06 | 06 | 2016 | Reisen | 0 | 6077 |
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Das Gute liegt so nah
Gleich hinter der Schweiz-Österreichischen Grenze liegt ein tolles Fliegenfischer-Revier: der Bregenzerwald. 60 meist naturnahe Flusskilometer und Forelle satt. Für uns Schweizer ein lohnendes Ausflugsziel. Warum also in die Ferne schweifen?
Die letzten Tage hat es geregnet, daher erwarten wir das Schlimmste, während wir die Grenze bei Dornbirn passieren. «Sicher haben wir eine braune Suppe, sehen nichts, und müssen am Ende noch mit dem Wurm fischen!», motzt Hansjörg Dietiker, «Petri-Heil»-Herausgeber. Das mag ich an ihm ganz besonders: Seine sonnige Art und seine immer positive Einstellung!
Kalt ist es, gefühlte paar Grad über null, letzte Nacht hatte es noch bis tief runter geschneit. Der Bregenzerwald präsentiert sich uns trüb und nebelverhangen, teilweise sogar leicht eingepudert. «Wenigstens regnet es nicht mehr», denke ich mir, «wird sicher gut!»
Ist das Wasser der Flüsse anfangs tatsächlich noch trüb und braun, wird es, je höher wir hinaufkommen, immer klarer. So, als hätte es überhaupt nicht geregnet.
«Servus und herzlich willkommen im Bregenzerwald!»
Bevor es los geht mit dem Fischen zeigt uns der lokale Fliegenfischer-Guide Claus Elmenreich die Reviere, die rund 60 Kilometer Fliessgewässer, die man befischen kann. Eindrücklich!
Schöne Bachläufe hüben wie drüben, vielfach naturnah, wie man es leider nur noch selten findet – und wie man es wohl auch nicht erwartet hätte, so nah an der Grenze. Obwohl viele Menschen die Gewässer für ihre Freizeit nutzen, sind sie bemerkenswert sauber, ich sehe kaum Abfall und auch fast keine Glasscherben. «Die Fischereivereine führen hier jedes Jahr Flurreinigungen durch», erklärt mir Claus, um gleich anzuhängen «es ist aber sicher auch ein gewisses Naturbewusstsein der Bevölkerung da.» Schön.
Naturverlaichung
In den Oberläufen der Gewässer des Bregenzerwaldes gibt es keinen Fischbesatz. Claus Elmenreich: «Jeder Fisch, der hier gefangen wird, ist ein Wildtier durch und durch. Manchmal sind die Forellen etwas zickiger als anderswo, legen durchaus auch Beisspausen ein. Aber dafür sind es echte Naturburschen, die noch nie einen Zuchtbetrieb von innen gesehen haben und perfekt angepasst sind ans Leben hier im Fluss.»
In Österreich gilt der Fischbesatz vielerorts als verpönt. Dies sicher auch, weil früher meist standortfremde Fische eingesetzt wurden.
Nach dem Zmittag: Ab ans Wasser!
Wir haben das Revier des FV Bregenzerwald kennengelernt, die verschiedenen Streckenabschnitte (insgesamt fünf Pachtstrecken) besichtigt und nun brennt uns das Verlangen, in die Wathosen zu springen und endlich die ersten Würfe zu machen. Zuerst aber knurrt noch der Magen, was schleunigst behoben werden muss.
Im «Hirschen» zu Schwarzenberg, einem der vielen regionalen Restaurants, werden wir freundlich empfangen und ebenso bedient. «Den Vorarlbergern liegt gutes Essen am Herzen», wird uns erklärt. Die Käsespätzle schmecken uns denn auch vorzüglich. So gestärkt kanns heute Nachmittag ja nur noch gut gehen!
Die Forellen steigen
Für die ersten Würfe haben wir uns eine etwas ruhigere Strecke an der Bregenzerach ausgesucht. Schnell haben wir uns in die Wathosen gezwängt, die Gilets angezogen und unsere Ruten zusammengesteckt. Nur keine Zeit verlieren – das Wasser ruft!
Zwei gefühlte Ewigkeiten später, nach dem Passieren einer steilen und rutschigen Böschung, stehen wir mit beiden Beinen im Wasser. Ach, tut das gut!
Wie weggeblasen der Alltag, die Hektik, das Drumherum. Jetzt sind wir hier, am Fluss. Wollen Forellen fangen, die Natur geniessen.
Die Fliegenschnüre schnellen durch die Luft, wir fischen Pool für Pool systematisch ab, während wir vorwärts waten. Unsere Tungstenkopf-Nymphen scheinen den Farios jedoch nicht zuzusagen.
Da! Auf ein Mal beginnen die Forellen zu steigen. Immer wieder ein «Platsch» und dazu ein paar Wasserspritzer. Wir schicken die nassen Nymphen vorerst in den Ruhestand und montieren die kleine Trockenfliege «Light Cahill», die uns Claus Elmenreich heute Vormittag wärmstens empfohlen hat.
Der erste Biss
Schon bei Hansjörgs zweitem Wurf verschwindet seine Trockenfliege in einem Wasserschwall. Er hebt die Rute blitzschnell, die Forelle ist gehakt. Was für ein Moment! Es ist keine Kapitale, das sehen wir gleich. Wohl aber kämpft sie, schüttelt wild ihren Kopf, während es in Richtung Ufer geht. Oh nein, was ist das? Die Schnur ist schlaff, kein Zug mehr – die Kleine hat sich befreien können.
Im Verlauf des Nachmittags können wir keine Bisse mehr verbuchen. Das macht uns aber nicht wirklich etwas aus; zu schön ist es hier mitten im Rauschen der Bregenzerach, um sich über fehlende Bisse zu beklagen. Die steigenden Insekten, das Flüstern der Eschen in der Böschung, meine grellgrüne Wurfschnur in der Luft; es hat beinahe etwas Meditatives, hier bis zur Hüfte im Wasser stehend zu fischen.
Morchel auf dem Heimweg
Als das Licht weniger wird, beschliessen wir, in Richtung Hotel aufzubrechen. Wieder gilt es, die steile Böschung zu erklimmen. Der feuchte Untergrund gibt unter unseren Watschuhen willig nach – was es uns sicher nicht einfacher macht, hochzukommen. Hansjörg macht aus der Not eine Tugend und findet beim «Aufstieg» gleich noch eine Morchel. «Die machen wir dann mit der Forelle, die wir morgen fangen», witzelt er. Noch ahnt er nicht, wie Recht er damit haben wird…
Tag zwei im Bregenzerwald
Nach einem guten und üppigen Nachtessen und einem ebensolchen Zmorge im gastfreundlichen Hotel «Post» in Bezau machen wir uns am nächsten Morgen gut gelaunt – obwohl wir den anmächeligen Wellnessbereich nicht nutzen konnten – und voll motiviert mit Claus Elmenreich auf den Weg. Wir parkieren das eine Auto am Ziel, mit dem anderen fahren wir an den Ausgangspunkt.
Dieser Abschnitt ist ein wenig «wilder» als der, den wir gestern befischt haben. Zuerst beginnen wir wiederum mit der Nymphe, fischen die Pools wieder systematisch ab. Liegts daran, dass den Forellen unsere Köder nicht schmecken, oder haben wir die Bisse etwa verschlafen? Sind ja gar nicht so einfach zu erkennen, und wenn ein Schnapper «ins Leere» ging, sind die Edlen gewarnt…
Trockenfliege ist Trumpf
Als, wie von Claus prophezeit, die Forellen kurz vor Mittag zu steigen beginnen, montieren wir wieder um: Bissanzeiger weg, Nymphe zurück ins Döschen und die helle Trockenfliege ans Vorfach.
An einer schönen Stelle steigen zwei, drei Forellen schätzungsweise fünfzehn Meter vor uns. Zwar scheinen sie klein zu sein, dennoch fliegt mein federleichter Köder in diese Richtung. «Zack!» Ein Wasserschwall, meine Rute geht hoch, der Haken sitzt – Drill! Die Rute biegt sich bedrohlich, wieder schüttelt der Fisch seinen Kopf. Nach zwei Fluchten kann ich ihn feumern. Meine erste Bregenzerwald-Bachforelle ist grösser als erwartet: mehr als 37 Zentimeter misst sie!
Vier weitere Forellen und ebensoviele Morcheln
In den nächsten beiden Stunden fangen wir noch einmal vier Forellen, die jedoch alle wieder zurückgesetzt werden. Dann heissts leider auch schon wieder: Zurück zum Auto, wo Hansjörg bereits mit einer Überraschung auf uns wartet: Mit vier weiteren Morcheln, die er mal so auf die Schnelle gefunden hat. «Wie bereits gestern gesagt: Hier, für die Sauce zu deiner Forelle!»
Hm… darauf freue ich mich: Auf eine Naturforelle mit feinen, frischen Morcheln (das Rezept auf Seite 57). Und auf meinen nächsten Besuch im Bregenzerwald. Warum denn immer in die Ferne schweifen? Das Gute liegt schliesslich so nah!
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