Drei Mal Werfen mit Einleiern bitte
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Drei Mal Werfen mit Einleiern bitte
02 | 06 | 2013 | Schweiz | 1 | 10012 |
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Eine riesige Bachforelle aus dem Unterengadiner Inn übertrifft den bisherigen Schweizer Rekord um sage und schreibe neun Zentimeter und acht Pfund. Duri Caviezel aus Ramosch ist quasi vor seiner Haustür ein historischer Fang geglückt.
Diese denkwürdige Geschichte ist umso schöner, wenn man den Duri Caviezel kennt. Am schönsten klingt sie natürlich, wenn er sie in seinem melodiösen Dialekt erzählt. Man merkt, dass er sie schon einige Male erzählt hat, erzählen musste. Denn «die Grosse» kannten viele Fischer im Unterengadin. Die Allermeisten freuen sich für Duri. Er hat sie sich verdient, sagen die Leute, die ihn kennen. Und der Duri freut sich eben auch so sympathisch, dass man ihm den Grund für seine Freude von Herzen gönnt.
Der Schreiner bildet heute in einer Kurswerkstatt den Bündner Schreinernachwuchs aus. Duri ist in Ramosch aufgewachsen, nur wenige Minuten vom Inn entfernt, zumindest auf dem steilen Weg ins enge Flusstal hinunter. Als Schüler hat er oft Vater und Grossonkel ans Wasser begleitet, mit 16 endlich das lang ersehnte Patent bekommen und dann den Inn wie die Taschen seines Fischergilets kennen gelernt. Auf einem dieser Streifzüge sah er sie das erste Mal, die Grosse. Ihr Reich war der tiefe Gumpen, wo die Brancla in den Inn mündet.
Duri erzählt: «Damals vor etwa zehn Jahren war sie sicher schon über 60 Zentimeter lang. Meistens sah man sie nur im Frühling oder im Herbst ausserhalb der Saison, wenn der Inn ganz klar wird.»
So mancher hat versucht diese Prachtsforelle zu überlisten, aber im oft milchig trüben Wasser, das den grössten Teil der Saison prägt, ist das schwierig. Wenn es einer doch einmal schaffte die Kapitale zu haken, war das Geschirr hoffnungslos überfordert. Duri sagt: «Mir wurde klar, dass man für so einen Fisch in ganz anderen Dimensionen denken muss. Mit normalem Forellenzeug hast du keine Chance!» Doch auch Duri hatte lange Jahre zu viel Freude am Fischefangen, um sich auf die undankbare und langweilige «Grosswildjagd» einzulassen.
Dann fing er vor vier Jahren an mit der Fliegenfischerei. Für Duri war es Leidenschaft auf den ersten Wurf: «Ich musste zuerst beis-sen, aber ich war fasziniert von der Herausforderung. Und endlich kann ich die vielen kleinen Forellen, wir sagen hier ‹Schnuder›, ohne schlechtes Gefühl zurücksetzen.» Natürlich ist er auch Mitglied im kürzlich gegründeten Fliegenfischerverein Unterengadin.
Doch Duri Caviezel ist auch ein leidenschaftlicher Jäger und was ihn letzte Saison packte, hatte viel mit Jagd zu tun. Duri konzentrierte sich auf grosse Forellen und natürlich hatte er dabei «sie» im Hinterkopf. Er knüpfte nur noch Streamer ans Ende von immer dickeren Vorfächern. Natürlich fing er so viel weniger, dafür ein paar Schöne bis fast 50 Zentimeter. Und am letzten Tag der Saison passierte es! Etwa eine halbe Stunde lang probierte er es erfolglos im Mündungsgumpen und dachte schon ans Heimgehen. Gedankenlos studierte er die Bewegungen seines selbstgebundenen Streamers praktisch vor seinen Füssen. Da tauchte aus der Tiefe ein riesiger Kopf auf, riss das Maul auf und verschlang den Köder. Duri riss reflexartig die Rute hoch und das nasse Federbündel traf ihn fast im Gesicht. Autsch! An einem langen Winterabend band er dasselbe Muster mit einem zweiten Haken und sein Plan war klar.
Duri erinnert sich: «Leider kam der Inn am Anfang der Saison schon trüb und hoch. Ich hatte darum wenig Lust zu fischen. Kurz vor Pfingsten hats mich doch gepackt und ich habe das Patent beim Wildhüter geholt. Am Sonntagmorgen war es soweit. Der Himmel war bedeckt und das Wasser im Inn floss deutlich heller. Ideale Bedingungen für den Streamer. Montiert hatte ich die ‹halbe Krähe›, für die ich mir immer wieder spöttische Sprüche anhören muss. Als ich am Fluss stand, hörte ich auf meinen Bauch. Ich schnitt das 0,25er-Vorfach ab und knüpfte etwa zwei Meter 0,40er-Nylon an die gelbe 5er-Trockenschnur. Den beschwerten Streamer platzierte ich stromaufwärts am gegenüberliegenden Ufer. Zuerst liess ich ihn in Grundnähe abtreiben, dann auf meine Seite schwingen. Zuletzt zupfte ich ihn langsam zurück. Der Biss kann in jeder dieser drei Phasen kommen, also war ich extrem konzentriert. Schon nach wenigen Würfen blieb die Schnur beim Heranzupfen stehen. Ich weiss, das tönt abgedroschen, aber ich dachte, der hängt fest. Also hob ich die Rute hoch und versuchte den Hänger zu lösen. Plötzlich bewegte sich die straff gespannte Schnur flussaufwärts und ich ahnte, was los war. Das war ‹sie›! Dann flüchtete der Fisch in die starke Strömung. Ich wusste, dass zu viel Schnur im Wasser gar nicht gut für meine Chancen war. Also rannte ich dem Fisch über Stock und Stein hinterher, bis er endlich wieder stehen blieb. Nach einer Minute ohne Lebenszeichen erkannte ich, dass auch der Fisch eine Pause brauchte. Ich hatte zwar noch keinen Plan, aber mir war klar, dass ich für die Landung Hilfe brauchen würde.
Ich musste es wagen! Also zog ich die Bremse an und rief mit zittrigen Fingern meinen Vater an. Der meinte zuerst, ich mache Spass. Er wollte schon aufhängen, aber dann hörte er wohl den Ernst in meiner Stimme. Obwohl er in Ramosch wohnt, brauchte er fast eine halbe Stunde, bis er mich fand. Mittlerweile war der Fisch müde und stand nur noch wenige Meter entfernt am Grund. Doch erkennen konnte man ihn im grauen Wasser nicht. Als die Forelle plötzlich hoch kam, sind wir beide erschrocken. Sie war riesig! Jetzt bekam ich Mühe mit den Nerven. Auch mein Vater war keine Hilfe. Wie soll das gehen? Der erste Versuch mit dem Feumer wäre fast schief gelaufen. Da passte nur gerade die Schwanzflosse rein! Weg damit!
Den Fisch einfach durchs flache Wasser auf die Kiesbank ziehen? Ich hatte Angst, dass die Forelle beim ersten Bodenkontakt nochmals explodiert und springt. Ich drückte meinem Vater die Rute in die Hand und watete flussabwärts ins eiskalte Wasser. Er dirigierte die Forelle ins flache Wasser und ich packte sie mit beiden Händen hinter den riesigen Kiemendeckeln. Irgendwie stürzte ich mit der wild zappelnden Forelle ans Ufer und dann war es vorbei. Minutenlang sassen wir nur still da und konnten nicht glauben, was da vor uns lag. Die ‹Grosse› war viel, viel grösser, als ich je gedacht hätte! Es war wie ein Traum, aber bis jetzt bin ich noch nicht aufgewacht.»
Der kantonale Wildhüter Raffael Soldano wog die 95 Zentimeter lange Bachforelle auf einer geeichten Waage. Der Zeiger blieb bei exakt 12 500 Gramm stehen. Das ist die grösste Bachforelle, die je in einem Schweizer Gewässer mit Rute und Rolle gefangen wurde. Der bisherige «Petri-Heil»-Rekord, den Jörg Pfändler im Jahr 1970 ebenfalls im Inn fing, war 86 Zentimeter lang und 16,8 Pfund schwer. Der Engadiner Inn ist offensichtlich ein optimaler Lebensraum für superkapitale Farios. 2007 behändigte die Fischeraufsicht bei Celerina eine Innforelle, die sogar 101 Zentimeter mass und sichtbar abgemagert noch 24 Pfund wog.
Ich höre Duri durchs Telefon lächeln, als ich ihn frage, ob er denn noch mehr grosse Forellen kenne. «Ja, da gibt es schon noch ein paar…», meint er nach einer kurzen Pause. «Aber ganz so gross sind die noch nicht…»
Andromeda
Cooler fang