Rheinäsche vom Aussterben bedroht?
05 | 01 | 2021 SchweizText: Erich Bolli 16978
05 | 01 | 2021 Schweiz
Text: Erich Bolli 1 6978

Rheinäsche vom Aussterben bedroht?

Zwar ist die Äsche gesamtschweizerisch «nur» als stark gefährdete Art eingestuft, doch ist die Situation für die prächtige Fahnenträgerin am Hochrhein vom Unterseeausfluss bei Stein am Rhein bis zum Rheinfall derart kritisch geworden, dass man ihr Aussterben befürchten muss. «Petri-Heil»-Redaktor Erich Bolli zieht eine Zwischenbilanz.


«Weisst du noch?…», beginnen die alten Fischer ihre Geschichten. In den 1960er-Jahren durfte man am Schaffhauser Hochrhein noch zehn Äschen pro Tag fangen, ab den 1970er-Jahren noch sechs, dann noch fünf – ohne den hervorragenden Bestand zwischen Stein am Rhein und dem Rheinfall jemals zu gefährden. Dann kamen in den 1990er-Jahren die ersten grossen Kormoraneinflüge und Hunderterschwärme begannen auf den Äschen herumzuhacken. Schliesslich erfolgte die erste Hitzekata­strophe von 2003, in der über 90% des Äschenbestands im über 27-grädigen Rheinwasser kollabierte. Nach einem dreijährigen Fangverbot hatte sich der Bestand wieder etwas erholt, so dass die Fischerei auf Äschen mit drei Entnahmen pro Tag und einer Jahresbeschränkung wieder freigegeben werden konnte. Dies ging 15 Jahre lang einigermassen gut. Die Fischer und Jäger bekämpften in dieser Zeit mit grossem Aufwand die übelsten Kormoranschäden – bis dann bekanntlich 2018 in einem weiteren Hitzesommer der Bestand wieder nahezu vollständig zu Grunde ging und das Fischen auf Äschen erneut ganz eingestellt werden musste, in der Hoffnung, dass doch noch ein Restbestand überlebt hat und sich wieder erholen kann.


Es gibt noch Äschen

Schon letztes Jahr und wiederum in diesem Herbst betreute Patrick Wasem, Fischereiaufsicht Schaffhausen, mehrere Testfischen zur Bestandeserhebung. In den verschiedenen von Schaffhauser Vereinen gepachteten Rheinabschnitten durften ausgewählte Vereinsmitglieder an bestimmten Tagen auf Äschen fischen, natürlich mit sofortiger Zurücksetzung aller gefangenen Fische. Es zeigte sich folgendes Bild: Während noch letztes Jahr kaum Äschen gefangen wurden, auch nicht von Berufsfischer Hans Graf mit Netzzügen bei Stein am Rhein, gab es dieses Jahr doch einen ganz kleinen Lichtblick. In verschiedenen Rheinabschnitten wurden mehrere ein- und zweijährige Äschen gefangen, sehr selten auch dreijährige. Es besteht eine minime Hoffnung, dass diese Jungfische in den nächsten Jahren bis zur Laichreife über die Runden kommen, sodass wieder eine Verlaichung stattfinden könnte.


Für Aufzucht und Besatz braucht es Elterntiere

In früheren Jahren wurde am Rhein von Schaffhausen sehr erfolgreich Aufzucht und Besatz von Äschen betrieben. Unter der Leitung des Fischereiaufsehers machte eine Netzgruppe des Fischerei­vereins Schaffhausen im März Laichfischfang in verschiedenen Rheinabschnitten. Die gewonnenen Eier wurden nach der Befruchtung in der Fischzucht des Kantons Schaffhausen ausgebrütet und aufgezogen. Die kleinen Äschen konnten dann in verschiedenen Rheinabschnitten eingesetzt werden. Dieser Besatz hat sich jahrzehntelang bewährt und würde es auch weiterhin – wenn die nötigen laichfähigen Fische vorhanden wären. Der Laichfischfang konnte im März 2020 wegen Corona gar nicht stattfinden. Im kommenden März 2021 soll laut Patrick Wasem wieder ein Versuch unternommen werden, allerdings bei sehr gedämpften Erwartungen.

 Äschenfischer auf dem Rhein; Tempi passati? © Erich Bolli

Äschenfischer auf dem Rhein; Tempi passati? © Erich Bolli

 Gefährdete Schönheit: Trotz immensem Aufwand steht die Rheinäsche kurz vor dem Verschwinden. © Rostislav - stock.adobe.com

Gefährdete Schönheit: Trotz immensem Aufwand steht die Rheinäsche kurz vor dem Verschwinden. © Rostislav - stock.adobe.com


Vogelschutz verhindert Kormoranmassnahmen

Wie ausgeführt gibt es minime Hoffnungen auf eine Bestandeserholung. Sie beruhen zuerst einmal darauf, dass die noch vorhandenen wenigen Jung­äschen zur Laichreife abwachsen können. Die verbliebenen Fische werden allerdings bedroht durch immer grösser werdende Bestände von Kormoranen und Gänsesägern. Es ist zu befürchten, dass die gierigen Fischfresser das Aufkommen der wenigen Jungäschen verhindern.

Bis zur Hitzekatastrophe 2018 konnte durch eine funktionierende Kormoranabwehr von Fischern und Jägern dank unzähliger Freiwilligenstunden die Prädatoren-Plage etwas gelindert werden. Doch ausgerechnet im jetzigen Überlebenskampf der Äsche bringt es die Vogelschutzorganisation «Birdlife» in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen fertig, mit ihren gut bezahlten Anwälten vor Gericht durchzusetzen, dass im Steiner Wasser und im Wasser- und Zugvogelreservat keine Kormoranbekämpfung mehr betrieben werden darf.

Die Argumentation ist aus meiner Sicht unhaltbar, beruht auf scheinwissenschaftlichen Behauptungen und Unterstellungen. So wird zum Beispiel ohne schlüssigen Beweis in gummigem Juristendeutsch behauptet, «es bestünden zahlreiche gewichtige Indizien, die einen starken Zusammenhang zwischen dem Rückgang der überwinternden Wasservögel im Wasser- und Zugvogelreservat und der Kormoranabwehr belegen.» Oder: «Dazu ist anzumerken, dass es über den tatsächlichen Bestand an Äschen im Wasser- und Zugvogelreservat Stein am Rhein keine direkten Angaben gibt, da sich Fische im Gegensatz zu Vögeln nicht zählen lassen.» Dazu nur nochmals der Hinweis auf die Netzzüge des Berufsfischers von Stein am Rhein: Anzahl Äschen in vier Netzen: Null! Ist ja wohl auch eine Zählung! Oder sich auf eine veraltete Einstufung des Bafus berufend: «… dass die Äsche (nur, aber immerhin) eine gefährdete bzw. verletzliche Art, aber weder stark gefährdet, noch vom Aussterben bedroht ist.» Und solch haarsträubendem Unsinn folgen die Gerichte und werten den Schutzstatus der Vögel, die an Unter- und Bodensee ohne Weiteres viele ruhige Schilfgürtel vorfinden, höher als den der bedrohten Äsche! Es ist dem Schweizerischen Fischerei-Verband SFV hoch anzurechnen, dass er diese Gerichtsentscheide so nicht hinnimmt und dagegen rekurriert. Bleibt nur zu hoffen, dass bis zu einer Neubeurteilung nicht zuviel Zeit verstreicht, das heisst, dass die Vögel unterdessen nicht alle verbliebenen Äschen auffressen.


Ein Funken Hoffnung besteht

In den Fischereikreisen des Kantons Schaffhausen ist man trotz der misslichen Umstände fest gewillt, die Rheinäsche nicht aufzugeben. Es soll alles Menschenmögliche unternommen werden, damit die noch vorhandenen Jungäschen im Rhein überleben und zum Laichen kommen können. Die Kormo­ranwache wird mit Ausnahme des Steiner Wassers und des Zugvogelreservats weiterhin betrieben, der Gerichtsentscheid wird vom SFV angefochten, soweit möglich soll ab kommendem Frühling wieder Aufzucht und Besatz gemacht werden. An Bereitschaft und Einsatz von Fischern und Jägern, Vereinen, Behörden und Kantonalverband fehlt es nicht. Die Motivation, die Rheinäsche retten zu helfen, ist in breiten Kreisen vorhanden. Über allen Bemühungen schwebt allerdings das Damoklesschwert des Klimas: Bitte Petrus, keinen Hitzesommer mehr!

 

1 Kommentare


Phil

06 | 01 | 2021

Toller Artikel und eine tolle Gemeinschaft für die Rhein-Äsche. Ich drücke sehr die Daumen, dass dies langfristig erfolgreich sein wird. Bei unserem Gewässer haben wir aktuell nicht viele Kormoranbesuche. Ein Aggressor / Problem für unsere Forellen weniger? Jein. Seit einigen Jahren macht sich nun der Gänsesäger breit. Nisthilfen werden von Vogelfreunden gebaut und in Ufernähe aufgestellt. Und was können die Fischer machen? Nichts. Der Gänsesäger ist eine geschützte Art und darf nicht vom Jäger bejagt werden. Ein unlösbares Problem bei der grossen Vogel-Lobby. Das Leben hört an der Wasseroberfläche auf. Schade. Eine ordentliche Hege ist heutzutage nicht mehr möglich.


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