Am Puls der Fischerei
14 | 12 | 2023 DiversesInterview: Nils Anderson 03270
14 | 12 | 2023 Diverses
Interview: Nils Anderson 0 3270

Am Puls der Fischerei

Chefeinkäufer Alex Roschi und Marketing-Verantwortlicher­ André Studer von fischen­.ch­­ kennen die Fischereiszene. «Petri-Heil» hat mit ihnen über auf­strebende und sinkende Marken, über Fischer­typen und die Trends geredet.



«Petri-Heil»:
Reden wir zuerst von den Fischern an sich. Welche Fischertypen gibt es?

Alex Roschi: Also die Fischertypen, die Ihr damals als Serie porträtiert habt, die gibt es wirklich. Vom Anfänger über den Zäpflifischer bis zu den Freaks, die sich voll auf etwas eingeschossen haben. Klassisch kommen da einem die Karpfen- und Welsfischer in den Sinn. Aber auch Hecht­fischer gibt es, die machen eigentlich gar nichts anderes, ebenso Egli- und Felchenfischer.

 

Und zu welcher Art zählt Ihr Euch?

Alex Roschi: Ich bin schon ein ziemlicher Freak. Aber halt fürs Fischen per se. Ich bin mir für nichts zu schade, ein Allrounder eben. Vom Welsfischen bis zum Zweihandfischen auf Lachs. Das kommt mir auch in meiner Funktion hier stark entgegen. Als Einkäufer  muss man überall am Puls sein, bei allen Fischereiarten. Sonst bildet sich das gleich ab.

André Studer: Früher gab es den reinen elitären Fliegenfischer­typus noch häufiger als heute, mittlerweile überschneidet sich das immer mehr mit dem Spinnfischen. Auch ich bin in erster Linie Fliegenfischer, kann mich aber auch richtig gut fürs Spinnfischen begeistern.

 «Den gibt es wirklich!»: Der «Hightech-Junkie» aus unserer Serie «Fischer-Typologie» (2018 - 2021) von Ruben Rod und  Patrick Stieger.

«Den gibt es wirklich!»: Der «Hightech-Junkie» aus unserer Serie «Fischer-Typologie» (2018 - 2021) von Ruben Rod und Patrick Stieger.


Gewinnt das Fliegenfischen an Popularität?

André Studer: Es ist sicher nicht mehr auf diesem unantastbaren Level. Gerade das Euronymphing ist sehr einfach zu erlernen, man fängt schnell und es ist eine gute Einstiegsmöglichkeit. Etwa 20 Prozent unserer Kunden sind Fliegenfischer.

 

Und wieviel machen die Spinnfischer aus?

André Studer: Wie es genau aufgeteilt ist, ist schwierig zu sagen. Zapfenfischer sind nun mal weniger für die Sammelwut empfänglich als Spinnfischer. Letztere sammeln gerne Wobbler, Sonderfarben usw. und das schlägt sich natürlich klar im Umsatz nieder. Kunstköder sind eben auch Emotionen, die wir verkaufen. Aber ein beträchtlicher Teil des Umsatzes wird noch immer mit Kleinteilen gemacht. Zapfenfischer sind ein ganz wichtiger Teil, aber sie sind verglichen mit den Spinnfischern auch so etwas wie ein Selbstläufer, nicht so begierig auf Tackle und Neuheiten. Dort sind die Emotionen dann eher beim Fisch, und diesen können wir nicht verkaufen. Und ohne die Zäpfler würde es nicht gehen. Viele beginnen immer noch mit dem Zapfen.  

Alex Roschi: Und wenn man in die Zukunft blickt, wird dieses klassische Fischen mit Zapfen immer weiter abnehmen. Doch verschwinden wird es sicher nie. Aber gerade wenn man schaut, wie die sozialen Medien funktionieren: Da ist der Kunstköder ganz einfach überlegen.

 

Alex, Du bist Chefeinkäufer für den grössten Schweizer Fischereiartikel-Händler. Wie bist Du dazu gekommen? 

Alex Roschi: Ich bin durch Zufall bei fischen.ch gelandet. Eigentlich sahen meine Zukunftspläne ganz anders aus, aber die Chance, mein Hobby zum Beruf zu machen, wollte ich einfach nutzen. Nun bin ich seit fast 6 Jahren im Team und studiere parallel dazu Wirtschaft. Dass man sich für jede erdenkliche Art der Fischerei interessiert, ist mehr als nur hilfreich. So fällt mir dann das Lesen von Katalogen und Preislisten richtig leicht (lacht).

 

Erzähl uns noch ein wenig mehr über den Einkauf bei fischen.ch.

Alex Roschi: Wir sind ein eingespieltes Dreier-Team, welches sich um Einkauf und Kategorie Management kümmert. Wir schauen ständig, was es Neues gibt. Was könnte in der nächsten Saison gut funktionieren und was nicht? Gleichzeitig fallen auch viele Sachen wieder raus. Es ist schon wichtig, dass man immer on point ist. Und je grösser das Sortiment, desto anspruchsvoller werden diese Aufgaben. Wenn Du als Händler die Trends früh erkennst, bist Du auch der erste beim Kunden. Und das merkt man effektiv: Wenn etwas Neues kommt, steigen die Käufe sofort an und flachen dann irgendwann auch wieder ab.

André Studer: Hier ist auch das Zusammenspiel von Marketing und Einkauf extrem wichtig.

Alex Roschi: Genau. Gerade jetzt diskutieren wir über Shimano. Was bestellen wir alles? April, Mai, Juni muss sehr viel Material da sein, dann ist Hauptsaison. Da muss alles gut aufeinander abgestimmt sein. Wo setzen wir die Schwerpunkte? Das ist immer komplexer geworden über die letzten Jahre, denn immer mehr Brands bringen immer mehr Sachen raus. 

Bei einer Neuigkeit ist es immer so: Einer oder zwei bringen das. Und irgendwann haben es alle im Sortiment. 

 Gut zu werfen und einfach zu führen: Der Spinjig war der grösste Trend der letzten Jahre.

Gut zu werfen und einfach zu führen: Der Spinjig war der grösste Trend der letzten Jahre.


Hast Du dazu ein Beispiel? 

Alex Roschi: Das Ned Rig. Das war das Ding in den letzten zwei, drei Jahren; in den USA schon mega gross, bei uns unbekannt. Dann kommt es langsam in ein paar Foren auf, dann die ersten Videos, und so wird es irgendwann zur Geheimwaffe für grosse Egli.

André Studer: Und plötzlich haben Westin, Savage Gear usw. einen solchen Wurm drin. Das kann man gut verfolgen: Zuerst sind es Spezialisten, dann die grossen Brands und dann auch eher günstige Marken wie Jenzi oder Sänger. Irgendwann haben es alle, und dann wird es auch für uns schwierig. Es ist wie in der Modebranche. Etwas wird gross, dann verebbt es und verschwindet für ein paar Jahre und kommt schliesslich wieder.

 

Solche Neuigkeiten wie das Ned Rig, sind die wirklich neu? Und fangen sie auch mehr? 

André Studer: Meistens sind die neuen Techniken nur Finessen oder Abwandlungen einer bestehenden Technik. Aber es ist schon auch so: Diese Finessen und Details können dann tatsächlich den Unterschied machen und effektiv besser fangen. Das vor allem an stark befischten Gewässern. Und dann kommt da auch noch der Spassfaktor dazu: Mal etwas anderes machen, etwas ausprobieren. Das motiviert und macht einen am Ende zum besseren Fischer.

 

Es tauchen auch immer mehr Marken auf. Stimmt das?

Alex Roschi: Vor allem gibt es immer mehr Marken mit immer mehr Produkten. Das ist mir aufgefallen. Und dann hat es erfreulicherweise auch mehr kleine Produzenten, die sich auf etwas spezialisiert haben. Das sind oft Selfmade-Produzenten mit YouTube-Kanal. Die ziehen ihr Ding durch und plötzlich wird eine Firma daraus. Zeck, Monkey Lures, Bullseye und so weiter. Da sind viele neue Gesichter präsent. Diese kleinen, lokalen europäischen Marken werden immer wichtiger. Das hat dem Gesamten richtig gutgetan. Diese Kleinen sind das Salz in der Suppe und sie zeigen, dass es funktioniert. 

André Studer: Auch die Schweizer Marken sind bei uns richtig wichtig: Ein sehr grosser Teil unserer Berg­see­fischer-Kundschaft setzt beispielsweise voll auf Stucki.

Beim Fliegenfischen sind die grossen amerikanischen Brands Leader und die interessieren sich kaum für den europäischen, geschweige denn den Schweizer Markt. Und da sagen dann Firmen wie Guideline, Nàm oder Loop dankeschön. 

Alex Roschi: Um das zu verstehen, muss man auch die Dimensionen sehen: Europa ist im Vergleich zu den USA oder Japan handelstechnisch ein Flickenteppich. Zoll, Steuern, Fracht, die verschiedenen Sprachen und Normen, das ist in Europa viel komplizierter. Und wenn man vergleicht, in den USA hat es etwa fünf bis sieben Millionen aktive Fliegenfischer und die alle in einer Handelszone. Da sind wir in der Schweiz nicht mal bei einem Prozent!

 Auch der  Chatterbait  hat sich bei uns durchgesetzt. Mittlerweile haben ihn fast alle Marken im Sortiment.

Auch der Chatterbait hat sich bei uns durchgesetzt. Mittlerweile haben ihn fast alle Marken im Sortiment.


Anders herum hat man das Gefühl, dass viele der einst richtig grossen Marken zurückgehen und verschwinden. Ich denke da an DAM, Abu Garcia, Hardy, Berkley oder Plano.

Alex Roschi: Das alles hat viel mit dem amerikanischen Markt zu tun. Die Amis wirtschaften und denken ganz anders und haben hintendran riesige Investitionsfirmen. Was der Amerikaner macht: Man hat eine Konkurrenz. Statt sie zu verdrängen, kaufen wir sie einfach, machen sie zu oder lassen sie langsam sterben. Das sind teils feindliche Übernahmen. Und ja, das sind fragwürdige Praktiken. Aber das ist überall in der Wirtschaft so. Und viele Firmen trafen irgendwann die naheliegende Entscheidung, an einen Grossen zu verkaufen, da das Bestehen gegen diese immer schwieriger wird. Das gehört halt dazu.

In den USA dominieren jetzt zwei Riesenimperien: Pure Fishing und Rather Outdoors. Pure Fishing, das ist ein riesiger Katalog voller ehemals etablierter Marken, die jetzt für sich nicht mehr die Bedeutung haben wie damals. 

 

Und was sind die aktuellen Trends?

Alex Roschi: Alles, was ohne Tauchschaufel oder Rassel ist, hat es eher schwierig in Europa. BigBait war eine Zeit lang ein Riesentrend und geht jetzt wieder zurück. Auch beim Hechtfischen dürften jetzt eher wieder kleinere Köder wichtig werden. Spoonfischen war auch so ein Trend; jetzt hat jede Marke Spoons im Angebot. Westin beispielsweise, die haben extra dafür eine kleine dänische Firma aufgekauft. Im kommenden Jahr werden quasi alle Marken alles anbieten. Die Trends der letzten drei Jahre waren Chatterbait, Ned Rig, Spoon und vor allem der Spinjig. Der war richtig massiv. Ein einfacher Spinner, den man tief führen und weit werfen kann. Jetzt hat jede Marke einen Spinjig im Angebot. Auch pelagisches Fischen wird stärker werden; da wird es mehr Köder von mehr Firmen geben. Und jetzt läuft wieder der Trend zu grossen Wobblern, das war lange kein Thema mehr. 

Zwischendurch waren mittelstarke Ruten überhaupt nicht mehr beliebt bei den Jungen. Es musste ultraleicht oder richtig schwer sein. 

Texas- und Carolina-Rig wird sich zu den Basics gesellen; in den USA bspw. macht und kann das eigentlich jeder. Hier wird die Nachfrage an fertigen Rigs und mehr Fertig­sachen sicher weitergehen. 

 Tungsten ersetzt das herkömmliche Blei mehr und mehr. Ob es aber wirklich nachhaltiger und umweltfreundlicher ist, bleibt umstritten. Für das klassische Bleischrot ist aber noch keine Alternative gefunden worden.

Tungsten ersetzt das herkömmliche Blei mehr und mehr. Ob es aber wirklich nachhaltiger und umweltfreundlicher ist, bleibt umstritten. Für das klassische Bleischrot ist aber noch keine Alternative gefunden worden.


Und wie steht es mit der Nachhaltigkeit als Trend?

André Studer: Da hoffen wir, dass mehr passiert. Man sieht da und dort bereits erste Ansätze, immer mehr Hersteller achten auf schadstofffreie Gummis oder gar auf biologisch abbaubare. Zudem wird Blei auch immer mehr durch Tungsten, Messing oder Stahl ersetzt. Gerade auch bei den Verpackungen lässt sich viel einsparen, nimmt man geschredderten Karton statt Luftpolsterfolie. Es geht hier grundsätzlich in die richtige Richtung, aber es wird noch dauern.

 

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