20 | 10 | 2020 | Schweiz | 1 | 6449 |
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Tummelplatz Wasser
Die Schweizer Gewässer erfreuen sich zunehmender Beliebtheit für diverse Aktivitäten am und auf dem Wasser. Mit der Ruhe ist es vielerorts vorbei, vor allem im Sommer. «Petri-Heil» hat sich zusammen mit Markus Iten, bekannt als «Felchenfreak» vom Zürichsee, mit den zunehmenden Nutzungskonflikten auseinandergesetzt.
Markus Iten bewegt sich seit 1983 als leidenschaftlicher Felchenfischer auf dem Zürichsee. Dabei hat er auch die Entwicklung des Bootsverkehrs und der Aktivitäten auf dem Wasser miterlebt. Schon lange arrangiert man sich mit den Kursschiffen oder ärgert sich gelegentlich über Wasserskifahrer. Die allgemeine Bootsdichte auf dem See hat in dieser Zeit aber massiv zugenommen. Er und die anderen Felchenfischer freuten sich jeweils auf den Winter, da gehörte der See noch ihnen. Aber nun ist es auch damit vorbei. Bereits im Februar sind nun Wakeboarder auf dem See und trotz freien Wasserflächen wird die Distanz zu den Fischern kaum berücksichtigt. Markus Iten schreibt darauf einen Artikel unter dem Titel «Muss das sein?» auf seiner Facebookseite «Felchenfreak». Der Artikel schlägt hohe Wellen, und Zuschriften aus der ganzen Schweiz inklusive der Wakeboarder-Szene treffen ein. Nicht wenige davon sind emotional und gehen unter die Gürtellinie. Offenbar trifft er damit einen Nerv.
Einfach nur Schwimmen war gestern
Vor nicht allzu langer Zeit teilten sich eine überschaubare Anzahl Menschen die Gewässer. Inzwischen sind zahlreiche Aktivitäten hinzugekommen und immer mehr Leute entdecken die Gewässer für sich, zum Beispiel als entspannte Stand-Up-Paddler oder um sich sportlich auf dem Surfbrett auszutoben. Andere geniessen die weite Sicht ohne lästige Nachbarn, um auf dem Wasser die Musik mal richtig aufzudrehen und Party zu machen. Und dann sind da noch die wildlebenden Tiere, die sich mit dem zunehmenden menschlichen Rummel arrangieren müssen. Dabei handelt es sich um einen klassischen «Allmend»-Konflikt, in den auch wir Fischer miteinbezogen sind. Wem gehören die Gewässer? Diese Frage (über-)fordert die Seebenutzer und Behörden zunehmend.
Überforderte Verantwortliche
Markus Iten möchte auf die zunehmend unzumutbaren Zustände auf dem See hinweisen und schreibt zahlreiche Mails an Fischervereine, Berufsfischer, die Fischereiverwaltung und die Seepolizei. Das Ergebnis ist sehr ernüchternd. Nachrichten bleiben unbeantwortet oder werden mit belanglosen und unverbindlichen Antworten abgekanzelt. Folgendes Zitat fasst die Antworten im Wesentlichen zusammen: «Leider gibt es rechtlich bis anhin keine Möglichkeit, solche Aktivitäten einzuschränken. (...) geregelt ist lediglich der Lärm, den ein Boot verursachen darf und die maximale Geschwindigkeit in der Uferzone.»
Markus Iten schildert auf dem Posten der Seepolizei die Situation aus Sicht der betroffenen Seebenutzer, aber auch seine Bedenken bezüglich des zunehmenden Wellenschlags in den Schutzzonen. Im Dialog erfährt er, dass das Personal eingeschränkt ist und nicht ausreicht, um die betreffenden Wasserflächen zu kontrollieren. Zudem kann die Seepolizei nur bestehende Gesetze berücksichtigen und durchsetzen. Doch auch über bereits geltende Bestimmungen setzen sich Seebenutzer immer wieder hinweg. Markus Iten lädt die Seepolizisten ein, ihn zu begleiten. Sie sollten die Anarchie in der Bucht von Lachen ohne Polizeiboot erleben. Er ist der Ansicht, dass die Seepolizei die unbefriedigende Situation mit den besten Erfolgsaussichten auf dem See angehen kann.
Mit Eigenverantwortung Einschränkungen ersparen
Braucht es mehr Regeln, Verbote und Polizei auf dem See? Diese Fragen stellen sich auch die Betreiber der Kursschiffe. Immer wieder kommt es zu brenzligen Situationen. Ein in der Fahrlinie vor der Haltestelle ankernder Fischer muss sich nicht über unfreundliche und dicht auffahrende Schiffsführer wundern. Die Schifffahrtsgenossenschaft Greifensee hat diesen Sommer ein Schreiben an die Fischereivereine und Behörden verschickt, in welchem die zunehmenden Schäden durch Angelschnüre in Propellern und anderen Schiffsteilen thematisiert werden. Die reissfesten und dünnen (geflochtenen) Schnüre fressen sich durch Dichtungen und führen zu Ölverlusten und teuren Reparaturen. Diese Problematik dürfte auch an anderen Seen bestehen. Die Haltestellen der Kursschiffe und Hafenmolen sind beliebte Fischerei-Hotspots. Ein vorsichtiger Umgang mit dem Silch und das Verhalten an diesen Plätzen trägt dazu bei, diese Stellen auch künftig zum Fischen nutzen zu können. Es wäre ein herber Verlust, diese Möglichkeiten durch Fischereiverbote zu verlieren. Entsprechend stehen alle Wasserbenutzer in der eigenen Verantwortung, wenn sie die Ausübung ihrer Aktivitäten erhalten möchten. Mit Verständnis und Respekt gegenüber anderen Nutzern und den wildlebenden Tieren bleiben uns Verbote und Einschränkungen in der Wasserlandschaft erspart.
Kontrollen auf dem See anpassen?
Markus Iten trifft sich mit Wakeboardern und Hoffnung keimt auf, mit ihnen zusammen etwas zu erreichen. Diese Kooperation kommt jedoch nicht in die Gänge. Zu verschieden sind offenbar die Ziele und Bedürfnisse. Die Rücksichtnahme scheint zunehmend abhanden zu kommen und von rücksichtlosen Bootsführern erhielt Markus Iten schon Wellen ins Boot. Zum Glück ging nur Material über Bord. Kollegen von ihm haben ihr Boot verkauft oder gehen im Sommer gar nicht mehr auf den See. Er fragt sich, warum die Seepolizei keine Kontrollen in Zivil macht. Auf der Strasse geht das ja auch. Wenn nämlich mit dem Polizeischiff Grosskontrollen gemacht werden, kennen alle Bootsführer die Regeln wieder. Übrig bleiben langsamere Ruderer, Kanufahrer oder Fischer, die wegen Verstössen im Uferbereich gebüsst werden. Im Pressetext heisst es dann lapidar: «Die Verstösse in der Uferzone haben zugenommen.»
«Wassersport mit Rücksicht»
Der Verein «Natur & Freizeit» hat die im Wintersport bekannte Kampagne «Schneesport mit Rücksicht» zum Schutz der Winterruhe und alpinen Wildschutzgebiete aufgebaut. Nun haben sie die Zeichen der Zeit erkannt und eine neue Kampagne lanciert. Mit ihr soll auf das Verhalten von Gewässernutzern zum Schutz von Wassertieren, aber auch hinsichtlich der Mitmenschen, hingewiesen werden. Die Fischenden stellen an und auf den Gewässern eine der grössten Nutzergruppen dar und es ist zu hoffen, dass diese Kampagne nicht zu einseitig oder auf Kosten der Fischerei geführt wird. Sie kommt jedenfalls zur rechten Zeit, und wer darüber mehr erfahren möchte, kann sich unter www.natur-freizeit.ch informieren.
Wünsche für die Zukunft
Für Markus Iten ist das Anreissen dieses Themas ein grosser Frust. Einmal mehr hat er den Eindruck, dass an wichtigen Entscheidungsstellen nur Theoretiker sitzen und die Praktiker mit persönlichen Erfahrungen auf dem See fehlen. Wie können bezüglich Gewässer Entscheide getroffen werden von Personen, die selber kaum oder gar nicht auf dem Wasser sind? Probleme werden nicht erkannt, obwohl auf dem See in höchsten Tönen geflucht wird. Markus Iten wünscht sich, dass Naturverbundenheit und herrliche Uferpartien für künftige Generationen erhalten bleiben. Diesem Wunsch können alle Wassergeniesser zustimmen. Statt auf gesetzliche Verschärfungen und eine Intensivierung der Polizeipräsenz zu warten oder hinzuarbeiten, können alle Gewässernutzer bereits heute Eigenverantwortung übernehmen.
Viktor
Selbstverständlich, der See gehört allen und es sollen ihn auch alle nutzen können. Aber wie auf der Strasse gelten auch auf dem See "Verkehrsregeln". Es gibt Uferzonen, Badezonen, Fahrrinnen für Kursschiffe, Signale usw. Diese Signale haben eine Bedeutung und sind immer zu beachten oder befolgen.
Kein normaler Mensch rennt ungeachtet einfach in oder vor ein Auto. Auf dem See sollte das genauso gelten. Noch gibt es zuviele, die sich dessen nicht bewusst sind, oder das einfach ignorieren. Eigenverantwortung kann also nur übernommen werden, wenn man die Regeln kennt.