im Wasser? Sind Haie wirklich so blutrünstig? Diesen Fragen geht «Petri-Heil» in diesem Bericht nach.
Riechsinn
Wenn man Schwimmen oder Tauchen geht, strömt bei uns Menschen kein Wasser durch die Nase. Bei Säugetieren setzt der Prozess des Riechens das Einatmen von Luft voraus. Die Duftmoleküle treffen in der Nase auf die Nasenschleimhaut, wo sie durch die Geruchsrezeptoren der Riechzellen aufgenommen und verarbeitet werden. Unter Wasser können Säugetiere daher mit der Nase nicht viel anfangen, eingeschlossen die Delfine und Wale. Gerüche verbreiten sich im Wasser langsamer als in der Luft, können aber länger bestehen bleiben. Die Duftmoleküle werden durch Strömungen im Wasser verteilt. Im Gegensatz zu den Menschen ist es den Fischen nicht möglich, durch die Nasenlöcher zu atmen. Die Funktionen der Atmung und des Riechens sind bei den Wasserbewohnern auf die Kiemen und die Nase aufgeteilt. Die Fische ziehen stets Umgebungswasser durch ihre zwei Nasenlöcher, welches dann die Geruchskammer durchfliesst. Dieses Riechorgan der Fische ist mit mehreren Millionen Nervenenden pro Quadratzentimeter ausgekleidet. Im Anschluss wird das Wasser durch die zweite Öffnung wieder herausgeleitet. Der Abstand des Ein- und Ausgangs des Nasengangs fällt von Fisch zu Fisch unterschiedlich aus. Bei genauerem Hinsehen kann man sie an der vorderen Kopfpartie der Fische erkennen. Diese kontinuierliche Wasserzirkulation ermöglicht es den Fischen, unterschiedliche Gerüche wahrzunehmen, auch wenn diese im Wasser nur in geringster Konzentration enthalten sind. Die Reize und Informationen werden dann zum Gehirn weitergeleitet. Jene Fische, die in eher trüben und dunklen Gewässern leben, setzen vermehrt auf ihre Nase, da der Sehsinn unter diesen Umständen an Bedeutung verliert. Der Geruchssinn spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei den Nachkommen, welche sie durch die individuellen Gerüche wieder erkennen. Bei unseren einheimischen Fischen gehören Forellen, Welse und Aale zu den besten Riechern.
Geschmacksinn
Fische nehmen Geschmäcker bei der Nahrungsaufnahme über den Mund auf. Der Geschmackssinn ist bei Fischen jedoch nicht nur auf die Mundpartie begrenzt. Bei den Europäischen Welsen beispielsweise sind Sinneszellen auf der ganzen Haut verteilt. Damit kann der Wels Gerüche auch über die Haut aufnehmen. Fische sind damit in der Lage, sich nebst den Augen über verschiedene andere Sinnesorgane zurechtzufinden. Obwohl Fische durchaus über eine Zunge verfügen, dient diese nur nebenbei zur Geschmackserkennung. Vielmehr wird die oft mit vielen Zähnen bestückte Zunge als Hilfsmittel zur Fixierung und Weiterleitung der Nahrung eingesetzt. Geschmacksknospen werden vermehrt an den Lippen, den Barteln und entlang des Rachens gefunden. Es gilt folgender Grundsatz: Fische, die sich weniger auf das visuelle Sinnesorgan verlassen, besitzen mehr Geschmacksknospen. Dazu gehören Karpfenfenartige, Welse und Grundeln. Forscher nehmen an, dass Fische in der Lage sind, bittere, saure und süsse Geschmäcker deutlich voneinander unterscheiden zu können. Bei der Nahrungssuche hilft ihnen die Aufnahme der Aminosäuren, welche sie durch die Knospen schon aus grosser Entfernung aufnehmen und lokalisieren können. Bei der Nahrungsaufnahme an Riffen können diese Erkenntnisse über Leben oder Tod entscheiden, da sich viele giftige Wasserpflanzen und Tiere nebst der Farbe durch den Geschmack als giftig und ungeniessbar herausstellen. Der grosse Vorteil der Fische gegenüber dem Menschen ist, dass sie den Geschmack bereits vor dem eigentlichen Kosten aufnehmen können. Auch gibt es einige Wasserpflanzen, welche den Fischen besonders angenehm schmecken. Somit sichern sich die Pflanzen die Fortpflanzung, da die Samen so von den Fischen verteilt werden.
Immer der Nase nach
Lachse sind dafür bekannt, unglaubliche Strecken zu ihren Laichgründen zurückzulegen. Lange war man sich nicht im Klaren, wie sie zu den Laichgründen zurückfinden. Neusten Forschungen zufolge spielt der Geruchssinn dabei eine zentrale Rolle.
Die Vielzahl an Chemorezeptoren in der Nasenkammer gehören zu den empfindlichsten Sinnesorganen der Nase. Die chemischen Reize, auf welche die Fische reagieren, werden aus unterschiedlichen Quellen erzeugt. In der Fachsprache nennt man die chemischen Stoffe «Pheromone», welche von den Tieren abgegeben werden. Sie dienen beispielsweise als Sexuallockstoffe oder werden zur Wegmarkierung eingesetzt. Die Fische verfügen somit über ein Instrument der «chemischen Navigation». Dieses hilft den Lachsen, wieder zurück in ihre Kinderstube zu finden. Anhand eines interessanten Versuchs mit Pazifischen Lachsen konnte belegt werden, dass die Fische bereits Verhaltensänderungen zeigten, sobald sie erneut in Kontakt mit dem Wasser kamen, in welchem sie sich in jungen Jahren beim Transport in andere Zuchtbecken befunden hatten. Die Fische verhielten sich reglos oder reagierten mit dem Fluchtinstinkt.
Migrierende Fischarten reagieren deutlich empfindlicher auf Pheromone als Arten, die sich nicht auf grosse Reisen begeben. Nebst den Lachsen legen auch Aale tausende Kilometer auf ihrer Wanderung durch die Meere zurück.
Die Blutfährte
Die berüchtigsten Raubfische, welche durch den Geschmack von Blut in einen Fressrausch versetzt werden können, sind Piranhas und Haifische. Obwohl dieser Blutrausch in Filmen und Medien oft übertrieben dargestellt wird, gibt es sowas wie den Fressrausch tatsächlich. Die in grossen Schwärmen lebenden Piranhas verzehren in den Flusssystemen des Amazonas vor allem tote, verletzte und kranke Fische. Wenn ein Tier Blut ins Wasser abgibt, wird das von den umherziehenden Piranhas schnell bemerkt, denn ihr Geschmackssinn übertrifft den des Menschen deutlich. Berichten zufolge soll die Nase des Piranhas mehr als eine Million mal feiner sein als jene des Menschen. Wenn einige der Fische sich auf den Kadaver stürzen, geraten die anderen Fische automatisch in einen Fressrausch. Dies nennt sich auch Futterneid und kann bei vielen Schwarmfischen beobachtet werden, so auch bei unseren heimischen Egli.
Wenige Tropfen Blut im Wasser sollen reichen, um blutrünstige Haie aus der Ferne anzulocken. Riffhaie sind in der Lage, Fischblut bis zu einer Verdünnung von 1:10?Milliarden wahrzunehmen. Einen verletzten Wal können Weisse Haie beispielsweise bereits aus mehreren Kilometern Distanz wahrnehmen und genau lokalisieren, im weiten Ozean durchaus eine wichtige Stärke.
Wie schnell Haie durch Gerüche angelockt werden können, habe ich in Florida live miterleben dürfen. Zuvor gefangene Fische liessen wir hinter unserem Boot an einer Reissleine treiben. Das Blut trat aus den leblosen Körpern der Fische aus und lockte innerhalb von 10 Minuten über 20 Zitronen- und Bullenhaie an. Menschenblut löst in den Haien keinen direkten Fressrausch aus, denn es hat eine andere Zusammensetzung als Fischblut. Auf Blut von Meeresbewohnern hingegen reagieren sie sofort.
> Auge in Auge mit den Fischen
> Das Seitenlinienorgan der Fische
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