21 | 12 | 2020 | Diverses | 0 | 6477 |
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Dorsch Krimi
Den hochgeschätzten Speisefisch gab es einst in unvorstellbaren Mengen. Auf der amerikanischen Seite seines Verbreitungsgebiets wurde er an den Rand des Aussterbens überfischt. Auf der europäischen Seite kam es zu drei Dorschkriegen!
Eigentlich ist der Dorsch ein junger Kabeljau. Beide deutsche Namen gelten für ein und dieselbe Fischart: Gadus morhua (Atlantischer Kabeljau). In Norwegen, Dänemark und Schweden heisst er torsk, auf Finnisch turska, in Polen dorsz und in Russland treska. In englischsprachigen Ländern cod, in Holland kabeljauw, in Frankreich cabillaud oder morue. In Spanien und Portugal bacalao. Der geschlechtsreife arktische Kabeljau wird in Norwegen skrei genannt.
Der Kabeljau ist eng mit dem Seelachs (Köhler) und dem Alaska-Seelachs (Pazifischer Pollack) verwandt, die ebenfalls zur Familie der Dorsche gehören. Ihre Namen haben sie der ideenreichen Comestible-Branche zu verdanken – zeitgleich mit der Geburt der «Lachsforelle».
Begehrter Speisefisch
Der Dorsch fühlt sich in einer Wassertemperatur zwischen 0 und 20 Grad Celsius am wohlsten. Deshalb liegen seine bevorzugten Lebensräume in den Küstengebieten des Nordatlantiks von Nordamerika über Grönland, Island bis nach Europa (Nordsee und Barentsee). Auch in der Ostsee kommt er vor, allerdings ist er dort kleiner als seine Verwandten aus dem Nordatlantik.
Der Dorschreichtum hatte unvorstellbare Ausmasse. Bereits die Wikinger folgten im 10. Jahrhundert den ungeheuren Schwärmen nach Westen. Dabei entdeckten sie Island, Grönland und Nordamerika. In Neufundland waren die Kabeljaus so zahlreich, dass man sie mit Körben schöpfen konnte! Später kamen die Engländer und die ersten Siedler überlebten nicht zuletzt dank des Dorschreichtums.
Das Undenkbare
Was niemand für möglich hielt, geschah vor Neufundland. Die Kabeljau-Gründe lockten auch Boote aus europäischen Ländern an. Neufundland wurde zur weltweiten Dorschhochburg, die Fischer wurden reicher und reicher.
In den 1960er-Jahren tauchten immer grössere Trawler auf, aus aller Welt. Alle bedienten sich, wollten das grosse Geld machen. Die Fangflotten erbeuteten jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen Kabeljau! Aber was niemand wahr haben wollte, das Meer wurde über die Jahre zunehmend leerer. Den Fanggründen ging der Atem aus. 1992 musste der kanadische Fischereiminister John Crosbie in St. John’s unter Polizeischutz vor die wütenden Fischer treten und notgedrungen ein Moratorium verkünden: Totales Fangverbot!
«Was zum Teufel soll das?», fragten die entsetzten Fischer. Crosbie antwortete mit den berühmten Worten: «Was wollt ihr von mir? Ich habe den Fisch nicht aus dem verdammten Meer geholt!»
Nach tausend Jahren hatte es Homo sapiens geschafft, das Ende des Kabeljau-Fangs war gekommen. 40?000 Menschen verloren ihren Job, den Sozialstaat kostete es Milliarden …
Viele verliessen die Gegend. Nur wenige Fischer blieben und stellen dem Heilbutt und Hummer nach. Die Dorschbestände haben sich trotz Fangverbot kaum erholt.
Die Dorschkriege
Während die Kabeljaugründe vor Kanada sozusagen «friedlich» erledigt wurden, eskalierte die Situation vor den europäischen Küsten zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
An den drei sogenannten Dorschkriegen zwischen 1958 bis 1975 waren hauptsächlich Island und Grossbritannien beteiligt. Island erweiterte seine Fischereigrenzen von vier auf zwölf, dann auf 50 und schliesslich auf 200 Meilen. Grossbritannien und andere Länder protestierten, was zu diplomatischen Auseinandersetzungen führte.
Island lebt zu einem beträchtlichen Teil von seinen Fischexporten, bei denen der Dorsch wiederum eine bedeutende Rolle spielt. Nach der Aufrüstung der ausländischen Fangflotten kündigte der Inselstaat im Jahre 1952 die alten 3-Meilen-Abkommen. Darauf boykottierte Grossbritannien die isländischen Fischimporte. Die Isländer bauten ihrerseits leistungsfähige Tiefkühlanlagen und erschlossen neue Märkte in Russland, Osteuropa und den USA. Der wirtschaftliche West-Ost-Umschwung war gleichzeitig ein politischer Umbruch. Die Sowjetunion gewann einen erheblichen Zuwachs an Popularität und Einfluss. Bei den Wahlen von 1956 verbuchten die Kommunisten 20% der Stimmen und erhielten bei der Regierungsbildung zwei der insgesamt sechs Ministerposten. Wütend entsandte England Kriegsschiffe, um britische Trawler in der isländischen Schutzzone zu schützen. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen isländischen Küstenwachschiffen und englischen Fangbooten. Erst 1958 – nach dem Protest der Isländer bei der UNO – anerkannte Grossbritannien die 12-Meilenzone.
Anfang der 1970er-Jahre waren die Dorschbestände in den isländischen Hoheitsgewässern wieder am Zusammenbrechen. Eigenmächtig erweiterte Island seine Schutzzone auf 50 Seemeilen und zerstörte die Fanggeräte ausländischer Boote innerhalb dieser 50 Meilen. Im Mai 1973 eskalierte der Kabeljaukrieg durch den Einsatz britischer Kriegsschiffe. In Reykjavík gingen 30?000 Menschen auf die Strasse und protestierten gegen den Einsatz der britischen Marine. Die Botschaft des Vereinigten Königreichs wurde mit Steinen beworfen. Auf See kam es zu heiklen Zusammenstössen: Die Isländer schossen einen britischen Trawler leck, die Engländer rammten isländische Wachboote.
Am 26. August 1973 kam es zum einzigen Todesopfer der Kabeljaukriege. Nach einer feindseligen Kollision des isländischen Patrouillenboots Ægir mit der britischen Fregatte Apollo war ein Leck im Maschinenraum der Ægir entstanden. Der Zweite Maschinist war gerade dabei, das Leck zu schweissen, als eine Welle die Ægir traf und Wasser eindrang. Dies führte zum Tode des Maschinisten durch einen elektrischen Schlag seines Schweissgeräts.
Dank der Vermittlung der Amerikaner, die einen Verlust der Luftwaffenbasis in Keflavik befürchteten, wurde der 2. Dorschkrieg beigelegt. Grossbritannien erhielt Sonderfangrechte und akzeptierte die Ausweitung der Schutzzone.
Island als Sieger
Aber bereits 1974 verkündete Island die Ausweitung auf 200 Seemeilen. Wieder schickte Grossbritannien Kriegsschiffe zum Schutz ihrer Fangflotte. Die Isländer kappten die Netze fremder Boote und es kam zu Kollisionen zwischen Schiffen. 1976 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Grossbritannien und Island zeitweilig unterbrochen. Am 19. Februar 1976 gab der britische Minister für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung bekannt, dass ein Fischer aus Grimsby das erste britische Opfer des dritten Kabeljaukriegs geworden war. Er wurde von einer Trosse getroffen und schwer verletzt, nachdem isländische Schiffe ein Schleppnetz abgeschnitten hatten.
Das militärlose Island gewann auch den dritten Dorschkrieg und England sowie alle übrigen heutigen EU-Staaten akzeptierten 1977 die 200-Seemeilen-Zone.
Im Jahr 2012 bot die britische Regierung Fischern, die in den 1970er-Jahren ihren Lebensunterhalt verloren hatten, eine Entschädigung in Höhe von mehreren Millionen Pfund und eine Entschuldigung an. Mehr als 35 Jahre, nachdem die Arbeiter ihren Arbeitsplatz verloren hatten, wurde die Entschädigung von 1000 Pfund für 2500 Fischer als unzureichend und übermässig verspätet kritisiert.
Übrigens sind die Fischereirechte aktuell auch beim Brexit eines der Hauptprobleme. Frankreich beharrt darauf, dass seine Fischer weiterhin Zugang zu den britischen Fischereigewässern erhalten. Boris Johnson jedoch hat seinen Fischern versprochen, dass er ihnen nach dem Brexit die europäischen Fischer vom Leib halten wird …
Dorsch Gadus morhua
Alter: | bis zu 25 Jahre |
Grösse: | Ø 60 cm |
Gewicht: | Ø 15 kg |
Der Kabeljau hat einen langgestreckten, im Querschnitt annähernd runden Körper und erreicht Längen von einem bis 1,50 Meter und einem Gewicht von bis zu fast 100 Pfund. Der schwerste je dokumentierte Kabeljau wurde im Mai 2013 vor der Küste Norwegens gefangen, wog 47 kg und war 1,5 Meter lang.
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