Monsterfisch
13 | 09 | 2019 DiversesText: Steff Aellig | Illustrationen: Patrick Stieger 04275
13 | 09 | 2019 Diverses
Text: Steff Aellig | Illustrationen: Patrick Stieger 0 4275

Monsterfisch

Bestimmt bist auch Du mehrfach über die Pressemeldung gestolpert: «Fischer Franz Blum zieht Monster-Wels aus dem Bodensee!» Ein spontan geschossenes Handy-Foto kursiert durch alle Medien: Der 100-Kilo-Wels hängt langgestreckt am hochgefahrenen Gabelstapler. Daneben steht nicht der Fischer selbst, sondern sein Kumpel. Im Hintergrund ein Sportwagen und ein hellblauer Pick-Up; Bauernhofumgebung.

Nur schon die schiere Grösse dieses Tieres löst in uns etwas aus. «Size Matters», das gilt eben immer und überall. Bei Nicht-Fischerinnen ist es eine Art tiefes Gruselgefühl: «Waaas? Solche Ungeheuer schwimmen im See, wo ich normalerweise bade?!» Bei uns Angelfischern ist es eher Respekt – oder auch Neid. Jeder von uns hätte gerne mal so einen Fisch am Haken.

Die Momente, wo die nichtfischende Öffentlichkeit mit den Tiefen unserer Leidenschaft in Kontakt kommt, sind selten – und anfällig für Missverständnisse. Denn es ist nicht leicht, das, was wir Fischer tun, der breiten Masse von Nicht-Fischern nachvollziehbar zu kommunizieren.

Zum Beispiel die Szene der «Gross-Wels-Jäger». Das ist eine eingeschworene Gemeinschaft, und ihre Aktivitäten bleiben meist unter dem Radar der Öffentlichkeit. Mein Kumpel Mauro gehört dazu. Die Fotos von seinen Zweimeter-Fischen schickt er mir nur, weil er sicher sein kann, dass ich sie nicht weiterverbreite. Auf seinen Bildern hängen die Welse nicht tot am Gabelstapler. Im Gegenteil: Meist steht Mauro im hüfttiefen Wasser und schaut seinen «Big Fish» – wie er sie nennt – verliebt in die kleinen Äuglein. Und dann lässt er sie wieder schwimmen.

Aber Franz Blum vom Bodensee ist keiner von denen. Franz Blum ist Berufsfischer – und zwar in dritter Generation. «Fränzle» nennt er sich, um sich vom Vater und Grossvater abzugrenzen, die alle auch Franz heissen. Wie genau Franz Blum seinen «Monster-Wels» gefangen hat, finde ich aufgrund der online verfügbaren Berichte nicht heraus. Ihm sei ein richtig dicker Fisch «ins Netz gegangen», steht am Anfang des einen Artikels. Doch weiter unten liest man: «Erst als er den Fisch am Haken hatte, sei ihm bewusst geworden, was für ein grosses Tier er da gefangen habe.» Ich muss schmunzeln: Das ist ja immer so. Aber was jetzt: Netz oder Haken? Das müssen wir klären.

Als ich «Fränzle» am Telefon habe, ist er grad zurück vom Einholen der Netze. «Da wird so viel Scheiss berichtet», lacht er meine Frage weg, «wenn ich gewusst hätte, was dieses Foto für einen Medienrummel auslöst, hätte ich meinem Kumpel nicht erlaubt, es auf Facebook zu posten!» Ja, er fische mit Netzen gezielt auf den Wels, erzählt mir Franz, grosse Maschen, dickere Schnüre. Geräuchert sei der Wels mittlerweile eine gefragte Spezialität in seinem Restaurant. Dass jener kapitale Fisch seinen Kopf überhaupt in die Netzmaschen gebracht habe, sei erstaunlich. Eigentlich fische er auf die kleineren, die schmeckten besser, weil weniger Fett dran sei.

Ich spreche Franz auf jene Stimmen an, für welche jedes getötete Tier eines zu viel ist: «Macht nur weiter so», lautet beispielsweise ein online-Kommentar auf den Bericht über Franz’ Wels, «tötet alles, was in unseren Seen und Meeren ist. Ihr werdet die Rechnung kriegen!» Hätte dieser kapitale Wels wieder zurückgesetzt werden müssen? «Hätte man können», meint Franz gelassen, «der Fisch war in gutem Zustand. Aber bei uns ist der Bestand an Welsen eher zu hoch. Und solch grosse Fische sind regelrechte Fressmaschinen.» So ist es für Franz beim Ablesen des Massbandes sofort klar: «Zwei Meter fünfundvierzig! Diesen Rekord-Fisch muss man den Leuten zeigen.» Und deshalb lässt er ihn präparieren.

Was mich beeindruckt: Franz Blum ist völlig im Einklang mit sich und dem See. Er muss keine Show abziehen und steht zu dem, was er sagt und tut. Ich find ihn cool, den «Fränzle».


Steff Aellig ist Psychologe und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. In seiner Kolumne schreibt er über die Abgründe seiner Angel-Sucht – und findet heraus, was ihn in seinem Alltag als Ehemann und dreifachen Familienvater alles daran hindert, diese Sucht auszuleben.

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