03 | 04 | 2020 | Diverses | 0 | 6240 |
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Sooooo groooooss!
Wir Fischer haben, was das Fischerlatein angeht, keinen Ruf mehr zu verlieren. So denken zum Glück nicht viele, aber ab und zu erreichen uns Fangmeldungen, die doch etwas gar «inmodicus»* sind.
*lateinisch: übertrieben
Ausgerechnet gestern Abend, als er diesen rekordverdächtigen 120er-Hecht feumern konnte, war niemand dabei, der für die Nachwelt hätte bezeugen können, welch kapitale Perle er aus ökologischen Gründen wieder in die Weiten des Sees entlassen hatte. Zum Glück machte er noch ein Foto, so kann die ganze (soziale) Welt seine Freude mit ihm teilen.
Die Freunde gratulieren und es regnet Glücks- und Beifall-Emojis. Mancher denkt sich, er hat wohl etwas übertrieben, aber ein schöner Fisch ist es alleweil. Doch dann kommen die, welche genauer hinsehen und sofort klarstellen, dass dieser Hecht höchstens 95 cm misst. «Ach, diese Neider haben ja gar keine Ahnung», denkt sich der Fänger ... Aber der Shitstorm ist losgetreten und rollt mit voller Wucht über ihn hinweg. Wollte er doch nur, dass sich alle mit ihm freuen, schliesslich fängt man nicht alle Tage einen 100er.
Detektivarbeit
Auch in der «Petri-Heil»-Redaktion werden ab und zu Fänge mit nach oben korrigierter Grösse gemeldet. Leider vergessen manche, dass wir dem Leser verpflichtet sind, etwas genauer hinzusehen. Und wir schauen genauer hin: Wir errechnen z. B. per Fangfoto die Grösse der Finger im Verhältnis zum angegeben Fangmass: Ist ein 15 cm langer Mittelfinger noch realistisch? Beim Fisch liegende Objekte, wie z. B. Feumer oder Rute, geben uns einen Grössenvergleich. Und manchmal drucken wir den Fisch 1:1 aus. Ist der Fisch kleiner als angegeben, wirkt der Fänger auf dem Ausdruck wie Goliath höchstpersönlich. Die Ergebnisse unserer Detektivarbeiten sind allerdings nur Schätzungen und können lediglich extreme Falschangaben aufdecken.
Rekord per Photoshop
Für Ruhm und Ehre haben Fänger auch schon zu Photoshop gegriffen. Keine gute Idee: So vielseitig die Möglichkeiten der Bildmanipulation heutzutage sind, so umfänglich sind auch die Mittel, diese aufzudecken. Man muss schon ein echter Photoshop-Guru sein, um unsere Grafik-Abteilung zu täuschen (das wird jetzt keine Challenge, gell). Unser täglich Brot ist die Arbeit mit Photoshop und aufwendige Bildmontagen haben wir rasch entlarvt. Als Layouter muss ich allerdings eingestehen, dass manipulierte Bilder auch schon durchgerutscht sind und so den Weg ins «Petri-Heil» und schliesslich auch ins Internet gefunden haben. Allerdings haben nicht nur wir unser Fett wegbekommen, der Fänger selbst kassiert noch heute Hohn und Spott.
Was ist gerecht?
Vielleicht haben wir auch schon mal einem kapitalen Fänger unrecht getan und die Veröffentlichung eines korrekt grossen Fischs abgelehnt. Aber im Zweifelsfall verzichten wir lieber darauf, denn für den vermeintlichen Rekordfänger ist es nach Veröffentlichung kein Zuckerschlecken. Die Sozialen Medien schlagen schonungslos zu.
Was tun, damit wirs glauben?
Hast Du einen rekordverdächtigen Fisch gefangen, möchtest ihn entnehmen und uns als Kapitalen Fang melden? Dann solltest Du immer auch ein Foto mit Massband machen, notfalls kannst Du dies zu Hause nachholen. Möchtest Du den Fisch aus ökologischen Gründen wieder frei lassen, so muss es schnell gehen. Alleine hat man da kaum eine Chance und lässt den Fisch besser ohne Foto wieder schwimmen. Ihn für das Glücksfoto auf die Wiese legen und danach zurück ins Wasser, ist keine waidgerechte Fischerei. Aber auch zu zweit sollte der Fisch möglichst rasch wieder zurückgesetzt werden. Bei kleineren Fischarten, wie Forellen oder Äschen, hilft ein Schalenmass, die Vermessung schnell zu erledigen. Bei grösseren Fischen, wie Hechte, Zander usw., kann man beim Foto z. B. die Rute parallel zum Fisch halten. Später die Rute in Ruhe messen, der Rest ist eine einfache Dreisatz-Rechnung. Solche Fotoberechnungen sind aber selten genau und es wäre gut, Du würdest uns im Fangbericht darauf hinweisen, dass die Länge geschätzt ist.
Schweizer Zander-Rekord aberkannt
Den Rekord-Zander, welcher im «Petri-Heil» 7/8-2019 erschienen ist, hatten wir natürlich auch geprüft. Obwohl wir nicht 100-Prozentig sicher waren, entschieden wir uns, den Fang zu akzeptieren.
Nach der Veröffentlichung wurde uns von verschiedenen Seiten nahe gelegt, dass es sich um einen Hochstapler handle. Für uns leider Aussage gegen Aussage. Als wir im Januar vom selben Fänger erneut Post erhielten, staunten wir nicht schlecht: Ein Karpfen mit stolzen 121 cm; schon wieder Rekord?!? Natürlich prüften wir nun genauer, doch so genau prüfen mussten wir gar nicht. Da stimmte einiges nicht, der Fisch konnte unmöglich 121 cm lang sein und die Fotos wurden schon Ende November aufgenommen, wie wir nachweisen konnten. Im Fangbericht schrieb er aber als Fangdatum 2.1.2020.
Nun wollten wir es doch etwas genauer wissen. Das damals eingesandte Bildmaterial vom vermeintlichen Rekord-Zander wurde erneut gesichtet. Wir besorgten uns die Masse der verwendeten Rute und konnten so die Grösse des Zanders errechnen. Diese Methode ergibt zwar kein genaues Resultat, aber man bekommt doch eine Referenzgrösse, anhand derer unter Berücksichtigung einer gewissen Tolanz die angegebene Länge eines Fischs überprüft werden kann.
Nach dieser Berechnung haben wir entschieden, dass der Fangrekord aberkannt wird und aus der Schweizer-Allzeitrekorde-Liste entfernt wird.
Rekorde nur noch mit Massband
Die Redaktion hat sich entschieden zu handeln: Fangmeldungen ohne Massband werden auch in Zukunft akzeptiert, soweit wir die Angaben und Fotos als realistisch einstufen. Handelt es sich aber um einen möglichen neuen Schweizer Rekord, so ist ein Foto mit Massband von nun an Pflicht.
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