EFTTA [| Im Auftrag der Hobbyfischer]
08 | 05 | 2023 DiversesInterview: Nils Anderson | Fotos: Olivier Portrat 04264
08 | 05 | 2023 Diverses
Interview: Nils Anderson | Fotos: Olivier Portrat 0 4264

EFTTA | Im Auftrag der Hobbyfischer

Die European Fishing Tackle Trade Association (EFTTA) vertritt als Non-Profit-Verband die Anliegen der europäischen Sport-Fischerei gegenüber der EU. Wir haben mit dem Vorsitzenden Olivier Portrat gesprochen.


Olivier Portrat dürfte den meisten älteren «Petri-Heil»-Lesern noch bekannt sein; jahrelang hat er für den Verlag Artikel aus aller Welt geschrieben. Nun hat sich der leidenschaftliche und weitgewanderte Fischer einer neuen Aufgabe gewidmet. Als CEO der EFTTA geht der vielsprachige Olivier Portrat in Brüssel ein und aus und vertritt damit die Interessen der europäischen Hobbyfischerei und Angelindustrie gegenüber der EU. 

«Petri-Heil»: In Fischerkreisen wird immer mal wieder gewarnt vor Bestrebungen, die im Gange seien, um die Fischerei zu verbieten. Siehst Du eine solche Gefahr?

Olivier Portrat: Das Schöne ist: Ich habe in Brüssel noch niemanden getroffen, der das Angeln direkt verbieten will! Und wir können uns ja wehren, da wir als Verband organisiert sind und somit Zugang zu den Entscheidungsträgern finden. 

Bei der EU findet jeder Gehör, der als Verein oder Verband organisiert ist. Mitunter deshalb bin ich ein Fan der EU. Natürlich geht alles etwas langsamer und es sind ja immer Kompromisse nötig und es hat unbestrittener­mas­sen noch Luft nach oben. Aber man muss bedenken: Allein um die Stadt Paris zu verwalten, sind doppelt so viele Beamte angestellt wie für die Verwaltung der gesamten EU. Doch die Gefahren für die Hobbyfischerei sind trotzdem da, wobei es aber nicht darum geht, das Angeln zu verbieten, sondern es nachhaltig zu gestalten (Vermeidung riskanter Substanzen, z. B. Blei, Plastikmüll, Ausscheidung neuer Schutzgebiete usw.).

Ja, wo sind denn die Gefahren?

Die Gefahren sind vor allem ökologisch und nur bedingt politisch. Die prekäre Lage unserer Ökosysteme betrifft ja uns Fischer ganz direkt, so das Insektensterben oder der bedauerliche Zustand unserer Meere oder die verbauten Flüsse. Um aber ein politisches Beispiel zu nennen: Im Kampf gegen das Problem der Plastikverschmutzung tauchte nebst Trinkhalmen, Wattestäbchen und Ähnlichem auch Angelschnur auf der Liste der zu verbietenden Produkte auf. Das konnten wir zum Glück verhindern, indem wir klar machen konnten, dass wir hierzu schlicht keine Alternative haben und mit einem Verbot auch grosse volkswirtschaftliche Schäden verbunden wären, schliesslich kann man ohne Schnur nicht fischen. 

Gibt es noch weitere Beispiele?

Die EU ist gerade bestrebt, eines der grössten Schutzprogramme aufzugleisen. 30 Prozent aller Wasserflächen sollen geschützt werden. 10 Prozent sollen als ganz strenge Schutzgebiete ausgewiesen werden, wo niemand, also auch keine Stand-up-Paddler, Segelbootsfahrer oder andere Freizeitaktivisten etwas verloren haben. Die anderen 20 Prozent sollen allein von der kommerziellen, nicht aber von einer freizeitlichen Nutzung geschont werden. Denn aus einer naturschützerischen Perspektive ist der Hobbyfischer einem Spaziergänger, Velofahrer oder Segelbootskapitän weitgehend gleichzusetzen und nicht etwa den Kraftwerksbetreibern oder Berufsfischern. Von dieser Lösung würden wohl alle am besten profitieren, selbst die Berufsfischer! Wir bei der EFTTA – zusammen mit unseren Kollegen von der EAA – kämpfen seit Jahren dafür, dass uns Anglern der Zugang zu diesen 20 % der Schutzzonen nicht verwehrt wird. 

Wie sieht es mit Blei, Weichmachern, galvanisierten Haken usw. aus?

Ich versuche stets, unseren Mitgliedern aus der Angel­industrie «grünere» Lösungen ans Herz zu legen, auch wenn das nicht überall auf Begeisterung stösst. Denn zu ganz vielem gibt es ja bereits umweltverträglichere Alternativen. Es ist gut, zu zeigen, dass wir nicht warten, bis uns Gesetze zum «Grünwerden» zwingen, sondern dass wir dieses Thema von selbst angehen. 


Apropos Angelindustrie. Ist es schwierig, diese zur Mitarbeit zu motivieren?

Es ist zumindest nicht selbstverständlich. Man muss ihnen bewusst machen, dass Lobbying einfach dazugehört. Wer viel Angelgerät verkaufen will, muss an gesunden Lebensräumen und nachhaltig genutzten Fischbeständen interessiert sein und heutzutage auch bereit sein, zumindest ein wenig in deren Erhalt zu investieren. Ich bin glücklich, mit dem Chef von Pure Fishing die grösste Firma mit im Boot zu haben, das gibt eine gute Signalwirkung.

Und nebst dem Lobbying geht es eben auch ums Image. Und zwar nicht nur das gegen innen, also für die Fischer, sondern eben auch das gegen aussen. Da hat es noch viel Spielraum, dabei spricht ja so vieles für die Angel­fischerei. 

Was sind denn die stärksten Argumente, welche für die Hobbyfischerei sprechen?

Jeder mit der Angel gefangene Fisch ist volkswirtschaftlich – und kulinarisch! – ein Vielfaches von demselben Fisch wert, der von der Berufsfischerei getötet wird, dies gilt ganz besonders für die Meeresfischerei. Wir Angler können selektiv entnehmen, wobei wir keine Habitate zerstören. Unseren Beifang können wir in aller Regel unversehrt zurücksetzen. Ein abgerissener Köder ist zwar auch bedauerlich, aber ein Geisternetz ist vom Schadenspotenzial her ein ganz anderes Kaliber. Die Gewässer­böden werden von uns nicht durch Schleppnetze zertrümmert oder durch andere äusserst schädliche Fangtechniken in Mitleidenschaft gezogen. Auch sind wir gar nicht in der Lage, ganze Bestände zu zerstören – die Berufsfischerei dagegen hat das schon in vielen Weltmeeren hinbekommen. 

Jetzt mag man sagen, dass es unmöglich ist, auf die Berufsfischerei zu verzichten – was aber nicht stimmt: Florida hat schon lange die Berufsfischerei mit Netzen und anderen schädlichen Techniken verboten! Und es ist der fischreichste Bundesstaat der USA geworden. Trotzdem müssen die Einheimischen nicht auf Fisch verzichten, denn die Angler dürfen unter bestimmten, kontrollierten Umständen Fisch verkaufen. Zwar haben­ zunächst die Berufsfischer laut aufgeschrien, mittlerweile ist aber der Mehrwert der Fischbestände Floridas gestiegen: Die ehemaligen Berufsfischer verdienen heute besseres Geld über Boots- und Unterkunftsvermietungen an Angler oder als Guides. Alle haben in Florida von den getroffenen Massnahmen profitiert – ganz besonders die Natur.

Und weiter?

Im Gegensatz zum Jäger sind wir nach erfolgreichem Fang so frei, die von uns erbeutete Kreatur am Leben zu lassen und sie wieder zurückzusetzen! Entsprechend würde ich den deutschen und den schweizerischen Weg verwerfen, der die Angler nahezu dazu verpflichtet, die gefangenen Fische zu töten. 


Verfängt das Argument in Brüssel, dass mit der Angelfischerei ja nachweislich der beste und schonendste Output aus der Ressource Fisch geholt wird?

Soweit sind wir leider noch nicht. Die Lobby der kommerziellen Fischerei inklusive Zuchtbetrieben ist um ein Vielfaches grösser und mächtiger als wir. Aber wir geben unser Bestes!

Vielen Dank fürs Gespräch!

 

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