07 | 06 | 2024 | Schweiz | 0 | 3175 |
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Linthkanal:
Sorgen und (keine) Perspektiven
Die 17 km lange Kanal-Verbindung zwischen Walensee und Zürich-Obersee war jahrzehntelang eines der ertragreichsten Salmonidengewässer Europas. Ein eigenständiger Fario-Stamm, die Linthkanal-Flussforelle, war zahlreich, ebenso wie die Äsche. Und die Seeforellen aus den beiden Seen kamen im Spätherbst in Scharen zum Laichgeschäft. Heute ist das Gewässer ein Schatten seiner selbst. Dominik Thiel spricht Klartext.
«Petri-Heil»: Im Dezember 1984 frassen rund 1000 Kormorane innert wenigen Wochen den Linthkanal praktisch leer. Was führte dazu, dass sich der Fischbestand seither nie mehr erholen konnte?
Dominik Thiel: Der grosse Rückgang der Fischfänge am Linthkanal verlief parallel zu den Rückgängen im Walensee. Dieser ist durch die massive Abnahme der Nährstoffe im See (Phosphat) bedingt. Tatsächlich gab es nach 1984 nochmals einen starken Einbruch der Äschenfänge, und dann in den letzten 20 Jahren nochmals einen massiven Rückgang. Der Bestand konnte sich nie mehr erholen, weder im Walensee noch im Linthkanal. Nährstoffbedingt ist die Grundlage für solch grosse Bestände nicht mehr gegeben. Zudem haben sich alle Faktoren (Klimawandel, Fremdstoffe im Gewässer, Prädatoren usw.) in den letzten Jahren zuungunsten der Äschen und Forellen verändert.
Vor einem Jahrzehnt wurde der Linthkanal «renaturiert». In der Hänggelgiessen wurde der Kanal sogar ausgeweitet; seither ist das Gebiet für die Fischerei verboten. Trotzdem ist kein merklicher Anstieg der Fischbestände zu verzeichnen.
Die Hänggelgiessen ist ein wertvolles Jungfischhabitat. Forellen und Äschen sind Kieslaicher. Nur noch 2,6 % der Sohle im Linthkanal sind als Laichgebiet geeignet. Die im Rahmen des Hochwasserschutzprojekts «Linth2000» renaturierten Ufer weisen deutlich mehr Äschenlarven aus als die verbauten Ufer. Strukturen fehlen im Linthkanal fast vollständig. Für die grosse Anzahl Gänsesäger ist es ein Leichtes, die Jungäschen und -forellen zu fangen. Seit einigen Jahren sind Kormorane ganzjährig am Linthkanal anwesend. Der Brutbestand ist auch im Zürichsee-Gebiet steigend. Es fehlen grosse, fortpflanzungsfähige Äschen. Mittlerweile ist wohl der Verlust jeder Äsche für die kleine Population von grosser Bedeutung.
Warum wird der ständig steigende Gänsesägerbestand nicht eingeschränkt? Dieser Vogel frisst doch einen beträchtlichen Teil der jungen Äschen und Forellen.
Der Gänsesäger ist ganzjährig geschützt. Es wäre in der Tat nützlich, wenn wir Abschüsse tätigen könnten für aufschlussreiche Magenuntersuchungen. Aber die Vogelschutzorganisationen verteidigen den absoluten Schutzstatus vehement. Ich habe in der Jagd- und Fischereiverwalter-Konferenz einen Vorstoss unternommen, um eine Lockerung zu erreichen. Erfolglos.
Die zuständigen Fischereibehörden sind alarmiert. Kürzlich fand eine Besprechung zwischen den vier kantonalen Verwaltungen des Konkordats und den Fischereivertretern (SG, GL, SZ, ZH) statt. Von den sechs Traktanden betrafen fünf Einschränkungen der Fischerei. Wir vermissen jedoch Massnahmen für die Behebung der Misere!
Seit einigen Jahren führen wir in drei Bereichen Massnahmen mit grossem Aufwand zugunsten der Äschen durch: Lebensraumaufwertungen (Kiesschüttungen, siehe «Petri-Heil» 6/2022), Schonzeitabschüsse bei den Kormoranen sowie fischereiliche Schonmassnahmen. Da der Äschenbestand weiter sinkt, braucht es weitere Schonmassnahmen. Diese haben wir mit den lokalen Fischerinnen und Fischern diskutiert. Mit den Schutzorganisationen haben wir die Schonzeitabschüsse Kormoran diskutiert, mit dem Linthwerk weitere Lebensraumaufwertungen. Es ist schon ein grosser Erfolg, dass wir am Linthkanal mit Zustimmung vom BAFU und ohne Einsprache der Schutzorganisationen vom 1. März bis 15. April Kormorane am Linthkanal zur Vergrämung schiessen dürfen. Wir müssen alle am selben Strick ziehen, um ein Aussterben der Äschen und Linthforellen am Linthkanal zu verhindern. Die Situation ist dramatisch. Wir haben aber bisher keine Massnahmen gefunden, die zu einer Erholung der Forellen- und Äschenbestände geführt haben.
Früher fischten über 1000 Jahreskarteninhaber, nun ist es nur noch ein Bruchteil. Damit fehlen selbstverständlich auch Einnahmen. Sind die Besatzzahlen im gleichen Umfang geschmolzen wie die Fangzahlen?
Tatsächlich ist die Anzahl verkaufter Patente deutlich zurückgegangen. Kein Wunder, man fängt ja fast nichts mehr. Im Jahr 2023 wurden noch 173 Jahrespatente und 148 Tagespatente verkauft. 100 (ein Drittel) Patent-Statistiken kamen leer zurück. Seit rund 20 Jahren werden keine Äschen mehr besetzt. Die Zucht und Haltung ist äusserst schwierig. Beim Besatz von Linthforellen erreichten wir in den letzten Jahren Höchststände, noch nie wurden so viele Bachforellen im Linthkanal und Seitengewässer besetzt. Ohne Erfolg. Im 2023 wurden im Kanal noch 7 kg Forellen und 29 kg Äschen gefangen. Beide Arten stehen wohl kurz vor dem Aus.
Damit sind die Linthkanal-Flussforelle und die Äsche praktisch ausgestorben. Unseres Erachtens muss dies mit allen Mitteln verhindert werden, dazu braucht es ausserordentliche Massnahmen.
Mit der Schonmasserhöhung bei der Äsche per 1.1.2018 ist die durchschnittliche Grösse der gefangenen Äschen von 36 cm auf 40 cm gestiegen. Es kommen also theoretisch mehr Äschen zum Ablaichen. In der ersten Phase der Schonzeitabschüsse in den Jahren 2019-2021 wurden 300 Kormorane am Kanal erlegt, davon 85 in der Schonzeitverkürzung zwischen dem 1. März und 15. April. Die häufigsten Fische in den untersuchten Kormoranmägen waren Äschen. Das Linthwerk hat das Angebot der Laichplätze mit Kiesschüttungen erhöht. Einige vermuteten negativen Einflüsse können wir nicht beheben: Klimawandel, Gewässerqualität, steigende Gänsesägerbestände, ganzjährige Kormoranpräsenz, ein Heer von Schlauchbooten im Sommer. Der Linthkanal taugt in seiner heutigen Form ohne Strukturen nicht mehr als Lebensraum für Äschen und Forellen. Da nützt auch ein Besatz nichts mehr. Es bleiben wohl nur noch die Erinnerungen und Statistiken von früher, als hier noch jährlich Tausende Äschen und Forellen gefangen wurden.
Traurig aber wahr.
Die Regierungsräte der Konkordatskantone werden im Juni über die Anträge der Fischereikommission beraten und entscheiden.
Wir danken für das aufschlussreiche Gespräch.
Dominik Thiel, Dr. sc. nat., Amtsleiter Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St. Gallen, Vorstandsmitglied der JFK Jagd- und Fischereiverwalter-Konferenz der Schweiz.
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