[Flossen |] Instrumente der Fische
20 | 09 | 2022 Praxis | DiversesText: Robin Melliger 06592
20 | 09 | 2022 Praxis | Diverses
Text: Robin Melliger 0 6592

Flossen | Instrumente der Fische

Mit ihren Flossen können Fische mehr, als man denkt. Sie dienen nicht nur zur Fortbewegung, sondern auch zur Abwehr von Feinden oder zur Kommunikation mit Artgenossen. In diesem Fischkundebericht geht «Petri-Heil» näher auf die spannende Thematik der Fisch­flossen ein und zeigt auf, wie vielseitig und unterschiedlich die Flossen der Fische eingesetzt werden. 


Flossen bestehen aus einer feinen, oft leicht durchsichtigen Hautschicht, den Hautfalten, auch Flossenhaut genannt. Dazu kommen die Flossenstrahlen, welche durch die Hautfalten miteinander verbunden sind und ein Flossengerüst darstellen. Bei Knochen­fischen sind diese Strahlen, wie die Bezeichnung bereits vermuten lässt, verknöchert. Die Knochenfische lassen sich in zwei Grossgruppen unterteilen: die sogenannten Strahlenflosser (Actinopterygii) und die Fleischflosser (Sarcopterygii­). Die meisten Fische gehören in die Gruppe der Strahlenflosser. Ein gutes Beispiel für die Fleischflosser sind die Haifische und Rochen. Knorpelfische verfügen über sogenannte Hornstrahlen. Diese bestehen aus einer dicht zusammengesetzten Hornmasse. 

Ein Grossteil der Fischarten verfügt über sieben Flossen. Die Länge und die Formen dieser Flossen variieren stark. Die europäischen Welse sind beispielsweise mit sehr langgezogenen und kräftigen Brustflossen ausgestattet, die bis zum Ansatz der Bauchflossen reichen. Unterteilt werden die Flossen in paarig und unpaarig (einzelne Flossen) und sind über den ganzen Körper verteilt. Die paarigen Flossen, welche sich an der Unterseite der Fische­ befinden, entsprechen den Extremitäten der landlebenden Wirbeltiere, sind jedoch nicht mit der Wirbel­säule verbunden. 

Paarige Flossen Unpaarige Flossen
Brustflosse (Pectorale) Rückenflosse (Dorsale)
Bauchflosse (Ventrale) Schwanzflosse (Caudale)
  Afterflosse (Anale)


Durch die Anpassung an den jeweiligen Lebensraum kann die aufgeführte Grundverteilung bei gewissen Fischen teilweise deutlich abweichen. Flossen können somit geteilt, miteinander verwachsen, stark in der Form verändert sein oder können sogar vollständig fehlen. 

 Die kleinen gelben Flossen, welche sich entlang der Schwanzwurzel befinden, können von den Thunfischen wie kleine Paddel gesteuert werden, um agile Richtungswechsel bei der Jagd zu vollziehen. © Robin Melliger

Die kleinen gelben Flossen, welche sich entlang der Schwanzwurzel befinden, können von den Thunfischen wie kleine Paddel gesteuert werden, um agile Richtungswechsel bei der Jagd zu vollziehen. © Robin Melliger


Fortbewegung

Die Agilität eines Fischs wird durch die Flossen bestimmt. Durch die Wasserverdrängung sind Fische in der Lage, durch eine schnelle Bewegung der Flossen ihre Schwimmrichtung rasch ändern zu können. In den Riffen ist dies von grosser Wichtigkeit, denn genaues Schwimmen entscheidet über Leben und Tod. Einige der Vertreter der Familie Makrelen und Thunfische verfügen über eine Reihe spezieller Flossen namens «Finlets», welche sich zwischen der 2. Rückenflosse und der Schwanzflosse sowie der Afterflosse und der Schwanzflosse befinden. Diese Flossen dienen dem schnellen Richtungswechsel, um zielgenau kleinen Beutefischen in grossen Schwärmen nachzujagen. Eine weitere Charakteristik des Thunfischs ist die speziell schmal ausfallende Brustflosse, welche er bei hohen Geschwindigkeiten in eine kleine Einbuchtung unter der Flosse wegklappen kann. So wird der Wasserwiderstand noch kleiner und die Geschwindigkeit noch höher.

Doch nicht nur zu Wasser tragen Flossen ihren Beitrag zur Fortbewegung bei. Die stark ausgeprägten paarigen Bauchflossen des Schlammspringers ermöglichen es dem Tier, sich problemlos an Land zu bewegen. Auf imposante Weise wird einem beim Anblick bewusst, wie vielseitig die Flossen eingesetzt werden können und wie unterschiedlich ihre Aufgaben sind. 

 Der Gaffelwels, welcher in Florida heimisch ist, verfügt über drei Giftdrüsen, die auf die beiden Brustflossen und die Rückenflosse verteilt sind. Die langen und spitzen Strahlen, welche in den Flossen versteckt sind, dringen problemlos  in  die Haut ein.  © Robin Melliger

Der Gaffelwels, welcher in Florida heimisch ist, verfügt über drei Giftdrüsen, die auf die beiden Brustflossen und die Rückenflosse verteilt sind. Die langen und spitzen Strahlen, welche in den Flossen versteckt sind, dringen problemlos in die Haut ein. © Robin Melliger


Weitere Funktionen der Flossen

Fische müssen dauern auf der Hut sein, denn überall lauern Gefahren. Um sich vor diesen Gefahren schützen zu können, besitzen einige Fische mit Stacheln ausgestattete Flossen, die sie bei Gefahr aufstellen können. Wenn beispielsweise ein Egli in einem Hechtmaul landet, so stellt es die Flossen auf, um zu verhindern, heruntergeschluckt zu werden. Bei einigen Meeresfischen sind die widerstandsfähigen Strahlen mit Giftdrüsen versehen, welche ohne Probleme die Fischhaut durchdringen können. Einige Arten, die über solche Giftstrahlen verfügen, sind die Skorpionfische, die hochgiftigen Stein­fische, die Kaninchenfische und die Petermännchen. Die Flossen des Feuerfischs bestehen fast ausschliesslich aus giftigen Drüsen. Beim genauen Hinschauen erkennt man kleine sägeförmige Widerhaken an den Stacheln, welche dazu führen, dass sich die Haken festbohren und im Fisch zurückbleiben. So kann das Gift vollständig austreten. Infolgedessen werden die giftigen Flossen bei diesen Fischen zur Verteidigung, aber auch als wichtiges Jagdinstrument eingesetzt. Damit Männchen bessere Karten bei den weiblichen Fischen haben, präsentieren Fische ihre prachtvollen und farbenfrohen Flossen. Ein gutes Beispiel hierfür stellt die Äsche dar. Bei den Männchen sind die überdimensionalen und bunten Rückenflossen sehr auffällig. Bei der Partnersuche wurde beobachtet, dass Männchen mit besonders schönen und grossen Flossen von den Weibchen bevorzugt wurden. Andererseits dienen die Flossen auch zu Kommunikationszwecken, gerade bei drohender Gefahr. Somit werden Fische in der Ferne bereits vorgewarnt. 

 Nicht giftig, aber trotzdem wehrhaft. Nimmt der Egli Gefahr wahr, stellt er als erstes seine Rückenflosse auf. © Kondor83 - stock.adobe.com

Nicht giftig, aber trotzdem wehrhaft. Nimmt der Egli Gefahr wahr, stellt er als erstes seine Rückenflosse auf. © Kondor83 - stock.adobe.com


Mysterium Fettflosse

Manche Arten (Welsartige, Salmler, Lachsartige) haben zusätzlich zwischen Rücken- und Schwanzflosse eine kleine abgerundete Flosse mit fleischiger Konsistenz, welche keine Flossenstrahlen aufweisen. Ihre deutsche wie auch ihre wissenschaftliche Bezeichnung ist Adipose, umgangssprachlich bekannt als Fettflosse. Dieser Name entstand durch die Annahme, es befände sich Fett in der Flosse. Bei Lachsen wurde in simulierten Bedingungen festgestellt, dass ein Entfernen der Fettflosse ihre Schwimmfähigkeit in keiner Weise beeinträchtigt. Daher wird sie nicht als Fortbewegungsmittel eingesetzt. Die Funktion der Fettflosse ist noch nicht abschliessend abgeklärt. Es wird angenommen, dass die Fettflosse etwas mit dem Hormonhaushalt der Fische zu tun hat und diesen reguliert. Die Fettflosse hebt sich meist farblich von den umliegenden Schuppen ab; bei Forellen aus natürlicher Herkunft finden sich oft Punkte auf der Flosse. So kann man natürliche von gezüchteten Forellen unterscheiden. 

 Die Fettflosse einer Regenbogenforelle dient dem Fisch zur Regulierung des Hormonhaushalts, so die Annahme  der Wissenschaftler. © Tino Strauss - wikimedia.org

Die Fettflosse einer Regenbogenforelle dient dem Fisch zur Regulierung des Hormonhaushalts, so die Annahme der Wissenschaftler. © Tino Strauss - wikimedia.org


Begehrtes Flossenfleisch

In asiatischen Kulturen werden den Flossen der Hai­fische seit jeher heilende Kräfte nachgesagt. Diese reichen von einer Potenzsteigerung der Männer bis hin zu der Stärkung des Nervensystems. Den Touristen werden die Haiflossen als delikate und seltene Spezialität teuer verkauft und meist in Suppenform aufgetischt. Die Fangmethoden dafür sind herzzerreissend. Die Tiere werden mittels Langleinen gefangen. Dabei werden an einer Hauptleine viele kurze Nebenleinen ausgelegt, die mit Fischfetzen an scharfen Widerhaken versehen sind. Langleinen können eine unglaubliche Länge von bis zu 130 Kilometer erreichen und mit ca. 20 000 Köderhaken bestückt sein. Die Haie werden nach dem Fang lebend von ihren Flossen getrennt und anschliessend zurück in das Meer geworfen. Dort sterben die Tiere qualvoll am Meeresgrund. Doch nicht nur die Flossen sind begehrt. Auch der Markt für Haifischfleisch ist in den vergangenen Jahren gewachsen, beispielsweise in Südamerika. Brasilien hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem der grössten Märkte für Haifischfleisch entwickelt. 

 Wegen seiner Flossen heiss begehrt: Dieser Hai hatte Glück, biss er bei mir an und nicht bei einem der vielen Langleinenhaken. Ansonsten würde er jetzt nicht mehr leben. © Robin Melliger

Wegen seiner Flossen heiss begehrt: Dieser Hai hatte Glück, biss er bei mir an und nicht bei einem der vielen Langleinenhaken. Ansonsten würde er jetzt nicht mehr leben. © Robin Melliger

Tierschutzorganisationen setzen sich gegen diese Fischerei­ ein und konnten bereits einige Erfolge verzeichnen. Viele ehemalige Fanggründe wurden zum Naturschutzgebiet erklärt. Vor Ort patrouillieren immer mehr Küstenwachen, welche diese Gebiete kontrollieren und bei Wider­handlung eingreifen.


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