26 | 11 | 2018 | Video | Reisen | 2 | 10419 |
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Lachsfischen zum Nulltarif
Vater-Sohn-Fischerferien
Einen Lachs zu fangen ist für viele Fischer der Traum schlechthin. Doch dieser muss häufig begraben werden, da schon allein die Tageskarten für einen Lachsfluss das Familienbudget sprengen. In Norwegen entdeckten wir eine gute Alternative, die das Abenteuer Lachs dennoch real werden liess.
Es ist ein Glücksfall, wenn mehrere Familienmitglieder dieselbe Leidenschaft teilen. Das verbindet und macht vieles leichter. In unserm Fall ist es die Fischerei, die ich mit meinem Sohn teile. Schon als Neunjähriger stiefelte er mir beim Lachsfischen trotz Regen 15 Stunden (!) an der Otra in Südnorwegen hinterher. Am Ende zählte ich nur zwei Bisse: Der eine galt meinem Wobbler, der andere war der nachhaltige «Anbiss» meines Sprösslings auf die Fischerei. Diesen «Biss» behielt er, und so kehrten wir nach sechs Jahren zurück nach Südnorwegen, um an der Bjerkreimselva auf Lachs zu fischen. Tatsächlich bekam Raffael dort seinen ersten Lachs an den Löffel. Beim Drillen verlor er den Fisch trotz väterlichen Ratschlägen kurz vor seinen Füssen. Was für ein Drama! Unsere Gesichter waren bis anhin nur vom Regen nass, jetzt kam noch das Augenwasser hinzu.
Abenteuerliches Drumherum
Als Raffael seine Ausbildung begann, war es sein Wunsch, dass wir unsere Vater/Sohn-Ferien wieder in Norwegen verbringen. Die Kosten dafür wollte er mit seinem Lehrlingslohn berappen. So buchten wir nur Flug und Auto (total ca. 540.– CHF p. P.) und fuhren in Bergen einfach mal los mit dem Ziel, auf Campingplätzen zu übernachten. In Bjordal, am Sognefjord, fanden wir spontan eine Fiske-Hytter (Fischerhütte). Wir mieteten ein Boot und unser Glück war perfekt. Vier Tage fischten wir an diesem Fjord und bekamen eine unglaubliche Vielfalt von Fischen an den Haken: Dorsch, Pollack, Lippfische, Knurrhähne, Makrelen, Meerforellen, selbst Seesterne und Blasentang blieben hängen. Besonders zu erwähnen ist noch der Rotbarsch. Er zählt zu den besten Speisefischen, aber auch zu den Seeskorpionen. Seine stachligen Strahlenflossen enthalten Nesselgift, das spürte ich relativ rasch. Tipp: Handschuhe und Zange sollten beim Pilken nicht fehlen. Abenteuerlich war dann auch, als unser Bootsmotor schlapp machte und wir über eine Stunde rudern mussten. Unser wildes Gestikulieren wurde von Weitem nur freundlich erwidert. Bedeuten Handzeichen innerhalb von Europa nicht überall dasselbe?
Das Erlebnis zählt
Es müssen nicht immer viele und sehr grosse Fische sein, damit Fischerferien schön sind. Dennoch waren die drei Seewölfe (bis 10 kg), die ein Norweger am Campingplatz verarbeitete, schon beeindruckend. Ihre imposanten Mahl- und Fangzähne vergisst man nicht so schnell. Oder auch das Tauschgeschäft mit unseren russischen Nachbarn. Ihre selbst gefangenen Pilze und Beeren und unsere frisch gesammelten Makrelen waren eine kulinarisch gelungene Kombination. Am Abend nach unserer Rückkehr ins Camp wurde uns ein komplettes Menü serviert. «Spasibo!» (russ. Danke)
Eine grandiose Überraschung erlebten wir beim Pilken. Auf einmal hörten wir ein Prusten hinter uns. Es war eine kleine Gruppe von Schweinswalen, die nahe an unserem Boot jagten. Ob sie auch auf unsere Pilker beissen? Grosses Ehrenwort, wir behielten die Kontrolle über unsere jugendliche Neugier und fischten erst wieder weiter, als sie weg waren.
Der entscheidende Tipp
Gespräche mit Einheimischen sind ein Schlüssel zum Erfolg. Von einem Lachsfischer erfuhren wir, dass es einige Fjorde gibt, wo man auch Lachse fangen kann. Tom beschrieb uns einen Ort am Hardangerfjord. «Drei bis vier Stunden von hier, bei den Zuflüssen. Da solltet ihr etwas fangen», meinte er zuversichtlich. Angekommen an einem Seitenarm des Hardangerfjords bei Sundal hatten wir nun drei Tage Zeit, erneut dem Atlantischen Lachs nachzustellen. Aber sind die Fische im Fjord wirklich Wildlachse oder eventuell nur Zuchtfische, die entkommen sind?
Entronnen und verwildert
Die ständig zunehmende industrielle Aqua-Kultur ist recht umstritten, auch bei den Norwegern selbst. Das grösste Problem sind die Farmkäfige im Meer mit ihren schädlichen Einflüssen aufs Ökosystem. Viele meinen: «Diese Praktiken sollte man boykottieren und die Farm-Fische nicht kaufen.» Das Wort «Mafia» hörte ich dabei mehrmals. Ein Koch bestätigte uns, dass der norwegische Eigenbedarf um ein zigfaches höher ist, als Wildlachs gefangen wird. Nicht mal er selbst wusste, ob er Zucht- oder Wildlachsfilets zubereitete. Der Nährwert ist nahezu identisch und häufig ist Zuchtlachs sogar reicher an Omega-3-Fettsäuren. Nur eine falsche Fütterung und zu wenig Bewegung könnte die Fleischqualität negativ beeinflussen. Mein Versuch, spontan bei einer Lachsfarm ein Interview zu bekommen, endete leider zweimal an der Gegensprechanlage, ausserhalb des hohen Zauns.
Wir hätten gerne in Erfahrung gebracht, mit welchem Alter und wie die Fische allenfalls entkommen und ob die Ausreisser ebenfalls in die Flüsse ziehen, dort laichen und sich somit mit Wildlachsen kreuzen. Den markantesten Unterschied zwischen Zucht- und Wildlachs erklärten uns die norwegischen Angelprofis so: Der Zuchtlachs hat eine kleinere Rückenflosse und ist weniger gepunktet.
Budgetvariante: Meer statt Fluss
Am nächsten Tag waren wir an dem von Tom beschriebenen Platz. Im Fjord gelten die Gesetze für die Meeresfischerei. Es ist kein Angelschein nötig und somit gratis. Aber Achtung: Bei den grösseren Flussmündungen gilt ein Mindestabstand zur Flussgrenze, der aber gut markiert ist. So pfefferten wir gespannt unsere diversen Köder raus in den Fjord. Hin und wieder sah oder hörte man Lachse springen. Dann wieder lange Zeit Stille. Eine Stunde später: Ooops – Hänger oder Biss? Nach weiteren Würfen schnurrte die Rollenbremse. Im Fluss wäre spätestens jetzt die Panik ausgebrochen. Hier im Meer gabs weder Strömung noch viele Hindernisse, und so konnte ich den Lachs mit seinen 73 cm und 3 kg schön ausdrillen. Am selben Tag, übrigens am Schweizer Nationalfeiertag, konnte ich noch einen zweiten landen, mit knapp 83 cm und 5 kg. Das waren gleich drei Gründe zum Feiern.
Kinodramaturgie
Letzter Tag: 3. August, mein Geburtstag. Ans Feiern war nicht zu denken. Innerlich schwitzte ich total und wünschte mir das, was sich alle Väter wünschen würden: Dass noch ein kleines Wunder geschieht und mein Sohn auch zu seinem Lachs kommt. «Noch zwei Stunden und dann müssen wir Richtung Flughafen», verkündete ich ganz sachlich. Die Hoffnung schwand allmählich und wir bereiteten uns emotional auf einen Nullertag vor. Während wir aber die Köder sortierten, wurde die langsam sinkende Crevette am Einzelhaken plötzlich genommen. Raffael hechtete zu seiner Rute. Sein heftiger Anhieb sprach Bände: «Du gehörst mir!» Diesmal gabs auch keine Tipps von Dad. Vaters Aufgabe war es, bei der Landung zu helfen. Die hätte er fast verpatzt, weil er versuchte, mit dem Handy diesen krönenden Abschluss festzuhalten. Ob der Lachs nun wild aufgewachsen oder entkommen und verwildert war, spielte jetzt keine Rolle. Der Fisch sprang dreimal und die Angst ihn zu verlieren, war Anspannung genug. Als Salmo salar im Trockenen war, waren wir einfach nur dankbar. Was für ein Erlebnis! Dieses Geburtstagsgeschenk, der erste Lachs meines Sohnes, wird mir immer in bester Erinnerung bleiben. «Skit fiske!», wie die Norweger sagen.
Als wir beim Rückflug in die Schweiz von oben den Rhein sahen, meinte ich leicht melancholisch zu meinem Sohn: «Vielleicht hast du mit deinen Kids mal ein solches Erlebnis hier unten …» Schön wärs!
2 Kommentare
Antworten an: rea
Bernhard Stegmayer | 03 | 01 | 2023 |
Vielen Dank für das schöne Feedback, Rea. Du hast in allen Punkten recht. BeSte Grüsse, der Autor.
rea
Ein wunderbares Erlebnis. Eine Geschicht, ein Leben wie es nicht mehr statt findet. Es liest sich wie ein Roman inkl. der Spannung. Danke viel mals, sendet Rea