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06 | 03 | 2017 | Schweiz | 0 | 5116 |
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Mitte Januar wurden bei Rheinau (ZH) von der Zürcher Kantonspolizei zwei Fischer abgefangen, die ein Kleinkalibergewehr mit sich führten. Sie wurden bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angeklagt, widerrechtlich Kormorane abgeschossen zu haben. Die beiden vertreten den Standpunkt, dass durch die in grosser Zahl auftretenden Kormorane die Fischbestände gefährdet seien. Eine Betrachtung aus Sicht der Fischer und Fische.
Was passiert, wenn im Wallis die Schafhirten genügend laut klagen, wenn ein Wolf ihre Schafe reisst? Die Gesetzgebung, die den Wolf in der Schweiz schützt, wird geändert, und der Wolf wird abgeschossen. Was passiert, wenn das Wolfsrudel im Calanda-Gebiet mehrere Junge aufzieht? Die Jungwölfe werden als Gefährdung eingestuft und dezimiert. Und was passiert, wenn seit den 1980er-Jahren immer mehr Kormorane in die Schweiz kommen, immer mehr Brutpaare hier bleiben, sich die Brutkolonien jedes Jahr vergrössern und der Frassdruck auf die Fische unserer Gewässer steigt und steigt? Es passiert wenig bis gar nichts, denn die «lieben hungrigen Vögeli» sind und bleiben weitestgehend geschützt.
An einem trüben Januartag in Rheinau oberhalb der Holzbrücke: Der Augenschein zeigt, dass ein 50er-Schwarm Kormorane, sekundiert von diversen Gänsesägerpaaren, sich in diesem Rheinabschnitt offensichtlich dauerhaft eingerichtet hat. Das Fischfressen ist eben beendet und die Vögel dümpeln mitten auf dem Rhein, ihre Gefieder trocknend – bis zum nächsten Frass. Und das täglich. Die Fische – gut zu sehen im klaren Winterwasser – stehen Schutz suchend eng zusammengedrängt im Schwarm, einige treiben verletzt oder tot obenauf. Der Fischschwarm wartet stumm ergeben auf die nächste Attacke der unbarmherzigen Schnäbel.
Nun gibt es verdiente Fischer, die sich ein Leben lang um Hege und Pflege der Gewässer und des Fischbestands bemüht haben. Sie müssen sich diese Fressorgien der Vögel täglich ansehen. Wenn niemand etwas unternimmt, die unhaltbare Situation zu verändern, kommt halt irgendwann mal der Gedanke, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wenn beim Fischer-Volk sich das Gefühl der Ohnmacht breit macht, wenn man das Gefühl hat, behördlicherseits werde zu wenig getan, und der Leidensdruck zu gross wird, dann kann man verstehen, dass Fischer sich für die an Leib und Leben bedrohten Fische wehren wollen – «Notwehr» eben. Ich kann die Beweggründe der beiden Fischer nachvollziehen, ohne die illegale Handlung gutheissen zu wollen.
2015 setzte der Bundesrat eine revidierte Verordnung über Wasser- und Zugvogelreservate in Kraft. Diese Verordnung schützt wichtige Überwinterungs- und Rastplätze für Zugvögel und ganzjährig in der Schweiz lebende Wasservögel. Bestehende Schutzgebiete können um insgesamt 560 Hektaren erweitert werden. Zudem werden innerhalb der Schutzgebiete rund 1000 ha mit strengeren Schutzbestimmungen versehen.
Die Nichteingriffszonen werden somit ständig zugunsten der Vögel erweitert. Dies erschwert Massnahmen zur Bestandesregulierung der Fisch-Prädatoren, und die Explosion der Bestände wird gefördert. Kaum jemand stellt sich dabei wie bei der Regenbogenforelle die Frage, ob der Kormoran überhaupt «einheimisch» sei und bei uns brüten soll.
In der letzten Ausgabe von «Petri-Heil» berichteten wir über den qualvollen Tod tausender Aale in den Rheinkraftwerken. In Schweizer Gewässern werden aber Jahr für Jahr Hunderttausende von Forellen, Äschen und weitere Fischarten durch Kormorane und Gänsesäger bei «lebendigem Leib» gefressen oder verletzt. Und die Fischbestände sinken und sinken. Wo bleibt der Aufschrei in der Öffentlichkeit, wo bleiben Behörden, die einschreiten gegen diese Massaker? Aber wenn zwei Fischer in ihrer Verzweiflung zur «Notwehr» greifen, handelt die Polizei sofort. Ein verbesserter, breit abgestützter, legaler «Fischschutz» ist daher dringend notwendig!
Der Winterbestand der Kormorane (im Frühjahr wieder wegziehende Vögel) scheint sich in den letzten Jahren etwas stabilisiert zu haben, allerdings auf viel zu hohem Niveau. Doch diese «Beruhigung» ist trügerisch. Denn der Brutbestand der Kormorane in der Schweiz stieg 2016 gegenüber 2015 erneut deutlich an: von 1534 auf 2099 Paare. In allen grösseren Kolonien nahm der Bestand zu. Erstmals seit 2012 gab es auf der Lützelau ZH im Zürichsee wieder mehrere Bruten.
Weder der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) noch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) gab bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe von «Petri-Heil» eine Stellungnahme zur Frage ab, was angesichts der aktuellen Kormoransituation und Bedrohungslage der Fischbestände unternommen wird. Immerhin findet man auf der Webseite des SFV die Absichtserklärung, mit einem entschiedenen Auftreten gegenüber den Vogelschützern und der Verwaltung eine Lockerung der übertriebenen Schutzvorschriften und eine nachhaltige Reduktion der schadenstiftenden Vogelpopulationen durchsetzen zu wollen. Der SFV fordert eine Regulation der explosionsartig wachsenden Kormoran-Brutkolonien, und das Entstehen neuer Kolonien soll verhindert werden (siehe Seite 55). Doch eine konkrete Durchsetzung von Massnahmen zum Schutz der Fische ist schwierig. Denn Vogelschutz und Tierschutz versuchen griffige Massnahmen zu blockieren, wo es nur geht. Wir Fischer müssen deshalb entschlossen zusammenstehen, wo es um den Schutz unserer Gewässer und den darin lebenden Fischen geht!
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