21 | 04 | 2017 | Praxis | 0 | 7211 |
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Die Welt der Halbriesen
Ein Trendgerät für Fliegenfischer setzt sich allmählich flächendeckend durch. Stichwort: Switchruten! Bernd Kuleisa hat sich die etwas anderen Gerten genauer angeschaut.
Jeder Fliegenfischer fängt mit der Einhandrute an, dann kommt später vielleicht mal eine klassische Zweihandrute dazu. Nun gibt es seit einigen Jahren einen weiteren Zweihandrutentyp: so genannte Switchruten. Sie sind länger als übliche Einhandgerten, jedoch kürzer als klassische Zweihänder. Mit einer Länge von um die elf Fuss – also ungefähr 330 Zentimeter – bieten sie gleich zwei Vorteile. Sie gewähren mehr Reichweite als übliche Einhänder, sind aber deutlich handlicher und leichter als die gängigen Zweihandruten mit 13, 14 oder gar 15 Fuss.
Wo können Switchruten vorteilhaft eingesetzt werden? Sie eignen sich unter anderem zum Fischen an Flüssen, die nicht bewatbar sind und an denen der Überkopfwurf – bei einer hohen Uferböschung, Zäunen oder Passanten – nicht ratsam ist. Weite, präzise Rollwürfe gelingen durch die Extralänge leichter als mit Einhandruten, beispielsweise beim Fischen an grossen Flüssen. Aus dem gleichen Grund überzeugen kurze Zweihandruten an nicht bewatbaren mittelgrossen Flüssen auf Meerforellen und kleinere Lachse (Grilse – Irland/Island). Beispiel: Wiesenflüsse dänischen und deutschen Stils. Vorteil: bessere Schnurkontrolle durch grosse Reichweite, besonders bei ufernahem Pflanzenwuchs. Und durch ihre Leichtigkeit begeistern Switchruten auch am Stillwasser. Beispielsweise, wenn eine Extraportion Wurfweite gefragt ist. Und zwar selbst dann, wenn direkt hinter dem Fischer die Steilwand oder der Wald beginnt und kein Rückwurf möglich ist. Das stets nötige Einstrippen fällt mit einer Switchrute ähnlich leicht wie mit einer Einhand. Und ist doch einmal genug freier Rückraum vorhanden, kann man beim Überkopfwerfen prächtige Weiten erzielen.
Werfen und Schnurwahl
Der Einsatzbereich richtet sich nach der Schnurklasse der Modelle; sie sind im Fachhandel von Klasse 5 bis 10 erhältlich. 5er- und 6er-Ruten sind dort ideal, wo eine leise, unauffällige Schnurablage vorteilhaft ist (Bergseen, Stauseen, grössere Flüsse der Voralpen). Typische Zielfische: Grilse, Meerforellen, grosse Regenbogenforellen, dicke Alet, kapitale Bachforellen.
7er- und 8er- Ruten eignen sich optimal für starke Fluss-Kämpfer: Rapfen, Hechte, Atlantische Lachse, kleinere Pazifische Lachsarten. Mittelgrosse Wiesenbäche sind ideale Gewässer für Switchruten und die Pirsch auf starke Meerforellen; steigt ein Lachs ein, kann man vertrauensvoll auf die Drillstärke der Rute setzen. Probleme mit Zäunen und hohem Bewuchs können elegant per Switchcast eliminiert werden. 9er- und 10er-Ruten sind interessant für das Werfen grosser Streamer auf Raubfisch oder beim Sinkleinenfischen auf grosse Pazifische Lachse oder Steelhead-Forellen.
Ein kurioses Ergebnis meiner Tests: 5er- und 6er-Modelle sind sogar zum einhändigen Werfen geeignet. Die Wurfweiten, die sich so erzielen lassen, sind beeindruckend. Bei Tests mit einer 5er erreichte ich spielend leicht die 20-Meter-Marke. Ansonsten kann man mit einer kurzen Zweihand prächtig «switchen», also mit beiden Händen im normalen Rollwurf agieren oder in seiner beschleunigten Variante (Switchcast). Das macht das Fischen und weite Werfen überall dort angenehm, wo kein Platz zum raumgreifenden Rückschwung vorhanden ist. Doch wenn sich das Terrain dazu eignet, dann fliegt der beidhändige Überkopfwurf wirklich weit hinaus – ein Rückschwung genügt und einfach fliegen lassen. Beeindruckend, wie weit das geht. Wichtig ist nur, dass wir die passende Schnur für unsere Rute finden. Achtung: Die Einhand-Schnurklassenzuordnung stimmt nicht für Switchruten. Eine normale 7er-WF ist viel zu leicht für eine 7er-Switch. Ideal geeignet sind speziell für diesen Rutentyp entwickelte Switchschnüre oder man nimmt einen Schusskopf. Aber auch hier sollte man genau schauen, dass die Schnur passt.
Schussköpfe bringen mehr Weite. Sehr beliebt sind Skagit-Schussköpfe, die mit verschiedenen Spitzen (schwimmend, intermediate, sinkend) bestückt werden; sie sind etwas kürzer und kompakt im Profil; dies erleichtert enge Schlaufen und weite Würfe. Switchschnüre sind elegant zu werfen. Eine feine Sache, wo es eben nicht auf die allerletzten Meter ankommt. Möchten Sie zudem die Vorteile einer nahtlosen Verbindung zwischen Runningline und Keule geniessen (kein Haken und Rubbeln an den Ringen), dann ist diese Variante Ihr Ding.
Die Zielfische
Auch ausserhalb der Zielfische Meerforelle und Lachs bietet eine Switchrute viele Anwendungsmöglichkeiten. Für den Shootingstar unter den Raubfischen, den Rapfen, finde ich 7er oder 8er Switchruten perfekt. Eine schwimmende Switchschnur, ein Intermediate-Polyleader, eine 0,25er Spitze, dazu ein Gurgler als Köder – toll!
Kommen Zander abends oder nachts an die Oberfläche um zu jagen, switchen wir mit der Schwimmschnur ungeheuer effektiv. Man bedenke: Switchcasts schonen das Nervenkostüm, sie bewahren uns vor unliebsamen Hängern beim Überkopfwurf!
Grosse Regenbogenforellen am Forellensee, an der Talsperre oder am grossen Fluss: Hier lässt sich mittels überlegener Wurfweite mancher starke Fisch fangen, der sonst einfach nicht erreicht wird.
Hecht und Huchen? Hier kenne ich viele Kollegen, die eine starke Einhandrute vorziehen. Der Anhieb kommt mit einer kürzeren Gerte besser durch, sagen sie. Beim Huchen kann ich leider mangels Erfahrung nicht mitreden; aber für Hecht finde ich meine 8er-Switch wirklich gut. Ich komme mit ihr bestens klar. Der Transport grosser Hechtfliegen klappt mit der 8er sehr gut: Ich bleibe bei dieser Wahl, wenn ich auf Esox pirsche.
Meerforelle, Lachs, Rapfen, Hecht, Zander – einer dieser Zielfische sollte auch für Sie interessant sein. Wenn Sie die Argumente überzeugt haben, dann legen Sie sich vielleicht eine für Sie passende Switchrute zu. Ich denke, Sie werden es nicht bereuen!
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