18 | 05 | 2020 | Schweiz | 1 | 12949 |
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Fischsterben – Ein komplexes Problem
Wird ein Gewässer verunreinigt, bedeutet dies für die betroffene Population oft den Totalausfall. Leider ist dies in der Schweiz eine traurige Normalität; durchschnittlich alle zwei Tage wird hierzulande ein Fischsterben dokumentiert.
Nur wenige Stunden alt war das aktuelle Jahr, als im ostschweizerischen Hauptwil bereits der erste Gülleunfall im 2020 passierte. Einige Wochen später berichtete ein Tagesanzeiger-Artikel über einen besonders gravierenden Gülleunfall im Kanton Zürich. In solchen Fällen dürfte der Blutdruck des einen oder anderen Fischers in die Höhe schnellen, wie Leserbriefe in Lokalzeitungen hin und wieder zeigen. Da ist dann schon mal von einer «ungeheuren Schweinerei» die Rede. In Fällen, in denen tatsächlich Schweinegülle mit im Spiel ist, entwickelt eine solche Bemerkung natürlich eine besonders tragische Ironie. Andererseits sind auch die Landwirte nicht zimperlich und können durchaus gereizt auf das Thema reagieren, wie die Journalisten des Tagesanzeigers erfahren mussten, als sie mit den Landwirten im betroffenen Tobel über den Vorfall sprechen wollten.
Jeden zweiten Tag ein Fischsterben
Grund genug also, der Sache schweizweit auf den Grund zu gehen. «In den Jahren 1990 bis 2017 wurden gesamtschweizerisch jeweils rund 178 Fischsterben pro Jahr gemeldet, das heisst durchschnittlich findet alle zwei Tage ein Fischsterben in der Schweiz statt», erklärt Diego Dagani, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sektion Lebensraum Gewässer in der Abteilung Arten, Ökosysteme, Landschaften des Bundesamts für Umwelt (BAFU) auf Anfrage von «Petri-Heil». Während solche Gewässerverschmutzungen im Kanton Zürich gemäss Tagesanzeiger in den meisten Fällen auf Baustellen zurückzuführen sind, scheint dies schweizweit anders zu sein. Diego Dagani: «Am meisten Fischsterben werden durch den Eintrag von Jauche verursacht (22%), gefolgt von häuslich-industriellem Abwasser (10%), Eintrag von Öl oder organischen Lösungsmitteln (10%) und Zementwasser (5%). 28% gehen auf eine grössere Zahl verschiedener kleinerer Ursachen zurück und für rund 20% der Fischsterben bleibt die Ursache unbekannt. 5% werden durch natürliche Ursachen verursacht, wie z. B. Trockenheit oder Murgänge.» Verursacht also schweizweit gesehen die Landwirtschaft doch die meisten Fischsterben?
Ämter widersprechen sich
Auf Nachfrage von «Petri-Heil» antwortet Florie Marion vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW): «Leider können wir die Aussage des BAFU nicht bestätigen.» Die Landwirtschaft spiele beim Thema Fischsterben mit Sicherheit eine Rolle und man bedaure dies, so Florie Marion. Sie betont aber, dass seitens des BLW keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema vorlägen: «Dass die Landwirtschaft die gesamte Verantwortung trägt, müsste von einer Studie nachgewiesen werden.» Ähnlich antwortet Thomas Jäggi vom Schweizer Bauernverband: «Die von Ihnen erwähnte Aussage des Bundesamts für Umwelt, dass der Bereich Landwirtschaft der grösste Verursacher von Fischsterben in der Schweiz sei, können wir nicht bestätigen.» Jäggi verweist auf die Statistik der Umweltschutzpolizei des Kantons Luzern, der eine überdurchschnittliche Tierhaltung aufweist und darum schon lange als Problemkanton im Fokus steht. Der Statistik ist mit Stand 1. April 2020 zu entnehmen, dass im Kanton Luzern nach einem Peak von 18 Fischsterben im Jahr 2016 (10 davon verursacht durch die Landwirtschaft) die Zahl der Fischsterben insgesamt und auch der Anteil der durch die Landwirtschaft verursachten Fischsterben in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. So gab es letztes Jahr auf Luzerner Kantonsgebiet noch 8 Fischsterben (2 davon verursacht durch die Landwirtschaft), während dieses Jahr bisher noch keine Fischsterben im Zusammenhang mit der Landwirtschaft registriert wurden. Die Abnahme der letzten Jahre sei insbesondere auf die erfolgreiche Kampagne «Ufpasse bim Gülle» des Luzernischen Bäuerinnen- und Bauernverbands und die massiv erhöhte Aufklärungsrate bei Gewässerverschmutzungen im Kanton Luzern zurückzuführen. «Nur noch bei einzelnen Verunreinigungen kann der Verursacher nicht ermittelt werden», so Jäggi.
Fischsterben ist nicht gleich Fischrückgang
Angesichts dieser widersprüchlichen Auskünfte wendet sich «Petri-Heil» in der Hoffnung auf Aufklärung an das Wasserforschungsinstitut Eawag an der ETH. Die an die Eawag angegliederte Fischereiberatungsstelle FIBER kann immerhin ein Stück weit Licht ins Dunkel bringen. Zwar bestätigt sie die Auskunft des BAFU: «Beruhend auf einem Dossier des Bundesamts für Umwelt ist Jauche (Gülle) die Hauptursache für akute Fischsterben in der Schweiz.» Gleichzeitig schränkt sie aber ein: «Jedoch ist es nicht möglich, einen einzelnen Wirtschaftszweig oder Umwelteinfluss generell als hauptverantwortlich für das Fischsterben und den Fischrückgang in der Schweiz zu zeichnen. Von akutem Fischsterben durch Gülle und andere Verschmutzung sind aufgrund des sehr geringen Verdünnungseffekts und fehlender Ausweichmöglichkeiten besonders die Fische kleiner Gewässer betroffen. Der Fischrückgang hingegen betrifft oft grosse Gewässer, die durch eine Vielzahl von negativen Einflüssen beeinträchtigt sind.» Der Teufel steckt also wie so oft im Detail. Es ist zwar richtig, dass schweizweit die Landwirtschaft nach wie vor am meisten akute Fischsterben verursacht. Allerdings kann keine Rede davon sein, dass der generelle Rückgang der Fischbestände in Schweizer Fliessgewässern nur auf die Landwirtschaft zurückgeht. Die FIBER erklärt: «Vor 20 Jahren wurde ein Projekt zum Fischrückgang in der Schweiz ins Leben gerufen. Es wurde dabei ersichtlich, dass nicht einzelne isolierte Faktoren verantwortlich sind, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Einflüsse entscheidend ist und diese sich auch unterschiedlich auf verschiedene Gewässertypen und Fischarten auswirken.»
Verschärfung geplant
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Landwirtschaft zwar eine wichtige Rolle spielt, was akute Fischsterben betrifft, aber nicht für den generellen Rückgang der Fischbestände in den Schweizer Fliessgewässern verantwortlich gemacht werden kann. Um die dennoch problematische Zahl der Gülleunfälle in der Schweiz zu reduzieren, ergreift das BAFU weitere Massnahmen, wie Diego Dagani sagt: «Im Jahr 2020 planen wir die Veröffentlichung einer Vollzugshilfe, die die Berechnung der dem Verursacher in Rechnung zu stellenden Schäden auf nationaler Ebene vereinheitlichen und verschärfen soll. Bei dieser Methode werden nicht nur wie bisher der Verlust an Fischertrag und Besatzmassnahmen für fischereilich wichtige Arten berücksichtigt, sondern auch die ganze Vielfalt der Fisch- und Krebsarten sowie Massnahmen zur Wiederherstellung von Lebensräumen.» Auf die Resultate dieser Vollzugshilfe darf man also gespannt sein.
Tony B
Ich hoffe das dies endlich mal eine ordentliche sowie ökologische Lösung dafür entsteht. Angeln ist einfach die Entspannung die ich seit drei Wochen für mich entdeckt hab…