Fischer-Typologie
31 | 10 | 2020 DiversesText: Ruben Rod | Illustrationen: Patrick Stieger 06989
31 | 10 | 2020 Diverses
Text: Ruben Rod | Illustrationen: Patrick Stieger 0 6989

Fischer-Typologie

Menschen sind verschieden. Das ist bei Fischern nicht anders. «Petri-Heil» stellt hier einige dieser Typen mit einem Augenzwinkern vor. Vielleicht erkennst Du Dich (zumindest teilweise) auch darin.


Der «Petri-Heil»-Redaktor 

«Ich habe einen Traumjob», denkt er. Am Anfang zumindest, denn schon bald wird es kompliziert. Monat für Monat mehrere Seiten über das Fischen schreiben, für eine Leserschaft von kritischen Experten? Bald schon hat er seine besonderen Stärken und Vorlieben zu Artikeln verarbeitet, gleichsam sein Pulver verschossen, und er muss sich auch auf heikles Terrain wagen: Gewässer, die er nicht kennt, Fischereitechniken, die er nicht beherrscht. Sehr wahrscheinlich, dass es etliche Leser besser wissen. Damit muss er leben und die Leserschaft auch. Zum Glück gibt es aber noch sie: die freien redaktionellen Mitarbeiter, wahre Wundertüten! Frei von Verpflichtungen und ganz ihren Stärken entsprechend schöpfen sie aus dem Vollen und versorgen das Heft mit Fleisch am Knochen. Und was wäre das «Petri-Heil» ohne seinen sagenhaften Layouter? Aus mageren Texten und Handyfotos gestaltet er Augenweiden, lässt Widerhaken verschwinden und kreiert mit Bildern russischer Egli umwerfende Titelseiten. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie weggespart sind, die «Petri-Heil»-Redaktoren. Vorbei sind die Zeiten, als sie auf Gratisreisen in die Karibik
eingeladen wurden. Wenn es denn je so war.



Der Pechvogel

«Was mache ich bloss falsch?», fragt er sich am Wasser. Gleicher Ort, gleiche Köder, gleiches Vorfach und die gleiche Aktion mit der Rute. Und doch beissen sie bei seinen Fischerkollegen, nicht bei ihm. Zu Beginn hält er das für das Schicksal des Anfängers, dem noch der «Killerinstinkt» fehlt. Aber mit der Zeit kann er es sich nicht mehr erklären. Als er die Schnauze voll hat und die Rute hinschmeissen will, passiert es: Sein spontaner Anhieb aus purem Frust wird von grossem Widerstand quittiert. Der Pechvogel weiss nicht, wie ihm geschieht, als er ein unfassbares 55er-Egli feumert. Von diesem Fisch wird noch Jahre gesprochen und er gilt nun als Glückspilz, egal was er gerade fängt.

 


Der Nörgler

Stets hat er einen Grund, um sich zu beschweren. Die Politik, die Gewässerbewirtschaftung, die Berufsfischerei oder die fischfressenden Vögel: Die Themen sind so unerschöpflich wie sein Bedürfnis, sich aufzuregen. Und früher war sowieso alles besser. Wenn es um das Kritisieren geht, fehlen ihm nie die Worte und die Energie. Immer wieder findet er neue Schuldige oder Dilettanten. Zum Glück gibt es sie trotz der möglichen Fehler und dem unerbittlichen Nörgler: die unerschrockenen Macher. Nicht das Nörgeln ändert Probleme, sondern Taten.

 

 
Der Laferi

«Hoffentlich kommt er nicht zu mir», geht den Fischerkollegen durch den Kopf, wenn er am Wasser auftaucht. Dann ist der Laferi da. Er hat zwar sein Fischerzeug dabei, aber seine Aufmerksamkeit gilt nicht dem Fischen. «Vor etwa zwei Wochen, da habe ich …», beginnt er eine seiner unendlichen Geschichten. Selbstverständlich geht er davon aus, dass sein Publikum brennend am Ausgang der Story interessiert ist. Das stimmt in gewissem Sinn sogar, denn die Zuhörer warten sehnlichst auf das Ende. Naheliegend, dass der Laferi gerade alleine unterwegs war, wenn er die beschriebenen Abenteuer erlebt. Denn wäre jemand dabei gewesen, wäre er mit Reden beschäftigt gewesen. Und offensichtlich fängt er dabei auch nichts Nennenswertes. Noch nie hat man zusehen können, wie er einen guten Fisch gelandet hat. Wie wäre es denn, mal die Fänge für sich sprechen zu lassen?

 

 
Der Chaot

«Die verstehen mein System halt nicht», sagt sich der Chaot, wenn seine Fischerkollegen einen vielsagenden Blick in seinen Plastiksack werfen. Mag sein, dass er Herr ist über seinen darin verstauten Wirrwarr aus lose hineingeworfenen Vorfächern, im Bodensatz liegenden Kleinteilen, ineinander verhedderten Spinnködern und sich in Mikroplastik auflösenden Gummis. Fakt ist, dass er immer wieder irgendwas doppelt und dreifach kauft, weil er es nicht mehr findet. Und am Wasser kommt er den Mitfischenden trotzdem noch mit einem «Häsch du mir vilecht es … has grad deheime vergässe». Um Zeit zu sparen, wirft er alles in verschiedene Plastiksäcke oder daheim auf seine vollgestellte Werkbank. Wozu Dinge sortieren und einräumen, wenn man sie ja ohnehin rausnehmen und brauchen will? Stundenlange Suche und Kopfzerbrechen, wo der tolle Wobbler abgelegt sein könnte: Dafür hat er kein Zeitgefühl. Zum Glück braucht es schliesslich nur eine Rute, die Rolle, Schnur und einen Köder. Das kriegt er hin und hat nicht weniger Erfolg als seine Kollegen. 

 

 

 
Der Rekordfälscher

Sehnlichst möchte er sich in der Fischergemeinde verewigen mit dem auf­sehenerregenden Rekord. Die «Personal Best» und die Anerkennung seiner Kollegen und Familie genügen ihm nicht. Nein, es muss im Minimum ein Schweizer Rekord sein! Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Er probiert es mit manipulierten Massbändern, Photoshop oder dem gekauften Fisch vom Berufsfischer. Einmal hätte er es fast geschafft, mit einer gewaltigen 113er-Seeforelle, die er im November tot am Laichgewässer aufgelesen und eingefroren hatte. Im Januar wollte er damit als Eröffnungsfang an die Öffentlichkeit. Zu dumm, dass es am Wasser einen Augenzeugen gab, der die Fischereiaufsicht darüber informiert hatte. Ein andermal war es ein spitzfindiger Grafiker, dem Ungereimtheiten am Fangfoto aufgefallen sind. Und mit jedem Mal wird es schwieriger, weil man seine Meldungen und deren Fanggeschichten genauer unter die Lupe nimmt. Er fühlt sich ungerecht behandelt, und das stimmt sogar ein bisschen. Denn der Rekordfälscher fängt wirklich regelmässig kapitale Fische und ist an den ersehnten Bestmarken nahe dran. Schade, dass man ihm künftig den echten Allzeitrekord nicht mehr abnehmen wird.

Sein Ruf eilt ihm voraus, und den wird er nicht mehr los.

 

 


Der Langschläfer

Er kommt, wenn die anderen fertig sind. Und staunt dabei nicht schlecht, als er hört, was bereits alles gelaufen sei. Volle Kühltaschen, Mordsfische und krasse Jagdszenen, während er noch geschlafen hat. Nun gut, von sowas geträumt hat er auch im Bett. Aber das ist ihm nur ein schwacher Trost, wenn er in der Mittagssonne am Wasser steht und nichts mehr beissen will. Immer wieder nimmt er sich vor: «Morgen früh will ich es wissen!», und stellt den Wecker auf 04:00. Wenn es schliesslich soweit ist, schaltet er den Alarm im Halbschlaf aber gleich wieder aus. Die Müdigkeit ist stärker als sein Vorsatz. Das liegt auch daran, dass er am Vorabend so spät schlafen gegangen ist. Denn abends läuft er zu Hochform auf. Das Zwielicht der Abenddämmerung kostet er voll aus und fischt bis in die Nacht. Was er dabei schon alles erlebt hat! Selber schuld, wer zu früh schlafen geht. 

 
Der Frühaufsteher

Er ist fertig, wenn die anderen kommen. Dass der Tag noch besser werden kann, glaubt er nicht. Schliesslich haben sich die Fische bereits stundenlang den Ranzen vollgeschlagen und seine Fänge zeugen davon. Aber abends will er nochmals ans Wasser. Bei Sonnenuntergang soll es ja auch zu Sternstunden kommen, da hat er schon die wildesten Geschichten gehört. Doch wenn es schliesslich soweit ist, entscheidet er sich dazu, in Ruhe ins Bett zu gehen. Seine Augen fallen ihm ständig zu. Die Müdigkeit ist stärker als sein Vorsatz. Das liegt auch daran, dass er schon so lange auf den Beinen ist. Geht frühmorgens der Wecker, ist er schliesslich wieder hellwach und läuft zu Hochform auf. Die Morgendämmerung kostet er voll aus und fischt, bis die Sonne knapp über dem Horizont steht. Was er dabei schon alles erlebt hat! Selber schuld, wer zu lange schläft.

 

 
Der Familienfischer

Der Familienfischer ist zutiefst gespalten. In seiner Brust schlagen zwei Herzen: ein Fischerherz und ein Familienherz. Verbringt er mit den Kindern Zeit auf dem Spielplatz, gibt er sich (Fischer-)Tagträumen hin. «Papi, wo bist du schon wieder mit deinem Kopf?» bekommt er nicht selten zu hören. Kaum hat er es endlich ans Wasser geschafft, muss er auch schon wieder aufhören. Dabei hat er sich grad eingefischt und es beginnt zu laufen. Aber das eng getaktete Programm im Familienalltag nimmt keine Rücksicht auf Beisszeiten. Erlaubt er sich einen Exzess und ignoriert seine Uhr und das Handy, folgen Drama und schlechtes Gewissen. Er versucht so oft es geht, Familie und Fischen irgendwie miteinander zu verbinden. Das geht regelmässig ziemlich schief. «Mir ist langweilig, wann gehen wir endlich heim?» oder «Warum müssen wir immer machen, was du willst?» gehören noch zu den harmloseren Sätzen. Er muss ständig Kompromisse machen und besonders erfolgreich ist er dabei nicht – weder bei der Familie noch bei den Fischen. Aber der Familienfischer kann sich freuen: Sind seine Kinder erst mal erwachsen, erwartet ihn ein Leben voller Leidenschaft als Pensionär. Wenn er sich dabei einigermassen geschickt anstellt, sind begeisterte Enkel am Wasser dabei.


 
Die Fischerin

«Warum nehmen die Typen mir einfach nicht ab, dass ich wirklich fischen will?», fragt sich die Fischerin regelmässig. Denn sie fischt nämlich weder für ihren Freund oder den Papa, sondern einzig und alleine deshalb, weil sie begeistert ist vom Fischen. Damit fasziniert sie die Mitfischer über alle Massen, die sie behandeln wie ein Einhorn. Zum Glück hat sie einen Freund, der sie regelmässig ans Wasser begleitet und liest, während sie ungestört ihre Bisse anschlagen kann. Manchmal hilft er ihr noch beim Feumern und freut sich, daheim den Grill anzuwerfen. Was seine Liebste doch für ein tolles Hobby hat! Das sehen ihre Fischerkollegen genauso und fragen sich: «Was findet sie denn an diesem Langweiler?» Aber eigentlich sollten sie froh sein, nicht immer mit ihr fischen zu müssen. Denn die Fischerin trocknet sie nämlich alle ab …

 

 
Der Schwarzfischer

Wozu sich um ein Patent bemühen, wenn es auch ohne geht? Begonnen hatte alles als Kind beim Dorfweiher und am Feldbach. Die beiden Gewässer waren gepachtet von Zahnarzt Meier. Der steckte dem Bauern Fritz jedes Jahr einen Hunderter zu, damit dieser mit der Heugabel den Buben Beine machte, wenn sie sich am Wasser herumtrieben. Ehrensache, es dem geizigen Pächter und seinem Schergen zu zeigen! Frühmorgens oder verborgen im Stil eines Ninjas holte er sich die Forellen. Dabei erfolgreich, gewöhnte er sich an den Nervenkitzel. So sehr, dass er auch als Erwachsener nicht ohne den besonderen Kick fischen kann. Stets muss irgendetwas illegal sein, wenn er am Wasser unterwegs ist: Sei es das fehlende Patent, nicht erlaubte Köder, das missachtete Schongebiet oder Widerhaken. Inzwischen glaubt er selbst nicht mehr daran, auf völlig legale Weise einen rechten Fisch fangen zu können. Wahrscheinlich hat er sogar recht damit.

 


 
Der Showfischer

«Fish on!» schallt es weitherum über das Wasser, wenn der Showfischer einen Anschlag setzt. Auch wenn es ein Hänger ist oder der Biss ins Leere geht. Hat er Glück und es zappelt tatsächlich etwas an der Leine, kostet er es möglichst auffällig aus. Alle sollen schliesslich merken, dass er gerade etwas fängt. Natürlich wäre es am schönsten, wenn er laufend metrige Hechte, grosse Forellen oder kapitale Egli in Szene setzen könnte. Damit es auch bei den nicht ganz so grossen Fängen nach was Ordentlichem aussieht, fischt er gerne ein leichtes und weiches Chnebeli, das sich eindrucksvoll vor jedem Widerstand krümmt, auch wenn es noch so klein ist. Auf dem See schätzt er das Felchenfischen, weil die silbrigen Kraftpakete einen besonders effektvollen Drill an der feinen Rute bescheren. Am Fluss beeindruckt er unkundige Spaziergänger mit Alet und Barben. Auf die Frage «Sind das Forellen?» antwortet er nach einem kurzen Zögern auch mal mit einem «Ja», wobei er seine Augen hinter der coolen Polbrille verbirgt. 

 


 
Der Sammler

Es ist gar nicht so leicht zu sagen, ob der Sammler überhaupt ein Fischer ist. Er gibt zwar ein Vermögen in Fischerläden und Webshops aus und lässt sich immer wieder für Neuheiten und ausgefallene Köder begeistern. Herrlich, wie vielfältig die Fischerei ist! Doch seine Fischereiabenteuer finden schliesslich vorwiegend in der Fantasie statt. Denn er hat immer triftige Gründe, weshalb er gerade nicht zum Fischen kommt. Manchmal «mistet» er auch aus und verschenkt oder versteigert originalverpackte Köder. Haben schliesslich nie was gefangen. Wie sollten die armen Dinger denn auch, wo sie doch nie nass geworden sind? Je länger desto mehr beschleicht seine Kollegen der Verdacht, dass seine Begeisterung den Fischereiartikeln und nicht dem Fischen gilt. 

 

 
Der Aggro

Der Aggro ist meistens der erste am Hotspot. Er stellt seinen Wecker möglichst früh, um den Platz zu besetzen. Selber schuld, wer zu spät kommt. Er breitet sein Material aus und steckt mit den Ruten sein Revier ab. Neuankömmlinge mustert er grusslos mit finsteren Blicken. Soll jeder merken, dass er niemanden eingeladen hat. Hat er eine Spinnrute dabei, wirft er demonstrativ laufend in alle Richtungen. Wenn sich die Schnur eines anderen mit seiner kreuzt oder gar verheddert, brüllt er den Konkurrenten weg. Aber wenn ein richtig schwerer Fisch hängt, sollen die Fischerkollegen gefälligst kommen und ihm beim Landen helfen. Aber wehe dem, der seinen Fisch verfeumert …

 


  
Der Releaser

Der Releaser («Freilasser») setzt sich elegant über das schweizerische Verbot von Catch & Release hinweg. Jeder Fisch rutscht ihm nach dem Abhaken aus den Händen zurück ins Wasser. Das kann schliesslich jedem passieren. Erstaunlicherweise gelingt es ihm trotzdem, alle Fänge ausgiebig zu fotografieren. Je grösser der Fisch, desto ausführlicher die Verabschiedungszeremonie. Zum Schluss gibt es noch Streicheleinheiten und Küsschen: Auf Wiedersehen, Hechtmutti! Ganz nach dem Motto «Let go, let grow» soll das schöne Tier noch grösser werden und die «Personal Best»-Marke beim nächsten Mal weiter nach oben verschieben. Der Releaser sieht sich als Öko-Fischer und quittiert die entnommene Massforelle seines Fischerkollegen mit einem mitleidigen Blick. Dieser ist halt noch nicht so weit, um auf das Töten und Mitnehmen verzichten zu können. Warum nicht einfach tauchen gehen, um Fische zu sehen? So konsequent mag «der gute Rebell» doch nicht sein. Er verdrängt, so gut es geht, dass man ihn auch als vorsätzlichen Tierquäler sehen kann.

 



Der Fleischer

Für den Fleischer schwimmen im Wasser keine Fische, sondern Filets. Wenn er fischt, wägt er immer wieder Aufwand und Ertrag gegeneinander ab. Ein Fischertag hat sich für ihn nur gelohnt, wenn die Kühltasche auf dem Heimweg schwer wiegt. «Nur ein toter Fisch ist ein guter Fisch!»: So deutlich würde er es aber nie sagen. Vielmehr regt er sich über dieses neumodische «Catch and Release» auf. Fische fangen, um sie dann wieder freizulassen? Das macht für ihn einfach keinen Sinn. Zudem ist das in der Schweiz illegal und er ist schliesslich ein rechtschaffener Fischer. Das Freilassen überleben sie ja sowieso nicht. Stimmt auch, so wie er seine Fische landet. Damit ihm ja kein Fisch entschlüpfen kann, nimmt er zum Abhaken ein trockenes Küchentuch oder schleift seine Beute schnellstmöglich über Stock und Stein ans sichere Ufer. Während sich in seiner Tiefkühltruhe die vakuumierten Zeugnisse seiner Fischertage stapeln, beklagt er sich über den allgemeinen Fischrückgang.

 


  
Der Geheimniskrämer

Der Geheimniskrämer wähnt sich im Besitz eines besonderen Geheimnisses: Nämlich als Einziger zu wissen, wie man Fische fängt! Neidisch hütet er sein Wissen, da er fürchtet, andere würden dann mit seinen bahnbrechenden Kenntnissen das Gewässer leerfischen. Zu andern Fischern hält er lieber einen Sicherheitsabstand ein, damit keiner genauer erkennen kann, wie und wo er fischt. Kommt einer näher, montiert er schnell den Köder ab und gibt vor, gerade eine Pause zu machen. Wenn es jemand genauer wissen möchte, druckst er herum: «Ich fische mit so Gummis, keine Ahnung, wie die heissen. Im Osten des Sees beisst manchmal was …». Aha, denken sich die Kollegen und verschonen ihn auch mit ihren Tipps und Erfahrungen. Und nie würde er etwas ins «Petri-Heil» bringen oder dieses Heft abonnieren. Regelmässig schnappt er sich jedoch eine Ausgabe am Kiosk und blättert die Fangmeldungen kurz durch. «Diese Angeber, und niemals sind die abgebildeten Fische so gross wie behauptet!» Schnell stellt er das Heft zurück ins Regal. Vielleicht ist es besser für ihn, nicht genauer hinzuschauen. Denn wenn er realisieren würde, was andere erreichen, würde er ganz grün vor Neid. Lieber gibt er sich weiterhin ungestört der Illusion hin, im Besitz seiner Geheimnisse der beste Fischer weit und breit zu sein.

 



Der Hipster

Mit Dreitagebart und in Outdoor-bekleidung trifft man ihn am Wasser. Seine Fischertasche und die Wanderschuhe sind farblich aufeinander abgestimmt. Beim Training in der Muckibude hat er sich mal ein Youtube-Video von «Morningtide fishing» angeschaut. Seither ist ihm klar, was er braucht, um definitiv ein Mann zu sein. Fischen! Dass es hierzulande nicht ganz so krasse Viecher und vom Meer umtoste Felsen gibt, realisiert er recht bald. Aber grosse Fische hat es ja offenbar auch im Süsswasser. Sollte ja kein Problem sein, es diesen fischenden Senioren und Langweilern am See mal zu zeigen. Im Netz informiert er sich, klickt sich durch viele Videos und kauft für ein Vermögen abgeschautes Tackle ein. Ist er endlich am Wasser, fummelt er ständig an seiner GoPro herum. Schliesslich will er bereit sein, seine Meterfische auf Film zu bannen und ins Netz zu stellen. Idealerweise ungeschnitten und mit dem Anbiss auf Ansage. Der Hipster sinniert darüber nach, auf YouTube und Instagram durchzustarten. Doch um mit Fischeraction Klicks zu bekommen, muss er erstmal: was fangen. Damit tut der Mann sich echt schwer. Ob er mal nach Australien reisen sollte?

 

 
Der Fliegenfischer-Fundi

Der echte Fliegenfischer hat sich noch nie die Hände mit Würmern schmutzig gemacht. Seit Kindsbeinen schwingt er eine Fliegenrute und ist nie auch nur auf die Idee gekommen, einen schnöden Hechtlöffel in den See zu katapultieren. Mit Argwohn beobachtet er auch die Möchtegern-Fliegenfischer, die mit unkonventionellen Fliegen am Wasser erscheinen. Denn er ist nämlich bekennender Trockenfliegenfischer und greift nur im äussersten Notfall mal zu einer Nymphe. Und das nur ganz diskret, wenn er alleine am Wasser steht.

Er ist überzeugt davon, dass sich jede Fischart nach der gepflegten Art eines englischen Lords überlisten lässt. Die Herstellung seiner Fliegenkreationen erfolgt nur mit auserlesensten Naturmaterialien. Dass von eigener Hand verarbeitete gespliesste Bambusruten und reine Seidenschnüre zum Einsatz kommen, versteht sich von selbst. Er sucht privilegierte Orte auf dem ganzen Planeten auf, um dort in ungestörter Kulisse seinen Vorstellungen entsprechend in «echter Natur» zu fischen. Er sieht sich als edlen Wilden unter den Fischern und traut anderen Fischern kaum zu, die Schönheit der Natur zu achten und Fische mit dem gebührlichen Respekt zu behandeln. So fühlt er sich auch dann weit überlegen, wenn er als einziger am Wasser den ganzen Tag über keinen Fang zustande bringt. Derweil die Zapfen- und Spinnfischer ihre arme Beute einpacken.

 



Der Multirollenfischer

Der Multirollenfischer wähnt sich an der Speerspitze der Finesse-Fischerei und möchte fischen wie die Cracks in den USA oder Japan. Auf kalten Schweizer Voralpenseen eifert er seinen Vorbildern aus Übersee nach und kurvt mit einem flachen Bass-Boat umher. Allerlei exotische Gummis und Rigs versucht er möglichst lässig über die Wasseroberfläche zu schlenzen, denn an Weitwürfe wagt er sich kaum. Bereits zu viel Zeit hat er mit dem Entwirren von Perücken auf seiner Multirolle verbracht. Immerhin sitzt er dabei bequem auf seinem drehbaren Stuhl und kann mit dem Fusspedal den Elektromotor bedienen. So kann er sich punktgenau und leise an einen Spot heranpirschen. Zu dumm nur, dass es hierzulande praktisch keine versunkenen Bäume gibt, deren Spitzen verheissungsvoll aus dem Wasser ragen. Geschweige denn kiloschwere grossmäulige Barsche. Immerhin ist er beim Vertikalfischen recht erfolgreich, kann er doch mit der Multi Hechtgummis oder Trüschenpilker gut kontrollieren. Gelegentlich gesellt er sich auch zu den Felchenfischern und lässt eine Hegene runter.

Aber irgendwie fühlt er sich dabei doch nicht so recht wie ein Bassmaster.
Verflixt.

 

 
Der Nichtfischer

Robin Hrovatic  |  Der Nichtfischer hält sich bevorzugt an grossen Stegen auf, die von vielen Fischern frequentiert werden. Stets hat er gerade keine Rute mit dabei, auch wenn er scheinbar unendlich viel Zeit fürs Fischen hätte, sieht man ihn doch oft genug am Steg rumlungern. «Letschti», genauer kann er es nicht sagen, hat er hier am Steg, als für einmal gerade kein anderer Fischer da war, wieder einen schönen Rehlig 40 Plus aus dem See zaubern können. Ein Foto davon kann er nicht zeigen, weil er so viel fängt, dass es die Mühe nicht wert ist, jedes Mal die Kamera hervorzukramen. Seine Hilfsbereitschaft ist grenzenlos, beglückt er doch jeden zweiten Fischer, der in den letzten 5 Minuten gerade keinen Fisch fangen konnte, mit dem bestens gemeinten Ratschlag: «Also ich an deiner Stelle würde momentan eher mit … auf … fischen.» Wegen der West-Ost-Bise seien die Fische momentan eben nicht so sehr in Beisslaune, weshalb es zurzeit besser wäre, wenn man etwas feiner, dafür umso … fischen würde. Vor allem die Jungfischer kommen des Öfteren in den Genuss seiner Weisheiten, können sie sich doch am wenigsten gut vor seinen Tipps schützen. Ob der vielen Möglichkeiten eh schon etwas überfordert, schafft er es, den einen oder anderen dazu zu bringen, seine zu Hause fein säuberlich gebundene Montage abzuhängen und durch eine «bessere», von ihm empfohlene, zu ersetzen.

Nichtfischer, bleib doch zu Hause und setze von dort einen Tweet mit Deinen Anregungen ab, dann braucht sich nur aufzuregen, wer freiwillig etwas von Deiner geballten Fischerkompetenz mitbekommen möchte.

 

 
Der Hightechjunkie

Der Hightechjunkie ist ein Materialfetischist. Seine Fischertage beginnen im Trockenen auf Streifzügen in Fischerläden und Webshops. Er geniesst abends die unendliche Rücklaufsperre seiner magnetversiegelten Spinnrolle und lässt sich die hochgeschmeidige 12-fach rund Geflochtene durch die Finger gleiten. Am Wasser klebt sein Blick meistens an einem Bildschirm, sei es am Navigations-App mit SonarChart® Unterwasserkarten oder am 12-Zoll-Display seines 3D StructureScan®–Sonars mit Sideview® Technologie. Er versucht, sich maximal zu vernetzen und seine Sinne so weit wie möglich zu erweitern. Auch die WaterWolf® Kamera ist bei ihm regelmässig im Einsatz, über die Verwendung von Drohnen denkt er noch nach. Ab und zu ermöglicht ihm die eingesetzte Technik Sternstunden und dann räumt er pelagische Hechte im Viertelstundentakt ab. Doch regelmässig verzweifelt er auch fast, weil die vielen Sicheln auf dem Sonar einfach nicht beissen wollen. Nebenan feumert auch noch der alte Knacker mit dem schnöden Tauwurm den ü-45er-Egli, von dem er schon lange träumt …

 

 


Der Spirituelle

Der Spirituelle fischt ebenso konzentriert und meditativ, wie er sein tägliches Yoga betreibt. Isst nur Fische, die er selber gefangen und getötet hat. Dasselbe gilt für Fleisch. Bedankt sich vor dem Kiemenschnitt beim Fisch und ruft die Naturwesen an. Pflegt persönliche Rituale am Wasser und trägt Talismane auf sich. Regelmässig lässt er vor den Augen der fassungslosen Mitfischer kapitale Schuppenträger willkürlich schwimmen: Das Karma wird es ihm danken. Ansonsten verwertet er alles von seinen gefangenen Fischen. Zuhause hilft ihm dabei die Katze, beim Ausnehmen am Wasser der befreundete Rabe. Er fängt oftmals, wenn sonst niemand fängt. Auch Ausnahmefänge scheint er anzuziehen. Damit verbreitet er Spiritualität unter den Fischerkollegen, die ihn allerdings nicht immer ganz ernst nehmen können.

 

 


Der Manager

Der Manager fischt so, wie man beruflich Karriere macht: Zielgerichtet und effizient. Mit kleineren Fischen gibt er sich nur zum Köderfischen ab, denn sein Ziel ist einfach, so viele grosse Fische zu fangen wie möglich. Noch dazu mit möglichst viel Prestige und Rendite. Seeforellen statt Karpfen, Meterfische statt Durchschnittsfische. Dafür scheut er keinen Aufwand und investiert viel in eine professionelle Ausrüstung.

Alles hat bei ihm seinen Platz und jeder Griff sitzt. Dieser wirtschaftlich denkende Typ kommt unter Schleppfischern wohl häufiger vor, da diese Fischerei diesem Naturell gut entspricht. Am Ufer zu sitzen und den Fang dem Zufall zu überlassen, wäre ja äusserst ineffizient. Die Berufs­fischer sind ihm bisweilen ein Dorn im Auge, denn er ist selbst auch eine Art Berufs­fischer und die Netze sind ihm nur im Weg.

 

 

Der Maximierer

Der Maximierer ist oft ein lokal bekannter Fischer, der mit konstanten und guten Fängen auffällt. Er ist viel am Wasser und hat sich über die Jahre hinweg ein Repertoire aufgebaut, wo und wie er am meisten Fische fängt. Diese «Rezepte» fischt er konsequent und verpasst keinen der alljährlich an bestimmten Orten auftauchenden Egli- oder Felchenschwärme. Er verfolgt stets genau, womit und wann was gefangen wird. Bei Bedarf rüstet er nach. 

So kommt bei ihm viel Fisch zusammen. Oft ein Vielfaches mehr, als er und sein persönliches Umfeld essen können. Er erzählt regelmässig von persönlichen Rekordzahlen in der Fangstatistik. Und dass er sich eine professionelle Vakuumiermaschine und einen dritten Tiefkühler für die Filets gekauft hat. Einige Fischerkollegen fragen sich dann: «Warum braucht er das?» oder «Weshalb hat er so viel Zeit?» Doch das sind schliesslich nur Neider, oder?

 

 

Der Tüftler

Der Tüftler geht zielgerichtet vor und weiss, was er tut. Doch bei ihm steht nicht die Effizienz über allem, sondern das Umsetzen eigener Ideen. Wenn er beim Fischen etwas fängt, ist es gleich ein doppelter Erfolg: Er trägt einen Fisch nach Hause mit der Gewissheit, dass seine Kreation gelungen ist!

Er denkt stundenlang über mögliche Montagen und Eigen­bauköder nach und kann es kaum erwarten, zuhause im teilweise hoch professionellen Bastelkeller daran zu arbeiten. Und dann im Wasser zu testen. Nicht selten mit so viel Erfolg, dass er nebenher seine Erfindungen an Fischerkollegen oder sogar im Fachhandel verkauft. 

Mancher Tüftler verbringt schliesslich mehr Zeit mit dem Produzieren von Fischereiartikeln, als ihm lieb ist. Und denkt sich gar: «Ach, würde ich doch bloss das Ganze fix­fertig kaufen und einfach fischen gehen.» 

 

 
Der Geniesser

Für den Geniesser zählt nicht der Fang, sondern das Erlebnis. Der Weg ist das Ziel und der beglückende Aufenthalt am Wasser fern vom Alltag ist es, den er sucht. So sagt er zumindest. Doch im Grunde genommen will er es auch: Fische fangen! Insgeheim hofft er sogar auf den Kapitalen. Denn eigentlich hätte er ja den Sensationsfang verdient. Schliesslich ist er ja ein echter Geniesser und nicht so verbissen wie die anderen. Oder?

 

 


Der Ferienfischer

Der Ferienfischer glänzt regelmässig durch Abwesenheit. Und wenn er dann mal am Hausgewässer vorbeikommt, heisst es: «Ach, ich habe grad meine Fischersachen nicht dabei. Wollte nur mal kurz schauen, wie es euch hier so läuft.» Und dann beginnt von seinen letzten Lachsen zu erzählen und von den 15 kg Filet, die er mitgebracht hat. Hierzulande fischen gesehen hat man ihn eigentlich schon lange nicht mehr. Was ihn aber nicht davon abhält, sich insgeheim für den besseren Fischer zu halten. «Wenn die wüssten …» denkt er sich, mag sich dann aber doch lieber nicht vor seiner Haustüre messen.

 

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