Rückkehr der Lachse ist kein Selbstläufer
21 | 12 | 2018 all | Reisen | DiversesText & Fotos: Erich Bolli 05059
21 | 12 | 2018 all | Reisen | Diverses
Text & Fotos: Erich Bolli 0 5059

Rückkehr der Lachse ist kein Selbstläufer

Seit Menschengedenken sind sich die Bewohner von Britisch Kolumbien gewohnt, dass die pazifischen Lachsarten jedes Jahr vom Meer in die Flüsse zurückkehren, um zu laichen. Dieses Naturwunder ist heute aber nicht mehr selbstverständlich, menschengemachte Bedrohungen lauern.


Das Naturwunder der Lachswanderung ist oft bestaunt, beschrieben und erforscht worden. Noch immer ist nicht vollständig bekannt, wie sich die Lachse orientieren, wenn sie vom Meer in ihren manchmal 500 bis 1000 km entfernten Fluss zurückkehren, um dort an der Stelle ihrer Geburt wieder für Nachwuchs zu sorgen. Ergreifend der Anblick der elterlichen Lachspaare, die die entbehrungsreiche Rückkehr geschafft haben, im Kiesgrund Gruben ausheben, laichen, die befruchteten Eier in der Laichgrube noch einige Zeit bewachen und dann absterben und schliesslich von vielen Wildtieren als wichtige Nahrungsgrundlage genutzt werden.

Im Unterschied zu Europa hat Kanada im Umgang mit den Gewässersystemen früher einiges richtig gemacht: In Europa wurden mit dem wachsenden Energiehunger des frühen 20. Jahrhunderts die ehemaligen Lachsflüsse wie Rhein, Seine, Elbe usw. massiv durch Flusskraftwerksbauten verbarrikadiert, was in den Flüssen Mitteleuropas bekanntlich zum Aussterben des Atlantischen Lachses führte. In Kanada dagegen widerstand man bisher der Verlockung, die Flüsse und damit die Lachswanderungen durch Flusskraftwerke zu verbauen. Da es indessen selbst in einem so grossen Land wie Kanada immer mehr Menschen gibt, die in ehemals entlegene Gebiete vordringen, diese besiedeln und wirtschaftlich nutzen wollen, sind mannigfache Bedrohungen der Habitate der Pazifischen Lachse entstanden. Das Funktionieren des Lebenskreislaufs des Lachses ist auch am Pazifik kein Selbstläufer mehr.

 

Skeena – ein Gewässersystem von überregionaler Bedeutung

Der Skeena entspringt im Innern von Britisch Kolumbien auf einer Höhe von 1500 m ü. M. und mündet nach 579 km bei Prince Rupert in den Pazifischen Ozean. Mit seinen zahlreichen Nebenflüssen belegt er ein Einzugsgebiet von 54'400 km2 (vgl. gesamte Fläche der Schweiz: 41'000 km2). Das Gewässersystem des Skeenas beherbergt alle fünf Pazifischen Lachsarten (Königslachs, Rotlachs, Silberlachs, Buckellachs, Hundslachs) sowie die Steelhead-Forelle, ebenfalls eine Wanderfischart, und ist eines der grössten einigermassen intakten Ökosysteme für Wildlachse. 

Da auch hier immer mehr Menschen leben (bisher rund 70'000), die an industrieller «Entwicklung» und «Wachstum» interessiert sind, wird das Zusammengehen von Mensch und Natur zunehmend problematisch: So stehen zum Beispiel Investoren mit über 100 Milliarden Dollar für industrielle Projekte in dieser Region bereit – ein Alptraum für die Natur!

Die von privaten Gönnern getragene Stiftung «SkeenaWild» hat die drohenden Gefahren erkannt und versucht bei der Regierung und Fischereibehörde von Britisch Kolumbien Einfluss zu nehmen, damit nachhaltige Problemlösungen im Umgang mit diesem grandiosen Ökosystem gefunden werden können. 

«Petri-Heil» traf sich mit Greg Knox, Executive Director von «SkeenaWild» zum Interview.

 

 Der Skeena mit seinen Nebenflüssen ist eines der grössten einigermassen intakten Ökosysteme für Wildlachse.

Der Skeena mit seinen Nebenflüssen ist eines der grössten einigermassen intakten Ökosysteme für Wildlachse.

 Für die Bären sind die Lachse eine willkommene Delikatesse, um sich für den langen Winter eine gehörige Fettschicht anzufressen.

Für die Bären sind die Lachse eine willkommene Delikatesse, um sich für den langen Winter eine gehörige Fettschicht anzufressen.

 Auch der Weisskopfadler gewinnt dem Lachskadaver noch etwas Gutes ab.

Auch der Weisskopfadler gewinnt dem Lachskadaver noch etwas Gutes ab.

«Petri-Heil»:   Danke Greg, dass Du Dir Zeit nimmst für unser Fischereimagazin. Würdest Du bitte unseren Schweizer Lesern kurz Eure Organisation «SkeenaWild» mit ihren Zielen und Deine Arbeit erklären?

Greg Knox

SkeenaWild

Greg Knox:   Unsere Organisation «SkeenaWild» wurde 2007 gegründet und hat den Schutz der Lachse im Nordwesten von Britisch Kolumbien, insbesondere der Skeena-Region, im Fokus. Aufgrund ihres komplexen Lebenszyklus, mit Wanderungen von den Flüssen hinaus in den Nordpazifik bis weit Richtung Alaska und Russland hinauf und zurück, sind die Lachse vielen Bedrohungen ausgesetzt. Sie reagieren besonders sensibel auf Veränderungen im Ökosystem. Wir versuchen, mit unseren Wissenschaftlern herauszufinden, wie es dem Lachs in unserer Zeit geht, und helfen zusammengebrochene Bestände wieder aufzubauen. Viel Arbeit wenden wir auf, um bedrohte Habitate zu schützen. Es soll vermieden werden, dass Energie-, Minen- und Waldrodungsprojekte schädliche Einflüsse auf die Wasserqualität haben.

Ich stehe einem Mitarbeiterstab vor, der aus vier Voll- und drei Teilzeitstellen besteht, dazu kommen ein halbes Dutzend Vertragspartner, die von uns Aufträge im Bereich von wissenschaftlichen und juristischen Abklärungen sowie der Kommunikation übernehmen. Wir stehen auch in Verbindung mit Gruppen der First Nation, die ebenfalls ein Interesse an der Erhaltung der Lachse haben, und sind auch in überregionalen Kommissionen zur Erhaltung der Lachse in BC und Alaska vertreten.


Die Lachse des Skeenas sind also unter Druck geraten, in den letzten beiden Saisons durften zum Beispiel einzelne Lachsarten ganz oder zeitweise nicht entnommen werden. Für die Steelhead-Forelle gilt schon länger ein generelles Entnahmeverbot. Wo siehst Du die hauptsächlichen Bedrohungen?

Die Hauptbedrohungen gehen erstens von der Fischerei hier und an der Nordküste von BC sowie der Südwestküste von Alaska aus, zweitens von der Zerstörung von Habitaten und drittens von Auswirkungen des Klimawandels.

Bei der Fischerei wurde die Entnahme heruntergefahren, damit sich die Bestände wieder erholen können. Einige Fortschritte haben wir auch mit der Koordination und Kontrolle der Fischerei zwischen Kanada und den USA gemacht, indem wir zusätzliche Schutzmassnahmen in den erneuerten Vertrag («Pacific Salmon Treaty») einbringen konnten.

Nach wie vor eine grosse Herausforderung stellt die Forstindustrie mit ihren Auswirkungen auf die Wasserqualität dar; es ist ein laufender Prozess, hier Verbesserungen zu erzielen. Wir wenden viel Arbeit auf, Abholz­ungs­projekte zu verfolgen. 

Seit zehn Jahren gibt es diverse Energieprojekte wie Öl- und Gas-Pipelinebau mit Hafenanlagen für Grosstanker mitten in einem wichtigen Lachs-Habitat (Kitimat). Wir engagieren uns hier bei der Abwehr von umweltschädigenden Grossprojekten bzw. streben eine Reduzierung der negativen Auswirkungen an. Auch gibt es ein Minenprojekt mitten in einem wichtigen Sockeye-Laichgebiet (Babine), das uns grosse Sorgen bereitet. Auch da arbeiten wir zusammen mit First Nation-Gruppen daran, dass die Wasserqualität nicht beeinträchtigt wird. 

Zudem macht uns der Klimawandel zu schaffen, der die Temperaturen von Flüssen und Seen ansteigen lässt.


Ja, gerade der Sommer 2018 war ja extrem heiss – übrigens auch in Europa –, ich habe im Kalum (Nebenfluss des Skeenas) bei einer angenehmen Wassertemperatur von gegen 20 °C gebadet; so hohe Temperaturen habe ich vor 20 Jahren hier nie angetroffen. Besteht da ein Zusammenhang zwischen der Klimaveränderung und den sinkenden Lachspopulationen?

Wir sind daran, mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Bestände im Skeena und seinen Nebenflüssen zu untersuchen, um zu einem besseren Verständnis der Vorgänge zu gelangen. In Zusammenarbeit mit dem Departement für Fischerei und Ozeane (DFO) versuchen wir, falls möglich, mit geeigneten Massnahmen zu reagieren. 

Im Frühling 2013 entdeckten Wissenschaftler im Nordpazifik vor der Küste von Britisch Kolumbien einen riesigen, noch nie gesehenen Warmwasserpool von 1500 km2 Fläche. Die signifikante Erhöhung der Wassertemperatur um 3 °C führte zu einer Veränderung der Populationen der Kleinstlebewesen im Meer, was eine Störung der ganzen Nahrungskette bis hin zu den Nahrungsgrundlagen der Lachse zur Folge hatte. Die Junglachse fanden im Meer zu wenig Nahrung vor und konnten nicht mehr zu ihrer ursprünglichen Grösse heranwachsen. Die gute Nachricht ist, dass der Nordpazifik sich seit einem Jahr nun wieder abkühlt. So war dieses Jahr der Rotlachs-Rücklauf weit besser als erwartet. Doch da mehrere Lachsjahrgänge drei Jahre lang unter den schlechten Bedingungen im Meer leiden mussten, werden die Probleme bei den rückkehrenden Lachsen noch einige Zeit andauern. 


Bekanntlich wurde die Entnahme von Lachsen in der Saison 2018 vom DFO schon im Mai verboten, da man schlechte Rückkehrquoten erwartete. Dann waren Ende Juli aber bereits über eine Million Rotlachse zurück­gekehrt. Die Berufsfischer und Fischer der First Natio­n waren mit ihren Netzen schon tüchtig am Fischen – nur den Sportfischern blieb die Entnahme bis zum 7. August untersagt. In der Sportfischerszene (einheimische Fischer, Fischerei-Touristen aus dem Ausland, Fischereiartikelgeschäfte, Lodges, Hotels) hat man Mühe, die Entscheidungen des DFO zu verstehen …

Ja, schon am 20. Juli war uns klar, dass der Rotlachs-Jahrgang 2018 gut zurückkommt. Man hätte die beschränkte Entnahme (zwei Rotlachse pro Tag) für die Sportfischer schon früher freigeben können. Aus Sicht der Bestandeserhaltung gab es keinen Grund, die Sportfischerei auf Rotlachse so lange geschlossen zu halten. Das DFO hat da seinen Job schlecht erfüllt, das Prinzip der Ausgewogenheit und Verhältnismässigkeit, das wir anstreben, ist hier nicht eingehalten worden.


Ich hoffe, dass die Bemühungen von «SkeenaWild» belohnt werden und sich die Bestände der pazifischen Lachse bald wieder erholen können. Danke für das Gespräch.

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