24 | 04 | 2020 | Schweiz | 1 | 6691 |
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Fischen – zu Hause?
«Bleiben Sie zuhause» kann man zur Zeit überall lesen. Doch zu Hause fischen ist für die wenigsten von uns eine Option. «Petri-Heil» erklärt, wo und unter welchen Umständen auch in solch schwierigen Zeiten gefischt werden kann.
Das Leben unter Wasser ist während dieser wärmenden Sonnentagen voll erwacht. Zuckmücken-, Eintags- und Köcherfliegenlarven sowie Flohkrebse usw. krabbeln am Gewässergrund herum, Kleinfischschwärme verlassen ihren Winterstandort und werden angelockt – das alles bleibt den Raubfischen nicht verborgen: Sie werden ebenfalls munter und beginnen mit dem Aufholen ihres Ernährungsdefizits. Es ist Frühling, die Jahreszeit, in der es normalerweise die Fischer unwiderstehlich ans Wasser zieht.
Wir alle kennen indessen die bundesrätliche Aufforderung in der Zeit der Corona-Pandemie: «Bleibt zu Hause!» Zudem sollen wir, falls wir doch unter die Leute müssen, beim Einkaufen etwa, einen Mindestabstand von zwei Metern zum nächsten Menschen einhalten («Social-Distancing»), um uns und die andern vor Ansteckung zu schützen. Wie gehen wir als Fischer mit diesen beiden Vorgaben um?
Die Einhaltung des Mindestabstands dürfte uns keine Probleme bereiten, wenn wir nicht gerade an einen beliebten Hotspot gehen, den 50 andere Fischer auch kennen und frequentieren. Suchen doch die meisten von uns am liebsten solche Stellen am Gewässer auf, wo wir alleine sind und ungestört unsere neusten Köder ausprobieren können. Allenfalls noch in Begleitung eines Fischerfreunds in gebührendem Abstand; der wird aber schon aus wurftechnischen Gründen deutlich mehr als zwei Meter betragen! Im April mussten allerdings einige traditionell stark frequentierte Stege behördlich geschlossen werden, weil die Fischer die Abstandsregelungen weder einhalten konnten noch wollten. Bei der Bootsfischerei ist das Abstandhalten schon etwas schwieriger, der Besitzer eines kleineren Boots sollte jetzt nicht unbedingt noch drei Passagiere einladen, aber zwei Personen kommen sich kaum in die Quere, wenn beide konsequent an die Abstandsregel denken.
Die Aufforderung zu Hause zu bleiben bereitet uns dagegen echt Bauchweh. Soll ich im Gartenteich fischen? Wurftraining auf der Wiese hinter dem Haus machen? Oder mit den Kindern auf dem Stubenboden ein Angelspiel improvisieren? Alles Ersatzlösungen. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Echtes Fischen findet draussen in der Natur am Wasser statt. Und da müssen wir hingehen, wenn wir fischen wollen.
Was tun in diesem Dilemma?
Die bei Schweizern beliebten Fischertrips ins grenznahe Ausland an die Forellenflüsse im Tirol, Schwarzwald oder Trentino fallen definitiv weg, Grenzübertritte nach Österreich, Deutschland und Italien sind momentan für Fischer nicht möglich.
Heikel ist es in diesen Tagen auch, von Zürich, Basel oder Genf und Umgebung aus ins Berner Oberland, Freiburgische, Glarnerland oder in den Jura zu fahren, um zu fischen, geschweige denn ins Tessin. Dies nicht etwa, weil solche Reisen per Gesetz gänzlich verboten wären, sondern weil sich auf Grund der Aufforderung des Bundesrats, zu Hause zu bleiben, eine neue soziale Dynamik ergeben hat. Der Fischer mit dem Nummernschild aus dem Unterland begegnet unter Umständen gehässigen Blicken von Einheimischen, ist eventuell gar Anfeindungen ausgesetzt. Und wer hat bei der Ausübung seines geliebten Hobbys schon Bock auf Feindseligkeiten? Kommt dazu, dass wir uns der einheimischen Bevölkerung, die sich mit der Mobilität zurückhält, solidarisch zeigen und ihren Goodwill nicht unnötig strapazieren sollten. Auch sollten wir den Patentkantonen keinen Grund liefern, die Kartenvergabe an Ausserkantonale generell zu sperren.
Besser zu Hause bleiben?
«Petri-Heil» stellte diese Frage Vertretern der Fischerei der beiden Patentkantone Tessin und Graubünden.
Danilo Foresti, Fischereibiologe vom Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Tessin schilderte uns die prekäre Lage im besonders gebeutelten Tessin. So haben die Berufsfischer zum Beispiel keine Absatzmöglichkeiten, da alle Läden und Restaurants geschlossen sind. Er wies darauf hin, dass von den Fischern der Nordschweiz, die gerne im Tessin fischen, erwartet werde, dass auch sie für die besondere Situation Verständnis zeigen und auf unnötige Reisen ins Tessin verzichten. Fischen sei zwar grundsätzlich nicht verboten, es würden keine Bussen verteilt, aber man erwarte Rücksichtnahme und eine gewisse Opferbereitschaft. Touristenfischer würden bei Unfällen oder Krankheit die strapazierte medizinische Infrastruktur zusätzlich belasten. Im Moment seien die Ausgabestellen für Touristenpatente ohnehin geschlossen. Auch der im Frühling übliche Besatz der Gewässer durch Fische aus den kantonalen Aufzuchtanlagen sei verschoben.
Im Kanton Graubünden beginnt am 1. Mai die Hauptfischereisaison. Radi Hofstetter, Präsident des Kantonalen Fischereiverbands Graubünden, sieht einen Lichtstreifen am Corona-Horizont. Der befürchtete Ansturm auf die Gesundheitsversorgung konnte im Kanton Graubünden dank der weitgehenden Befolgung der Anordnungen des Bundesrats abgewendet werden, die meisten Bündner-Fans aus dem Unterland sind über Ostern zu Hause geblieben. Ja, unterdessen musste in einigen Spitälern gar Kurzarbeit eingeführt werden, da auch die Knochenbrüche der Skisportler ausblieben. Radi Hofstetter hofft, dass bis zum 1. Mai bereits erste Lockerungen der Corona-Verordnungen in Kraft treten. Zwar werden die Restaurants und Hotels noch geschlossen sein, aber er hat nichts gegen Tagesausflüge von Fischern aus dem Unterland, wenn sie sich vernünftig verhalten und die Abstandsregel befolgen. Auch dass die Einheimischen den Fischern aus dem Unterland mit zusätzlichen Ressentiments begegnen, befürchtet er nicht. Diejenigen, die die Unterländer nicht mögen, seien schon immer so gewesen.
Petri-Heil empfiehlt Euch, lieben Fischerinnen und Fischern, trotz des Lichtblicks noch etwas Geduld zu haben und mit Fischertrips in andere Kantone, die noch stark unter der Krise leiden, zurückhaltend zu sein. Die Situation kann bald bessern. Und dann haben wir nicht unnötig «Geschirr zerschlagen» und sind als auswärtige Fischer an den Gewässern der anderen Kantone wieder willkommen. Bleiben wir doch jetzt noch einige Zeit in unserer Nähe und nutzen diese schwierige Zeit mal für einen Spaziergang an unser Haus- oder Vereinsgewässer. Auch Alet und Schwalen spüren den Frühling, warum nicht mal den Ruchfischen in den nahe gelegenen Gewässern nachstellen und im Erfolgsfall zu Hause ein Ruchfischrezept ausprobieren? Petri Heil!
Nicht-Fischen in Zeiten von Corona
In Zeiten von Corona ist der eine oder andere Fischer dazu gezwungen, seine Fischerträume mehr im Keller als am Wasser auszuleben. Andere könnten zwar fischen gehen, möchten aber kein unnötiges Risiko eingehen. «Petri-Heil»-Redaktor Robin Hrovatic gibt Tipps, wie Du die Zeit, die Du gerade nicht mit Fischen verbringst, am besten nutzen kannst:
1 | Lesen
Schnapp Dir vergangene Ausgaben von «Petri-Heil» und lass Dich von Artikeln inspirieren, die Du beim ersten Lesen vielleicht verpasst hast. Krame auch die ganz alten Exemplare hervor. Sie sind nicht nur lehrreich, was Deine Fischerkompetenzen anbelangt, sondern auch spannende Zeugnisse ihrer Zeit.
2 | Vorfächer binden
Binde für Deine Lieblingstechniken zahlreiche Vorfächer vor und verstaue sie in handlichen Kleinboxen. Wenn es dann wieder los geht, bist Du froh um jede Minute, die Du jetzt wieder mit Fischen statt Binden verbringen kannst. Das gilt natürlich auch für Deine Lieblingshegenen, die Fliegen oder den Bindestock, den Du Dir endlich mal zulegen könntest.
3 | Aufräumen
Räume wieder mal Deinen Fischerladen in der Garage auf. Wir haben zwar in der Ausgabe 1 dieses Jahres schon im Artikel «Ordnung ist das halbe Fischen» darauf hingewiesen, aber wahrscheinlich hast Du die guten Ratschläge geflissentlich ignoriert. Diesmal gibt es keine Ausreden.
4 | Nachschärfen
Überprüfe die Haken, die Du in der «Zeit danach» verwenden möchtest und schleife sie, wenn nötig, mit dem Schleifstein nach. Dasselbe gilt für Dein Sack- beziehungsweise Filetiermesser.
5 | Gewässer-Studium
Studiere die Unterwasserkarten von www.navionics.com im Sonar-Modus und checke dabei die Stellen ab, die Du in Deinem Hausgewässer oder bei der nächsten Fischerreise als erstes anpeilst. Suche dabei nach interessanten Strukturen, wie Abbruchkanten oder Unterwasserbergen. Sie bringen häufig mehr Bisse.
6 | Neue Filme
Suche auf YouTube nach Fischer-Filmen, die ausserhalb Deiner gewohnten Informationsblase sind. Gib z. B. mal «Thai Fishing» ein oder «Argentina Fishing» und stosse auf den magischen «Giant Snakehead» oder den mächtigen und glänzenden «Golden Dorado». Der Film muss auch nicht unbedingt in einer Sprache sein, die Du sprichst. Fischer haben global gesehen in etwa dieselben Träume und der grösste Teil des Inhalts der Filme erschliesst sich Dir auch ohne Kenntnis der Sprache. Abgesehen davon, dass es sehr erheiternd sein kann.
7 | Gönn Dir was
Momentan sparst Du ziemlich Geld, weil Dir der Gang ins Restaurant, die Bar, das Konzert, das Theater, das Kino u. Ä. m. verwehrt bleibt. Da bleibt etwas mehr für die eine Rute übrig, die Du vielleicht noch nicht hast, von der Du aber schon lange geträumt hast. Auch wenn es die x-te ist.
8 | Nochmals lesen
Bestelle und lies ein gutes Fischerbuch. «Petri-Heil» liefert Dir zwar zuverlässig alles Relevante, das Du zum Fischen in der Schweiz wissen musst. Aber wenn man mal ein Thema vertiefter ergründen möchte, muss es eben ein Buch sein. Z. B. eines aus unseren zahlreichen Buchtipps.
Cyprinus Carpio
Am Moossee bei Bern ist jeder willkommen!
Morgen am 1.Mai gehts los!