12 | 04 | 2019 | Praxis | 0 | 7316 |
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Schleien mit Festblei
Die Schleie ist ein kleines Mysterium. Wunderschön und schwer zu fangen – vor allem im zeitigen Frühling. Arnulf Ehrchen überlistet die Fische mit zwei Selbsthakmontagen im wachsenden Kraut.
Jedes Jahr das Gleiche! Ich weiss, dass es eigentlich noch zu früh ist für die erste Schleie. Aber ans Wasser muss ich trotzdem. Schon mal «warmlaufen» für die kommenden Wochen. Ja, es kann noch Nachtfröste geben, aber ich will ja auch nicht über Nacht bleiben, und tagsüber in der Sonne ist doch schon Frühling.
Wenig Aktion
Am See schlenze ich den Fühler des Thermometers ins Flachwasser – und nehme mir vor, erst später aufs Display zu schauen. Der Probelauf beginnt mit Füttern. In rund eineinhalb Meter Wassertiefe bringe ich ein paar Futterkorbladungen Grundfutter mit Maden, etwas Hanf und Mais aus. Ist das Wasser noch kalt, gibt es nur wenig Futter. Später in der Saison hat der Eimer mit Leckereien für die Tincas dann eine ganz andere Füllhöhe. Nach 45 Minuten sind alle drei Ruten ausgelegt. Das Thermometer zeigt 11,8 Grad: Die Zahl ist ernüchternd, aber nicht überraschend. Das Wasser beim Futtermischen fühlte sich kühl an.
Die Bissanzeiger unter meinen Ruten schweigen lange. Mit einsetzender Dämmerung kommt die Kälte und erst mit Kapuze über der Wollmütze fühle ich mich richtig gut. Eine halbe Stunde später beleuchtet tatsächlich der Bissanzeiger der linken Rute den Angelplatz. Ein Rotauge mit fast einem Kilogramm Gewicht hat die Maden entdeckt und sich am ultrakurzen Vorfach perfekt selbst gehakt. Danach folgt sogar noch ein drei Kilogramm schwerer Brachsmen. Keine Zielfische heute, aber wer will da als Friedfisch-Fan schon motzen? «Ist einfach noch zu kalt für Schleien», denke ich. Denkste, widerspricht der Bissanzeiger der flachen Rute mit ordentlich Dezibel. Der Dauerton lässt mich an einen Satzkarpfen denken, aber die charakteristischen Schläge in der Rutenspitze geben mir Gewissheit, wer da kämpft. Nach kurzer Gegenwehr feumere ich tatsächlich die erste Schleie des Jahres. Yes! Ein schönes Männchen mit 48 Zentimetern.
Technik und Taktik
Kommen wir zu den Fakten, also meinen Erfahrungswerten. Der wichtigste: Erst ab 15 Grad Wassertemperatur beginnt die Schleiensaison so richtig. Wer nicht warten möchte, ist bei kühleren Bedingungen auf jeden Fall gut beraten, wenn er neben der aktuellen Wassertemperatur auch die Wetterentwicklung im Auge behält. Steigt das Quecksilber kontinuierlich, kannst Du ja mal einen Versuch wagen. Das Schöne am Vorfrühling: Man muss nicht in aller Herrgottsfrühe aus den Federn. Die Zeit von Mittag bis in die Dunkelheit hinein halte ich für die beste im März und frühen April. Lange Nachtsitzungen können wir uns noch sparen.
Wenig Anfüttern kam schon als Stichwort. Das können nur drei mandarinengrosse Futterballen statt zehn «Orangen» pro Rute bedeuten. Worauf ich im März und April komplett verzichte, sind «Notköder» wie kleinere Boilies oder Kichererbsen. Beide bringen meiner Erfahrung nach gegenüber Lebendködern wie Maden oder Würmern wesentlich weniger Schleienbisse. Doch spätestens, wenn die Rotfedern oder kleinen Aale erst wach sind, gehe ich nicht ohne Boilies aus dem Haus. Wo Maden eine Rotfeder nach der anderen beissen lassen, haben wir mit einer Mini-Kugel am Haar Ruhe – bis hoffentlich eine Schleie ihren kurzen Rüssel ausstülpt.
Noch mehr als zu späteren Zeiten dürfen Köder und Futter im zeitigen Frühling auffällig sein. Ein knallroter Grundfuttermix passt jetzt, genau wie eine grelle Gummimade zwischen den echten blassen. Und wenn es zur Angeltechnik passt, geht kaum etwas über Kombiköder wie Maiskorn plus quirligem Wurm.
Auf frischem Grün
Kommen wir zu einer Besonderheit des Saisonbeginns: die Stellenwahl. So früh im Jahr haben wir die Chance, dort zu fischen, wo später nichts mehr geht: in den Seerosen. Noch genauer auf den Seerosenblättern. Auf? Ja, aber nicht an der Wasseroberfläche, sondern auf den Grundblättern, die zuerst wachsen, noch bevor sich überhaupt Stängel Richtung Oberfläche schieben. Ich meine diese etwas salatblattartigen, grünen Gebilde, die Du vielleicht schon mal im Flachwasser bemerkt hast. Hier tobt das Leben schon, wenn noch kein Schwimmblatt an der Oberfläche zu sehen ist. Schnecken grasen Algen von den Grundblättern, Insektenlarven und anderes beliebtes Schleienfutter findet hier ebenfalls Nahrung und lockt unsere Zielfische automatisch herbei. Ausserdem wachsen Seerosen immer in sehr flachem Wasser, dieses erwärmt sich am schnellsten. Mit einem flachen 30 bis 50 Gramm schweren Grundblei an der Selbsthakmontage, welches nicht von den Blättern in den Schlamm rollen kann, habe ich hier Erfolg. Den Haken verstecke ich dabei in einem Netzschlauch aus PVA, den ich mit Futter fülle.
Gemüse-Montage Nummer zwei ist der Method Feeder. Hier sitzt der Haken oben auf dem Futter und wartet auf die nächste Schleie. Da Method Feeder nur auf ihrer Unterseite beschwert sind, landen sie immer mit Futter samt Köder nach oben – auch mitten auf einem Grundblatt. Sowohl am Method Feeder als auch an der Grundbleimontage setze ich auf Selbsthakmontagen. Die Schleie bekommt von mir kaum eine Chance, mit dem Köder zu spielen. Nimmt sie ihn auf, setzt ein Festblei oder eben der Method Feeder den Haken sofort.
Trotz aller Tricks bleibt der frühe Start in die Schleiensaison eine tückische Sache, Touren ohne Fisch gehören einfach dazu. Doch die Zeit spielt für uns. Irgendwie ist jede frühe Tinca etwas Besonderes. Das dürfen wir feiern – egal, wie gross sie ist, die erste Schleie des Jahres!
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