17 | 03 | 2023 | Diverses | 0 | 6406 |
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Fischen auf Rezept
In Grossbritannien und Nordirland ist möglich, wovon die Schweiz momentan noch weit entfernt scheint: dass Menschen auf ärztliches Rezept hin Fischen gehen können.
Ein kleiner Beitrag auf den sozialen Medien weckte mein Interesse. Der britische Komiker und Schauspieler Bob Mortimer erklärte in einem Videoclip, dass «Tackling Minds» grossartige Arbeit leiste. Er empfehle diese Organisation, die mit Fischen zur psychischen Gesundheit beitrage. Zu «Tackling Minds» steht dabei auf dem Facebook-Konto: «Wir sind eine Pionierorganisation für psychische Gesundheit und Wohlbefinden, die dafür gesorgt hat, dass Angeln vom staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service) verschrieben wird. Durch unser Engagement und unsere harte Arbeit ist das Angeln nun landesweit als Alternative zu Medikamenten anerkannt.»
Diese Möglichkeit hätten schon viele Menschen ergriffen: «Rund 2000 Menschen haben bereits mit uns gefischt», erklärt David Lyons, der «Tackling Minds» Anfang 2020 gegründet hatte. Wie auf der Webseite der Organisation steht, habe ihm Fischen wesentlich geholfen, psychische Probleme zu überwinden. Diese Erfahrungen wolle er all denen weitergeben, die nun zu seinen Angelanlässen kommen. «Das sind sechs pro Woche», sagt Lyons.
Hinter der Möglichkeit, auf ärztliche Verordnung fischen zu gehen, steckt die Idee des «social prescribing» (wörtlich übersetzt: «soziale Verschreibung»). Sie wird in Grossbritannien seit den 1990er-Jahren angewendet. Anstatt bei milden Symptomen psychischer Krankheiten teure und starke Medikamente zu verschreiben, nehmen die Patienten physische und gesellschaftliche Aktivitäten wahr. Dies soll körperliches und psychisches Wohlbefinden fördern und das Stresslevel reduzieren. Wie die Erfahrungen in Grossbritannien gezeigt haben, hilft Fischen besonders ehemaligen Mitgliedern der britischen Streitkräfte, die unter posttraumatischer Belastungsstörung leiden, aber auch bei andern Menschen, die unter Angststörungen oder Depressionen leiden.
Streng genommen sind es sogenannte «link worker», die auf Verschreibung eines Arztes hin mit den Patienten passende Aktivitäten suchen. « ‹Link worker› sind im Sozialbereich spezialisiert und entsprechen bei uns in etwa den Sozialarbeitern», schreibt dazu die Schweizerische Ärztezeitung. Was dabei in Grossbritannien besonders hilft, ist die enorme Menge an Möglichkeiten, fischen zu gehen. Gerade im Grossraum Manchester, wo «Tackling Minds» beheimatet ist, sind zahlreiche (private) Weiher vorhanden. Die Clubs dort stellen der Organisation gerne ihr Gewässer zur Verfügung. Maximal zehn Patienten nehmen an einem Angel-Anlass teil. Ihnen stehen drei Personen zur Seite, die speziell als Fischerei-Ausbilder qualifiziert sind.
Und «Tackling Minds» ist erfolgreich. Die Organisation wird von Angelgeräteherstellern, Fischerei-Magazinen, aber auch von Behörden und weiteren Medien in verschiedener Weise unterstützt. Deswegen, so Lyons, habe «Tackling Minds» vor, über die Region Manchester hinaus aktiv zu sein und eine nationale Organisation zu werden.
Wer nun hofft, eines Tages auch in der Schweiz auf ärztliche Verordnung fischen zu können, muss jedoch Geduld zeigen. Auf eine Nachfrage bei einer der grossen Schweizer Krankenkassen kam folgende Antwort: «Derzeit werden keine Kosten für Fischen auf ärztliche Verordnung übernommen. Unsere Fachabteilung sieht keinerlei Chancen, dass diese Leistung übernommen werden könnte und hat auch noch nie entsprechende Anfragen erhalten. Wir denken, dass der Übernahme zusätzlicher Leistungen sicherlich die ständig steigenden Prämien im Weg stehen; zudem gehen wir davon aus, dass die Nachfrage eher gering wäre», erklärte Silvia Schnidrig, Leiterin Unternehmenskommunikation der SWICA.
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