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12 | 10 | 2018 | Diverses | 0 | 5281 |
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Hättest Du gedacht, dass eine Damen-Waschlotion über das Gelingen eines Fischertages entscheiden kann? Wie so oft nimmt das Schicksal schon einen Abend zuvor seinen Lauf. «Ich spring noch kurz unter die Dusche», meint Fischers Frau und drückt mir einen vielsagenden Kuss auf die Wange. «Machst du dich auch noch ein bisschen frisch? Schliesslich erwarten wir Gäste!»
«Ich bin frisch, mein Schatz», gebe ich zur Antwort – vor allem wenn ich endlich mal in Ruhe mein Bier öffnen könnte. Letzteres denke ich nur. Die Deutschen, welche Fischers Frau beim Beach-Volley kennengelernt hat, kommen zum Apéro. Das heisst aber noch lange nicht, dass ich mich extra herausputzen muss. Schliesslich campieren wir hier in der Natur, in einem duftenden Pinienwald am Atlantik. Da geht es auch ein bisschen verschwitzt. Und die Flecken von Wolfsbarschblut und Sepia-Schleim am Hosenbein werden wohl niemanden stören.
Der Abend mit den Volleyball-Deutschen ist nett – aber viel zu lang. Smalltalk, der sich nicht ums Fischen dreht, ermüdet mich extrem schnell. Endlich begleitet Fischers Frau die Gäste zu ihrem Wohnmobil. Und ich kann das tun, was ich schon den ganzen Abend im Kopf x-mal durchgespielt habe, um mich wach zu halten: Das Fischermaterial für den morgigen Tag richten. Als die Mädels vom Zähneputzen zurückkommen, berichten sie mir etwas von «Mamis Shampoo in der Dusche gesehen». Aber ich höre höchstens mit einem Viertelohr hin. «Erzählt das Mami, wenn sie wieder da ist», brummle ich.
Doch am nächsten Morgen zwingt mich die Realität gnadenlos, mit beiden Ohren hinzuhören. «Wieso habt ihr mir gestern nicht gesagt, dass meine Shampoos noch in der Dusche stehen», schreit Fischers Frau fassungslos, «wenn ihr schon bemerkt habt, dass ich sie vergessen habe!» und rennt mit stierem Blick in Richtung Sanitäranlagen. Eigentlich wollten wir gerade los, mein Sohn und ich, die Düne runter, das Aluboot über den Strand ins Wasser schieben, um draussen an den Austernbänken unsere Gummiköder auf Wolfsbarsch auszuwerfen.
Als Fischers Frau zurückkommt, sehe ich es ihr von weitem an: Ihre Beauty-Fläschchen haben über Nacht eine neue Besitzerin gefunden. «Schatz, das ist doch nicht so schlimm», versuche ich sie zu beruhigen, «wir kaufen das Zeugs heute Nachmittag wieder.» Falscher Satz, ganz falsch. «Das war kein Zeugs», keift sie mich an, «da war eine ganz besondere Waschlotion dabei. Die kriege ich nur im Spezialgeschäft!» Ich überlege fieberhaft, wie wir hier endlich wegkommen.
«Ok, wir wollten dann mal los …», sage ich wie beiläufig und versuche, meiner Stimme einen möglichst neutralen, beschwichtigenden Ton zu geben. «Was?!», zischt sie scharf zurück, «ihr geht schon wieder fischen? Davon wusste ich gar nichts!» Ihr Ton wird immer vorwurfsvoller, ja, richtig aggressiv. Wie wenn wir schuld daran wären, dass sie ihre Body-Produkte gestern in der Dusche hat stehen lassen. Jetzt wirds heikel, ich kenn das. An solchen Punkten entgleitet die Diskussion jeweils schnell auf eine grundsätzliche Beziehungsebene. Ja nicht einsteigen, warnt mich eine innere Stimme, auf keinen Fall. Aber auch das ist verkehrt. «Und jetzt sagst du nichts mehr, was?» fordert mich Fischers Frau zum ehelichen Zweikampf heraus. Ich bin kurz davor, die grösste Dummheit von mir zu geben, als im Nachbarswohnwagen die Tür aufgeht und die Kollegin verschlafen rausguckt. «Du suchst bestimmt das hier, oder?» fragt sie und winkt mit ein paar Fläschchen in der Hand, «ich war gestern noch spät duschen und hab deine Produkte erkannt.»
Es ist beeindruckend, wie schnell sich Fischers Frau jeweils wieder einklinkt. «Du bist ein Schatz!», frohlockt sie. Und an uns gewandt: «Petri Heil, meine Lieben!» Uff, das war knapp. Manchmal hängt ein Fischertag wirklich am seidenen Faden – oder eben: an einer Damen-Waschlotion.
Steff Aellig ist Psychologe und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. In seiner Kolumne schreibt er über die Abgründe seiner Angel-Sucht – und was ihn in seinem Alltag als Ehemann und dreifacher Familienvater alles daran hindert, diese Sucht auszuleben.
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