[Bootsangeln –] Einfach mal treiben lassen
12 | 01 | 2023 PraxisText & Fotos: Bertus Rozemeijer 01838
12 | 01 | 2023 Praxis
Text & Fotos: Bertus Rozemeijer 0 1838

Bootsangeln – Einfach mal treiben lassen

Der niederländische Raubfisch-Experte Bertus Rozemeijer­ ist der Meinung, dass auch ein Minimum an Elektronik auf dem Boot ausreicht, um erfolgreich auf Hechte zu angeln. Er achtet vielmehr­ auf die äusseren Bedingungen und lässt sich einfach zum Hecht treiben.


Kann man einen Karpfen mit einer gekochten Kartoffel fangen? Ich glaube, dass die meisten Karpfenangler nicht wissen, dass das hervorragend funktioniert. Gleiches gilt für Hechtangler, die ihrer Beute vom Boot aus nachstellen. Kann man einen tollen Fangtag mit nur einem Minimum an Elektronik im Boot erleben? Auf jeden Fall! Probiere es doch mal aus, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Du dabei viel lernen und somit in Zukunft auch mehr fangen wirst.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich früher auf den Seen mit dem Ruderboot die Hechte suchte. Das einzige elektronische Gerät war ein Echolot, der sogenannte «Fish-Lo-K-Tor» von Low­rance, der auch gerne als «kleine grüne Box» bezeichnet wurde. Dieses kleine tragbare Sonargerät war damals sehr beliebt und wurde zwischen 1959 und 1984 über eine Million mal produziert. Nur ein einfacher Flasher markierte die Ober­fläche mit einem beständigen roten Licht. Ein schwebender Boden bestimmte die Tiefe und zwischen Oberfläche und Grund blinkte manchmal ein rotes Licht auf, das einen Fisch im Wasser zeigte. Das Teil war extrem teuer, aber ich war damit der «König des Sees». Dass ich mit dem Echolot fischte, wurde von vielen als äusserst unsportlich angesehen, weil ich damit angeblich jeden Zander oder Hecht fangen würde. Kurze Zeit später besassen dann viele andere Angler, die auch mit dem Ruderboot unterwegs waren, so ein Gerät. Heute weiss wohl jeder, dass es mehr braucht als ein Echolot, um die Räuber zu fangen.

 Der «Fish Lo-K-Tor» von Lowrance war Bertus’ erstes Echolot. Damals ein tolles Gerät, doch auch mit ihm sprangen die Hechte nicht automatisch ins Ruderboot.

Der «Fish Lo-K-Tor» von Lowrance war Bertus’ erstes Echolot. Damals ein tolles Gerät, doch auch mit ihm sprangen die Hechte nicht automatisch ins Ruderboot.


Einsatz des E-Motors

Meine nächste grössere Anschaffung war ein Elektromotor. Der Grund dafür war folgende Geschichte: Ich hatte zwei Gäste aus England im Boot. Zu dritt herrschte ein heilloses Durcheinander und ich ruderte mir den Rücken krumm. Mein Nachbar hatte aber damals schon einen Elektromotor, den ich mir für eine Woche ausleihen durfte. Der Motor wog ungefähr 15 kg und seine Leistung reichte aus, um beim Rudern gegen den Wind gleichmässig Schub zu erzeugen. Der Einsatz des Elektromotors hat mich so sehr überzeugt, dass ich mir daraufhin selber einen anschaffte. Ich verwendete anfänglich eine alte Starterbatterie, die aber nach einer Stunde Gebrauch bereits wieder leer war. Vielleicht ist das der Grund, warum ich meine Trolling-Motoren nur minimal benutze und nicht pausenlos auf meinen Fischfinder starre. Ich lasse das Boot einfach vor dem Wind driften und nehme dabei mit dem Motor nur kleinere Korrekturen vor. So bleibt mir viel Zeit zum Angeln.

 Es ist besser, zwei kleinere Driftsäcke an Bord zu haben, als einen grossen. Herrscht wenig Wind, wie hier, reicht der kleine Sack aus, um eine optimale Drift zu erzeugen. Ein grosser Sack hingegen kann zu Stillstand führen.

Es ist besser, zwei kleinere Driftsäcke an Bord zu haben, als einen grossen. Herrscht wenig Wind, wie hier, reicht der kleine Sack aus, um eine optimale Drift zu erzeugen. Ein grosser Sack hingegen kann zu Stillstand führen.


Optimale Drift mit zwei Treibankern

Eine ungeplante Drift bringt höchstwahrscheinlich keine Fische. Man muss sie genau steuern. Dabei sind mir folgende Dinge wichtig: Zum einen der Wind, der aus der richtigen Richtung kommen muss. Bei uns in den Niederlanden gibt es glücklicherweise nur selten windstille Tage. Wind der Stärke 3 bis 4 auf der Beaufort-Skala ist ideal. Weniger als eine 2 ist hingegen zu wenig, sodass man permanent den Schleppmotor einsetzen muss, damit sich das Boot bewegt. Eine Windstärke von 5 und mehr kann auch für Probleme sorgen; und eine 7 ist lebensgefährlich. Allerdings hängt das auch von den Eigenschaften des Boots ab. Selbst wenn man auf dem Boot sicher ist, ist die Köderkontrolle bei rollenden Wellen katastrophal und es ist nicht mehr möglich, problemlos zu fischen.

Wir haben also ein wenig Wind und wollen uns treiben lassen. Dabei darf das Boot nicht zu schnell treiben. Wenn Du der Meinung bist, dass das Boot zu schnell treibt, verringerst Du die Driftgeschwindigkeit mit einem Treibanker. Ich mag eine Driftgeschwindigkeit um 1 km/h und habe immer 2 kleine Treib­anker statt einem grossen Modell im Boot. Der Grund dafür ist einfach: Ein grosser Sack bremst manchmal zu stark. Bei zwei Modellen kann ich bei wenig Wind nur einen auswerfen. Wird der Wind dann stärker, fliegt der zweite Sack hinterher. 

 Grössere Gummifische sind toll, um grössere Bereiche abzufischen. Sie erzeugen unheimlich viel Druck und locken Hechte aus weiter Entfernung an.

Grössere Gummifische sind toll, um grössere Bereiche abzufischen. Sie erzeugen unheimlich viel Druck und locken Hechte aus weiter Entfernung an.


Angle tief, aber nicht zu tief!

Auf dem Wasser achte ich darauf, dass ich die längst mögliche Drift über verschiedene Tiefen mache, vom Flachwasser bis hin zu acht Meter tiefen Zonen, je nach Jahreszeit. Die meisten meiner Gewässer sind allgemein recht tief. An ihnen gibt es viele Stellen, an denen ein tieferes Fischen über eine lange Drift möglich ist. Wenn ich von tiefem Wasser spreche, dann meine ich Tiefen bis acht Meter. Befischt man Wassertiefen über acht Meter, ist es nicht einfach, den Köder während der Drift so tief zu führen – oft läuft der Gummifisch dann unkontrolliert im Freiwasser. Natürlich kann man nun einen schweren Jigkopf verwenden, aber das grosse Blei behindert oft das natürliche Köderspiel. Je schwerer wir den Bleikopf wählen, desto unnatürlicher läuft unser Köder. Wenn man tiefer als sechs Meter angeln muss, sollte man eher ankern und werfen. 

Ein grosses Plus bei einer mittelmässig tiefen Drift bis acht Meter ist, dass jeder Fischer gleich zwei Ruten verwenden kann. Neben der aktiv geführten Rute habe ich oft eine «tote» Rute in einem Rutenhalter, die mit einem sich leicht bewegenden Gummiköder bestückt ist. Die Bewegung des Boots sowie die Geschwindigkeit der Drift reichen aus, den Köder attraktiv für den Hecht zu machen. Sei aber nicht überrascht, wenn Du auf diese Weise auch Zander fängst. 

Weiche Ruten sind bei dieser Angelei fehl am Platz. Man braucht eine knüppelharte Rute, damit sich der Räuber selber haken kann. Wenn Du magst, kannst Du auch einen toten Köderfisch anbieten, das ist in den meisten Fällen erfolgreich. Wir alle kennen das Problem mit Nachläufern. Die Räuber folgen unserem Köder, ohne ihn zu nehmen. Und das geschieht nicht nur im Flachwasser, sondern auch in Tiefen, wo wir das nicht mitbekommen. Ein Köfi an der toten Rute wird von diesen Nachläufern manchmal attackiert.

 Der tote Köfi am Fireball, ausgelegt als «tote» Rute: Topköder für Nachläufer!

Der tote Köfi am Fireball, ausgelegt als «tote» Rute: Topköder für Nachläufer!


Kleine Köder für die «tote» Rute

Meine «tote» Rute ist sehr einfach aufgebaut: Eine längere Rute von circa 2,80 m Länge, eine Multirolle oder Freilaufrolle, ein Zapfenstopper, ein Zapfen, ein langes Stahlvorfach mit einem Fireball-Jig von 20 g und einem Stinger sind alles, was man braucht. Vermeide zu grosse Köder, weil die es nur schwer machen, den Haken zu setzen. Ich fische mit Stinten, Sardinen oder Rotaugen von 15 cm Länge. Wenn Du mit einer Freilaufrolle angelst, sollte der Freilauf so eingestellt sein, dass die Schnur dem Druck der Driftgeschwindigkeit standhält, aber ein Hecht auch mit möglichst wenig Widerstand davonschwimmen kann. Wenn Du dann das Knattern der Rolle hörst, dürfen auch bei Dir die Alarmglocken läuten: Ein tiefer, unbemerkter Nachläuferhecht wird höchstwahrscheinlich auf unsere Feuerball-Präsentation getroffen sein. Dieser kann er oft nur schwer widerstehen. Ja, Du hast richtig bemerkt: Wir locken die Raubfische mehr oder weniger zu den Ködern, die wir hinter dem Boot anbieten. 

 Wer nicht nur geradeaus wirft in die sogenannte Andrift, sondern auch mal zu den Seiten, fischt mehr Fläche ab.

Wer nicht nur geradeaus wirft in die sogenannte Andrift, sondern auch mal zu den Seiten, fischt mehr Fläche ab.


Keine grossen Schnurbogen!

Der Köderfisch an der «toten» Rute läuft knapp über Grund. Damit wir keinen Hänger bekommen, müssen wir ab und zu einen Blick auf das Echolot werfen. Besteht die Gefahr, dass der Köder über den Grund schleift, müssen wir das Boot in tieferes Wasser steuern oder den toten Köderfisch einholen. Angeln wir mit dem Zapfen, müssen wir den Zapfenstopper verstellen. Ich bleibe gern in einer bestimmten Tiefe und mache die gleiche Drift in flacherem oder tieferem Wasser. Die Ruten stehen dabei in einem Rutenhalter ganz vorne und ganz hinten im Boot – aber nicht gerade, sondern etwas schräg. Die Köder treiben nun in einem 120-Grad-Winkel zum Boot. Wenn wir den Drift-Anker ausgeworfen haben, müssen wir darauf achten, dass sich unsere Montage nicht in ihm verfängt. 

Kommen wir nun zu unserer aktiven Rute mit dem Spinnköder, den wir immer wieder auswerfen und einholen. Hier gilt es, die Schnurstärke und den Schnurbogen zu beachten. Wenn Du auswirfst, scheint es so, als ob die Schnur in einer geraden Linie zum Köder verläuft. Das stimmt aber nicht. Unter Wasser verläuft die Schnur in einem Bogen. Je dicker die Schnur, desto ausgeprägter ist der Bogen. Man kann nun die Schnur feiner wählen, aber bitte fische nie mit einer zu dünnen Schnur, denn das könnte das Aus nach einem Biss bedeuten. Ich würde eine 0,15er-Geflochtene nicht unterschreiten. 

 Dieser tolle Hecht war die Belohnung für eine lange Drift.

Dieser tolle Hecht war die Belohnung für eine lange Drift.


Wirf den Köder auch seitlich aus

Auch sollte man eine 0,22er nicht überschreiten. Das ist das Maximum, das ich mit Ködern bis 20 cm auf Hecht einsetze – und bei den Tausenden von Hechten, die ich gefangen habe, ging nur eine Handvoll durch einen Schnurbruch verloren. Wenn Du Dich für eine extrem starke Schnur entscheidest, solltest Du wissen, dass der Schnurbogen bei einer Drift grösser wird und dadurch die Montage langsamer absinkt. Doch warum ist das so schlimm? Der grosse Schnur­bogen arbeitet wie ein Aufzug und lässt den Köder schnell aufsteigen, wenn man ihn wieder einkurbelt. Man müsste die Driftgeschwindigkeit noch weiter herabsenken, was in der Praxis jedoch nicht immer einfach umzusetzen ist.

Wenn man vom Boot geradeaus wirft, also in die Andrift, fischt man immer nur einen kleinen Bereich aus. Nehmen wir an, dass es sich hierbei um vier Meter handelt. Beim nächsten Wurf fischen wir nur die folgenden vier Meter ab, über die das Boot gerade getrieben ist. Das ist nicht gerade ergiebig. Deshalb werfe ich die Montage immer wieder seitwärts rechts und links vom Boot aus. So be­fische ich Bereiche, über die das Boot noch nicht gedriftet ist. Ich glaube, ich muss nicht erklären, dass man so viel eher einen Hecht an den Haken bekommt. Versuche es einfach mal auf diese Weise und Du wirst sehen, dass Technik an Bord zwar hilfreich sein kann, aber trotzdem nur einen geringen Teil des Angelspasses ausmacht.

 

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