02 | 11 | 2018 | Schweiz | Diverses | 0 | 4762 |
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Swim Koeder, swim!
Miles Koeder bringt den Hecht in den öffentlichen Raum, und das an immer wieder neuen Orten – weltweit. Der Hecht ist Miles Koeders «Fisch des Lebens» im wortwörtlichen Sinn.
«Neuenburgersee, Cudrefin, grosser Hafen, Bootsrampe. Wir waren dort immer am Baden, noch im Vorkindergarten-Alter. Und da habe ich den ersten Hecht gesehen. Ein kaum zehn Zentimeter langes Hechtlein steht regungslos im Wasser, wie ein Stängel Schilf. Erst wenn man ganz nah hingeht, sieht man, wie sich die Flossen bewegen. Das ist meine erste Hechterinnerung.» Manchmal begleitet einen ein Fisch ein ganzes Leben lang. Bei Michael Glauser, der unter dem Künstlernamen Miles Koeder seit 2005 seine stilisierten Hechte in die ganze Welt schwimmen lässt, zieht sich der Hecht durch sein ganzes gestalterisches Schaffen, und dies schon seit früher Kindheit. Der mittlerweile 40-jährige Anwalt arbeitet auf dem Staatssekretariat für Migration in Zürich, wo er auch sein Atelier hat.
Kindheit am Bielersee
In Gals, einem zwischen Bieler- und Neuenburgersee gelegenen Bauerndorf, welches Ende der 1970er-Jahre 500 Einwohner zählte, ist Miles Koeder aufgewachsen, ohne Fernsehen und logischerweise auch ohne Internet. «Wir ‹Giele› halfen den Bauern oder gingen fischen oder in den Wald.»
Es war eine leidenschaftliche Fischerei. Man kam zuerst irgendwann günstig an ein Ruderboot, dann an einen
6-PS-Motor. Den durfte man zwar offiziell erst als 14-Jähriger fahren, aber wenn ein acht-, neunjähriger «Giel» den Motor bediente, interessierte das niemanden. So fing Miles mit seinem Bruder und den Nachbarskindern rasch an mit dem Schleppfischen auf den Hecht. Im Winter bauten sie Köder aus Balsaholz und feilten an der Schwimmtechnik und bemalten diese. Nebenbei konnte man auch gut in der Nacht fischen: Setzangeln auf Aal und auf Welse. Ihn interessierten alle Facetten der Fischerei; wenn der Berufsfischer anlegte, begutachtete Michael den Fang mit grosser Neugier und auch Fischerliteratur interessierte ihn brennend. Als er mit etwa elf Jahren das erste Mal mit dem Berufsfischer auf den See durfte, wusste er bereits Bescheid über die unterschiedlichen Netzarten. Dem Berufsfischer gefiel diese Fisch- und Fischeraffinität des Halbwüchsigen und so lud er ihn ein, ihm während der Sommerferien eine Woche lang auf dem See und in der Verarbeitung zu helfen. Aus einer Woche wurden deren vier. Und so kam es, dass Miles jeweils in den Sommerferien zum Berufsfischer ging, um dort zu «bügle»: Filetieren, vakuumieren, ausliefern, auf dem Boot mithelfen. Bis zum Ende seines Studiums verdiente Miles so immer wieder sein Feriengeld.
Hunderte Hechte
Bis aus Michael Glauser der Künstler Miles Koeder wurde, brauchte es noch eine andere Seite. Seine Eltern waren kunstaffine Leute mit einer grossen Bibliothek und einem dichten Kontaktnetz zu den Kunstschaffenden der Region. Ein ganzes Gestell im Bücherzimmer war voll mit bebilderten Kunstbüchern, welche für Kinder natürlich spannender waren als Bücher mit nichts als lauter Buchstaben drin.
Der erste noch erhaltene Hecht von Miles ist ein bestickter Waschlappen, das war 1983. Diesem folgten immer mehr Hechte: gezeichnet, gemalt, mit Bleistift, Farbstift, Wasserfarben. Der Hecht wurde zu seinem Lieblingsmotiv, dem er fortan treu blieb. Mit der Zeit sammelten sich ein paar hundert Hechtbilder an. Als Miles nach einem Aufenthalt in New York zurückkam, hatte er den Beschluss gefasst, ein eigenes Kunstkonzept zu versuchen. Dabei war ihm schnell klar, dass es etwas mit dem Bielersee und der Fischerei zu tun haben müsse, und so arbeitete er fortan mit dem Hecht und am Hecht. Als Zwanzigjähriger gewann er einen Kunstwettbewerb mit einer mit Hechtschuppen verkleideten Postkarte. Mit der Zeit folgte die erste Ausstellung und die Arbeit mit einer Schablone. Der Hecht fand Einzug auf den ersten Bootsaussenwänden, auf Rucksäcken und Ähnlichem, doch noch war es nicht der emblematische «Koeder».
Vom Hecht zum Koeder
Wofür steht dieser Hecht? Und warum gibt es ihn überhaupt? Nun, der Fisch will schwimmen. «Mir hat das Subversive immer gut gefallen. Die Nähe zum christlichen Fisch-Symbol, die jeder vereinfachte Fisch aufweist, das ist spannend. Aber eine eindeutige Message muss der ‹Koeder› nicht portieren, und so steht er vor allem für sich selbst.» Wer also auf seinem Auto einen solchen Fisch schwimmen lässt, wirft gleichzeitig auch einen Köder aus, denn er soll zur Nachahmung verleiten. Daraus wurde der Slogan: ‹Swim Koeder, swim› entwickelt. 2005 war die jetzige Form dann endlich gegeben.
Und der Koeder, wie der Hecht fortan hiess, schwamm in Zürich schnell an immer mehr Orten: Schiffbau, Theater am Hechtplatz, Rote Fabrik. Überall fand man eine oder mehrere Reproduktionen des Koeders. Rasch waren es 40 Plätze, wo der Fisch öffentlich sichtbar war. «Und dann dachten alle, jetzt gibt es eine Lawine, überall verbreite sich diese ‹Marke ohne Produkt›, diese Selbstzweckmarke, doch soweit kam es dann doch nicht.»
Neue Wege
Mit den vielen Bestellungen dieser Zeit kam auch viel Arbeit. Und dabei stellte sich die Frage, ob sich so etwas auch rechnet. Und es rechnete sich nicht. Ein Aufkleber, der die hohen Qualitätsstandards erfüllt, kostete schnell mal 50 Franken, und dies auch nur dank wirklich guten Beziehungen. Und selbst 50 Franken sind für einen Aufkleber halt einerseits zu teuer und anderseits wollte Miles auch keine 5000 Aufkleber aufs Mal produzieren lassen; der persönliche Bezug sollte bestehen bleiben. So wurde aus dem Koeder eben kein Massenprodukt, sondern ein mehr oder weniger exklusives Kultprodukt. Eine Armband-Uhr zum Beispiel. Das war die teuerste Aktion, und auch diese wurde nicht etwa von einem Werbebüro konzipiert, sondern entstand aus einer Begegnung, genau wie die «Bekoederung» einer Sauna, eines Türrahmens und viele ähnliche Projekte. Trotzdem kann man die Vorlage auch einfach auf der Webseite gratis downloaden und verwenden, solange man damit kein Geld verdient.
Erkennungszeichen für Fischer?
Die Form ist ein Selbstzweck und sie soll die Freude und die Verbundenheit mit dem Hecht ausdrücken. Und so ist es auch ein Ziel, dass der Fisch in 200 Jahren noch schwimmt. «Dafür braucht es nicht unbedingt viele, aber gute Leute», sagt Miles. Als Beispiel nennt er den Koeder, der zur Eishockey-Saisoneröffnung in der PostFinance-Arena in Bern im Eis schwamm.
«Das war ein Statement», meint Miles, «genauso wie die rund 19 Koeder-Tattoos, übrigens vier mehr als von Roger Federers RF-Logo.» Miles Koeder wünscht sich eine Verbreitung des Koeders auch unter (Hecht-)Fischern. Es wäre ein stilles Erkennungszeichen für den Fischer, mit dem man das Fischersein nach aussen tragen kann. Gratis oder eben auch als (teures) Kunstwerk, sei es auf dem Auto, dem Boot, als Schlüsselanhänger oder als Armbanduhr. Die verbreitete Ästhetik der Hechtfischer ist eher eine knallige Angelegenheit: Svartzonker, SavageGear, Stucki Fanatics, das sind wuchtige «Brands», die aber auch mit einer viel spezifischeren Message angereichert sind. Dagegen wirkt der «Koeder» eher dezent. Er sagt einfach: Hecht.
Info
Unter www.koeder.ch kann die Vorlage heruntergeladen werden.
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