09 | 11 | 2021 | Reisen | 0 | 6566 |
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Britisch Kolumbien: Viel Wachstum – aber nicht bei den Lachsbeständen
Wie geht es nun mit der Fischerei in Britisch Kolumbien weiter? Nach dem zweijährigen coronabedingten Einreisestopp erfolgte am 7. September die Öffnung von Kanadas Grenzen. «Petri-Heil»-Redaktor Erich Bolli war drüben und berichtet.
Endlich ist die Einreise nach Kanada auch für Europäer wieder möglich. Ich besorgte mir Anfang September die nötigen Papiere (Covid-Impfnachweis, ArriveCanada-App, aktueller PCR-Test) und reiste sogleich nach Terrace, Britisch Kolumbien, wo ich seit 27 Jahren ein Standbein habe. Die Einreise verlief überraschend problemlos, ja sogar die Grenzkontrolle in Vancouver bescherte diesmal keine Wartezeit.
Fischereilich erwartete ich keine Wunder, hoffte aber auf einige Coho und einen angenehmen «Indian Summer». Immerhin hatte ich früher im September in den Seitenflüssen des Skeena Rivers schon gut Coho gefangen. Zu meiner Überraschung war die Fischerei auf Sockeye noch im Gang, als ich ankam. Dank später Runs wurde von der Fischereibehörde ab dem 18. August ein Sockeye zur Entnahme freigegeben, ab dem 2. September sogar zwei. So konnte ich noch einige Tage auf Rotlachs fischen. Und dann setzte der Regen ein, Starkregen tagelang, wochenlang. Die Flüsse kamen hoch und braun daher, wälzten riesige Baumstrünke, ich musste notfallmässig mein Boot herausnehmen – ans Fischen war nicht mehr zu denken. Somit hatte ich Zeit, mich mit anderem zu befassen.
Wirtschaftswachstum steht über allem
Ich war überrascht, wie geschäftig die Region geworden ist. Terrace war vor 20 Jahren ein verschlafenes Kaff, das im Sommer vor allem vom Fischereitourismus lebte. In den Pubs ging es abends dank der Fischer aus Europa oft hoch zu und her und das Bier floss in Strömen. Die Pubs und drei grosse Fischereigeschäfte konnten sich über den Umsatz nicht beklagen. Darüber hinaus gab es aber wenig Jobs, eine stillgelegte Sägerei, kaum Industrie, wenig Bautätigkeit, die Liegenschaftspreise waren tief.
Heute wird gebaut, investiert, der Berufsverkehr verursacht ab 16 Uhr Staus, die Liegenschaftspreise sind explodiert, drei Hotelneubauten sind entstanden. Dafür gibt es nur noch ein Fischereigeschäft …
Eine eigentliche Wachstumseuphorie hat eingesetzt. Die Realisierung des sogenannten LNG-Projekts, d. h. der Bau einer Gaspipeline mit Fracking Gas aus Alberta, quer durch Britisch Kolumbien nach Kitimat an der Pazifikküste, hat begonnen. In Kitimat wird eine Gas-Verflüssigungsanlage direkt am gleichnamigen Lachsfluss gebaut, dazu riesige Strassen, eine Pumpstation zur Entnahme von Kühlwasser mitten im Fluss, ein Hochseehafen weiter draussen am Fjord zum Verlad des Gases auf Hochseetanker nach Asien. Dazu werden Abertausende von Arbeitern eingeflogen, für die riesige Barackensiedlungen hingestellt werden.
Das Projekt war lange umstritten, bekämpft von (schwachen) Umweltorganisationen und einigen First Nation-Stämmen. Bald war aber Ruhe eingekehrt, das Kapital der übermächtigen internationalen Investoren hatte sich seinen Weg gebahnt und nun wird drauflos gebaut.
Dazu kommt die «wundersame» Rohstoffverknappung mit entsprechender Preissteigerung: Holz ist weltweit gefragt wie schon lang nicht mehr. Die kanadischen Wälder werden grossflächig abrasiert und die kahlen Abhänge, die zwar wieder aufgeforstet werden, erodieren in die Flussläufe und verdichten den Kiesgrund. Die Sägereien laufen wieder auf Hochtouren.
Für viele Kanadier bedeutet ein solcher Aufschwung mehr und besser bezahlte Jobs, damit besseres Einkommen; man kann nun mehr konsumieren, sich auch Luxusgüter leisten (neue noch grössere Autos, Motorräder, Quads, eigenes Haus usw.), was früher nur den Gutsituierten vorbehalten war. Die Politiker unterstützen am liebsten, was bei den Wahlen Stimmen bringt, d. h. populär ist. Schonender Umgang mit der Natur gehört weniger dazu. Die Natur scheint ja in diesem grossen Land immer noch unendlich belastbar.
Fischerei in der Skeena-Region einst und jetzt
Bis vor rund 10 Jahren konnte man als Fischer davon ausgehen, dass alle Lachsarten für die Fischerei offen waren und im Rahmen der schon damals recht strengen Regelungen einige Lachse entnommen werden durften. Dies hat sich total geändert. Es ist bei der Fischereibehörde nicht unbemerkt geblieben, dass die Lachsbestände laufend abnehmen. Somit besteht, was ich nachvollziehen kann, zunächst mal zu Beginn der Saison totales Entnahmeverbot. Je nach Verlauf der Lachsaufstiege werden während der Saison einzelne Lachsarten im Rahmen einer Tageslimite befristet zur Entnahme freigegeben.
Fischerjahr 2021
Im Vergleich mit der Aufstiegsstatistik 2011 sieht das Lachsjahr 2021 natürlich verheerend aus. Doch es lohnt sich, etwas genauer hinzusehen und auch die Zahlen des Vorjahrs 2020 beizuziehen.
Sockeye | Wie erwähnt gab es 2021 noch bis Ende August späte Runs, so dass das Reproduktionssoll von 800'000 erreicht und die Entnahme am 18. August freigegeben wurde.
Coho | Ist einigermassen stabil, verharrt aber auf tiefem Niveau.
Pink | 2021 war ein sogenanntes «Pink-Jahr»; Pinks steigen jedes zweite Jahr in grosser Zahl auf. Im Blick auf die letzten paar Jahre ein ordentliches Pink-Jahr, allerdings nur noch die Hälfte der Aufstiege von vor 10 Jahren.
King | Erneute Verschlechterung trotz totalem Entnahmeverbot. Die so grandiose Lachsart (50-Pfünder und darüber waren keine Seltenheit) scheint in ihrem Überleben im Skeena ernstlich bedroht.
Steelhead | Schon während der Saison 2021 waren die Fischereibehörden und Umweltorganisationen («SkeenaWild») alarmiert: Bei den Steelheads, der kampfstarken, mehrmals ins Meer wandernden Forelle scheint eine Katastrophe passiert zu sein. Ein Zusammenbruch der Aufstiegszahlen sondergleichen, gerade mal noch rund ein Drittel des auch schon schlechten Vorjahrs! Die Steelheadfischerei (Catch and Release only) wird von den Fans im Oktober an den Nebenflüssen des Skeenas betrieben (Copper River, Kispiox, Morice River usw.). Der Zusammenbruch des Bestands bedeutet für die Steelheadlodges nach Covid-19 einen erneuten Rückschlag.
Ausblick
Die Fischerei in der Skeena-Region in Britisch Kolumbien wird auch künftig mit vielen Einschränkungen zu rechnen haben. Eine Besserung ist nicht in Sicht, da Ursachenforschung zu wenig intensiv betrieben wird und Ursachenbekämpfung (Auswirkungen der Netzfischerei durch Berufsfischer und First Nation, Logging, Industrialisierung) keine grosse Lobby hat. Dennoch kann man meist mindestens auf eine Lachsart fischen und sich mit etwas Glück über einen schönen Fisch freuen, auch wenn man ihn zurücksetzen muss.
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