Wann ist genug?
30 | 07 | 2020 DiversesText: Steff Aellig | Illustrationen: Patrick Stieger 14769
30 | 07 | 2020 Diverses
Text: Steff Aellig | Illustrationen: Patrick Stieger 1 4769

Wann ist genug?

Die Sommerferien stehen vor der Tür. Viel Zeit also, das zu tun, woran man wirklich Spass hat. Aber hast Du Dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie lange Du es am Stück aushältst mit dem, was Du am liebsten tust? Nehmen wir zum Einstieg ins Thema eine Tätigkeit, die auch vielen Nicht-Anglern Freude bereitet: Sex. Klar, die Unterschiede zwischen den Menschen sind gross. Trotzdem wage ich mal zu behaupten: Auch die grössten Fans haben nach ein paar Stunden genug davon und wollen wieder etwas anderes tun. Angeln zum Beispiel.

Wie ist das bei Dir? Wie lange kannst Du an einem Tag angeln, ohne dass Du die Lust daran verlierst? Gehen wir mal von idealen äusseren Bedingungen aus: Cooles Wetter, keine weiteren Verpflichtungen an diesem Tag. Und ab und zu einen Biss. Wann ist bei Dir Ende Feuer? Die Frage, wann die Flamme der Tagesmotivation ausgeht, stellt sich bei allen Freizeitaktivitäten. 

Dennis zum Beispiel, ein Kumpel von der Arbeit, ist begeisterter Radfahrer. Die Stunden, die wir am Wasser verbringen, sitzt er auf dem Sattel seines Rennrades. «Der perfekte Tätigkeitsbogen für mich sind vier bis fünf Stunden», beschreibt es Dennis, «danach hab ich genug und muss was anderes machen.» Bei ihm hat das nichts mit seiner körperlichen Kondition zu tun, der Typ ist fit wie ein Turnschuh. Nein, hier gehts um eine Sache, die sich im Kopf abspielt. Wann ist genug? Das ist auch beim Fischen sehr individuell.

Moritz zum Beispiel wohnt recht nahe am Wasser. Er ist der klassische Feierabendangler: Nach der Arbeit noch für ein, zwei Stunden mit der Eglirute gemütlich von Bootssteg zu Bootssteg. Und danach heim zu Frau und Kinder. Das reicht ihm. Auch wenn er mehr Zeit zur Verfügung hätte, in den Ferien zum Beispiel: Seine Angelspaziergänge würden nur unwesentlich länger.

Ganz anders Benno, ein Kumpel, der jedes Mal, wenn ich von ihm höre, wieder ein neues Boot hat. Damit tuckert er von früh bis spät übers Wasser und schleppt seine Forellenzügel hinterher. Mehrere Tage die Woche. Benno bekommt nie genug. Seiner Frau sagt er, er sei auf der Arbeit. Ist er streng genommen auch, denn in seiner heizbaren Kabine steht der aufgeklappte Laptop. Und wenn Benno einen Biss am Zügel hat, fragt er den Kunden am Telefon: «Darf ich zurückrufen? Ich hab grad noch einen wichtigen Anruf auf der anderen Leitung!» Auch das stimmt ja irgendwie.

Am Ende der Skala steht für mich Jens, ein Spinnfischer – im doppelten Sinn: Sein persönlicher Tätigkeitsbogen beim Fischen dauert einen vollen Tag. Ohne Pause, Wurf um Wurf. «Sonst verpass ich die Beisszeit!», pflegt er zu sagen, mit einem Schmunzeln. Jens angelt immer von dunkel zu dunkel. «Die Aussicht, dass eine Granate von Hecht irgendwann meinen Wobbler schnappt, hält meine Motivation auf top Niveau!» Auch wenn der Tag 48 Stunden hätte: Vom Angeln kriegt Jens nie genug.

Ich schon. Irgendwann im Tag spür ich: Jetzt reichts mir. Obwohl Fischers Frau das anders sieht. Deshalb fragt sie ständig: «Hast Du eigentlich auch noch etwas anderes im Kopf als Fischen?!» Habe ich tatsächlich. Eigentlich gehts mir wie meinem Arbeitskumpel Dennis mit seinen Radtouren: Für mich gibt es so was wie einen inneren Vier-Stunden-Takt. Auch bei anderen Tätigkeiten, die mir Spass machen, ist das so. Einen Abend mit Freunden verbringen zum Beispiel: Nach spätestens vier Stunden ist bei mir die Luft raus, egal, wie sympathisch und anregend die Runde ist.

In den Ferien, wo die zeitlichen Enden von Aktivitäten vielmehr ausfransen könnten, passt mir dieser Rhythmus ebenfalls. Am allerliebsten habe ich so «Mischtage»: Am frühen Morgen und am Abend ein ausgedehntes Fenster zum Angeln. Und dazwischen Zeit für die Familie, für die Siesta, fürs Kochen und alles andere. Von solchen Tagen krieg ich nie genug.

Für Deine Ferien wünsch ich Dir, dass Du dann fischen kannst, wenn Du Lust dazu hast – und immer genau solange, wie es Dir passt. Petri!


Steff Aellig ist Psychologe und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. In seiner Kolumne schreibt er über die Abgründe seiner Angel-Sucht – und findet heraus, was ihn in seinem Alltag als Ehemann und dreifachen Familienvater alles daran hindert, diese Sucht auszuleben.

 

1 Kommentare


KurtMogg

30 | 06 | 2020

Ich kann Tagelang, am wasser zum Angeln verbringen.
Nur die von der Familie mirvzur verfügunggestellte Zeit beschränkt mich in meiner Zeit am Wasser


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