20 | 09 | 2022 | Praxis | Diverses | 0 | 7105 |
20 | 09 | 2022 | Praxis | Diverses |
0 7105 |
Flossen | Instrumente der Fische
Mit ihren Flossen können Fische mehr, als man denkt. Sie dienen nicht nur zur Fortbewegung, sondern auch zur Abwehr von Feinden oder zur Kommunikation mit Artgenossen. In diesem Fischkundebericht geht «Petri-Heil» näher auf die spannende Thematik der Fischflossen ein und zeigt auf, wie vielseitig und unterschiedlich die Flossen der Fische eingesetzt werden.
Flossen bestehen aus einer feinen, oft leicht durchsichtigen Hautschicht, den Hautfalten, auch Flossenhaut genannt. Dazu kommen die Flossenstrahlen, welche durch die Hautfalten miteinander verbunden sind und ein Flossengerüst darstellen. Bei Knochenfischen sind diese Strahlen, wie die Bezeichnung bereits vermuten lässt, verknöchert. Die Knochenfische lassen sich in zwei Grossgruppen unterteilen: die sogenannten Strahlenflosser (Actinopterygii) und die Fleischflosser (Sarcopterygii). Die meisten Fische gehören in die Gruppe der Strahlenflosser. Ein gutes Beispiel für die Fleischflosser sind die Haifische und Rochen. Knorpelfische verfügen über sogenannte Hornstrahlen. Diese bestehen aus einer dicht zusammengesetzten Hornmasse.
Ein Grossteil der Fischarten verfügt über sieben Flossen. Die Länge und die Formen dieser Flossen variieren stark. Die europäischen Welse sind beispielsweise mit sehr langgezogenen und kräftigen Brustflossen ausgestattet, die bis zum Ansatz der Bauchflossen reichen. Unterteilt werden die Flossen in paarig und unpaarig (einzelne Flossen) und sind über den ganzen Körper verteilt. Die paarigen Flossen, welche sich an der Unterseite der Fische befinden, entsprechen den Extremitäten der landlebenden Wirbeltiere, sind jedoch nicht mit der Wirbelsäule verbunden.
Paarige Flossen | Unpaarige Flossen |
Brustflosse (Pectorale) | Rückenflosse (Dorsale) |
Bauchflosse (Ventrale) | Schwanzflosse (Caudale) |
Afterflosse (Anale) |
Durch die Anpassung an den jeweiligen Lebensraum kann die aufgeführte Grundverteilung bei gewissen Fischen teilweise deutlich abweichen. Flossen können somit geteilt, miteinander verwachsen, stark in der Form verändert sein oder können sogar vollständig fehlen.
Fortbewegung
Die Agilität eines Fischs wird durch die Flossen bestimmt. Durch die Wasserverdrängung sind Fische in der Lage, durch eine schnelle Bewegung der Flossen ihre Schwimmrichtung rasch ändern zu können. In den Riffen ist dies von grosser Wichtigkeit, denn genaues Schwimmen entscheidet über Leben und Tod. Einige der Vertreter der Familie Makrelen und Thunfische verfügen über eine Reihe spezieller Flossen namens «Finlets», welche sich zwischen der 2. Rückenflosse und der Schwanzflosse sowie der Afterflosse und der Schwanzflosse befinden. Diese Flossen dienen dem schnellen Richtungswechsel, um zielgenau kleinen Beutefischen in grossen Schwärmen nachzujagen. Eine weitere Charakteristik des Thunfischs ist die speziell schmal ausfallende Brustflosse, welche er bei hohen Geschwindigkeiten in eine kleine Einbuchtung unter der Flosse wegklappen kann. So wird der Wasserwiderstand noch kleiner und die Geschwindigkeit noch höher.
Doch nicht nur zu Wasser tragen Flossen ihren Beitrag zur Fortbewegung bei. Die stark ausgeprägten paarigen Bauchflossen des Schlammspringers ermöglichen es dem Tier, sich problemlos an Land zu bewegen. Auf imposante Weise wird einem beim Anblick bewusst, wie vielseitig die Flossen eingesetzt werden können und wie unterschiedlich ihre Aufgaben sind.
Weitere Funktionen der Flossen
Fische müssen dauern auf der Hut sein, denn überall lauern Gefahren. Um sich vor diesen Gefahren schützen zu können, besitzen einige Fische mit Stacheln ausgestattete Flossen, die sie bei Gefahr aufstellen können. Wenn beispielsweise ein Egli in einem Hechtmaul landet, so stellt es die Flossen auf, um zu verhindern, heruntergeschluckt zu werden. Bei einigen Meeresfischen sind die widerstandsfähigen Strahlen mit Giftdrüsen versehen, welche ohne Probleme die Fischhaut durchdringen können. Einige Arten, die über solche Giftstrahlen verfügen, sind die Skorpionfische, die hochgiftigen Steinfische, die Kaninchenfische und die Petermännchen. Die Flossen des Feuerfischs bestehen fast ausschliesslich aus giftigen Drüsen. Beim genauen Hinschauen erkennt man kleine sägeförmige Widerhaken an den Stacheln, welche dazu führen, dass sich die Haken festbohren und im Fisch zurückbleiben. So kann das Gift vollständig austreten. Infolgedessen werden die giftigen Flossen bei diesen Fischen zur Verteidigung, aber auch als wichtiges Jagdinstrument eingesetzt. Damit Männchen bessere Karten bei den weiblichen Fischen haben, präsentieren Fische ihre prachtvollen und farbenfrohen Flossen. Ein gutes Beispiel hierfür stellt die Äsche dar. Bei den Männchen sind die überdimensionalen und bunten Rückenflossen sehr auffällig. Bei der Partnersuche wurde beobachtet, dass Männchen mit besonders schönen und grossen Flossen von den Weibchen bevorzugt wurden. Andererseits dienen die Flossen auch zu Kommunikationszwecken, gerade bei drohender Gefahr. Somit werden Fische in der Ferne bereits vorgewarnt.
Mysterium Fettflosse
Manche Arten (Welsartige, Salmler, Lachsartige) haben zusätzlich zwischen Rücken- und Schwanzflosse eine kleine abgerundete Flosse mit fleischiger Konsistenz, welche keine Flossenstrahlen aufweisen. Ihre deutsche wie auch ihre wissenschaftliche Bezeichnung ist Adipose, umgangssprachlich bekannt als Fettflosse. Dieser Name entstand durch die Annahme, es befände sich Fett in der Flosse. Bei Lachsen wurde in simulierten Bedingungen festgestellt, dass ein Entfernen der Fettflosse ihre Schwimmfähigkeit in keiner Weise beeinträchtigt. Daher wird sie nicht als Fortbewegungsmittel eingesetzt. Die Funktion der Fettflosse ist noch nicht abschliessend abgeklärt. Es wird angenommen, dass die Fettflosse etwas mit dem Hormonhaushalt der Fische zu tun hat und diesen reguliert. Die Fettflosse hebt sich meist farblich von den umliegenden Schuppen ab; bei Forellen aus natürlicher Herkunft finden sich oft Punkte auf der Flosse. So kann man natürliche von gezüchteten Forellen unterscheiden.
Begehrtes Flossenfleisch
In asiatischen Kulturen werden den Flossen der Haifische seit jeher heilende Kräfte nachgesagt. Diese reichen von einer Potenzsteigerung der Männer bis hin zu der Stärkung des Nervensystems. Den Touristen werden die Haiflossen als delikate und seltene Spezialität teuer verkauft und meist in Suppenform aufgetischt. Die Fangmethoden dafür sind herzzerreissend. Die Tiere werden mittels Langleinen gefangen. Dabei werden an einer Hauptleine viele kurze Nebenleinen ausgelegt, die mit Fischfetzen an scharfen Widerhaken versehen sind. Langleinen können eine unglaubliche Länge von bis zu 130 Kilometer erreichen und mit ca. 20 000 Köderhaken bestückt sein. Die Haie werden nach dem Fang lebend von ihren Flossen getrennt und anschliessend zurück in das Meer geworfen. Dort sterben die Tiere qualvoll am Meeresgrund. Doch nicht nur die Flossen sind begehrt. Auch der Markt für Haifischfleisch ist in den vergangenen Jahren gewachsen, beispielsweise in Südamerika. Brasilien hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem der grössten Märkte für Haifischfleisch entwickelt.
Tierschutzorganisationen setzen sich gegen diese Fischerei ein und konnten bereits einige Erfolge verzeichnen. Viele ehemalige Fanggründe wurden zum Naturschutzgebiet erklärt. Vor Ort patrouillieren immer mehr Küstenwachen, welche diese Gebiete kontrollieren und bei Widerhandlung eingreifen.
Weitere Fischkunde Artikel von Robin Melliger:
> Auge in Auge mit den Fischen
> Das Geruchs- und Geschmacksorgan der Fische
> Das Seitenlinienorgan der Fische
0 Kommentare
Keine Kommentare (Kommentare erscheinen erst nach unserer Freigabe)