21 | 08 | 2015 | Praxis | 0 | 4875 |
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Mehr Lachse dank Besatz?
Fischer, Naturschützer und Wissenschaftler sind sich einig, dass die Aquakultur und das Aussetzen von Atlantischen Lachsen (Salmo salar) zu den Hauptbedrohungen für die gefährdeten Wildlachsbestände gehören. Trotzdem werden in Grossbritannien nach wie vor im grossen Stil Lachse besetzt.
Der zweite Artikel der dreiteiligen Serie «Erfolgskontrollen Fischbesatz» dreht sich um Besatz von Atlantischen Lachsen (Salmo salar) in Grossbritannien. Den ersten Teil «Äschenbesatz im Aargau» finden sie hier.
Fast alle Lachse, die gefangen werden stammen aus Naturverlaichung.
Die Lachsfischerei ist für die Küstenregionen fern von London ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und mit Besatz sollen die Fänge der Angelfischer gesteigert werden. Höhere Fangzahlen ziehen mehr Angler an ein Gewässer und führen somit auch zu höheren Einnahmen für Tourismus, die lokale Wirtschaft und die Inhaber der Fischereirechte. Wenn Besatz also die Fänge der Angler massgeblich erhöht, könnte argumentiert werden, die vom Besatz ausgehende Gefahr für Wildlachse müsse aus wirtschaftlichen Gründen akzeptiert werden. Doch erhöht der Besatz die Fänge der Fischer in Grossbritannien tatsächlich?
Britische Fischereibiologen sind dieser Frage nachgegangen. Dazu haben sie während 15 Jahren Fangstatistiken und Besatzzahlen von 62 Lachsflüssen ausgewertet, darunter waren 42 Flüsse mit Besatz und 20 Flüsse ohne Besatz. Natürlich haben neben Besatzzahlen auch andere Faktoren wie z.B. die Lebensraumqualität, klimatische Bedingungen, die Distanz zum Meer oder der Fangdruck in den Küstenregionen einen Einfluss darauf, wie viele Lachse in einem Fluss gefangen werden. Um ausschliesslich den Zusammenhang zwischen Besatz und den Fängen messen zu können, wurden auch alle anderen bekannten Einflussfaktoren erfasst. Danach wendeten die Forscher etablierte statistische Verfahren an, um die Einflüsse der anderen Faktoren auf die Fänge so auszuschliessen, dass diese ihre Aussagen zum Besatz nicht verfälschten.
Keine Steigerung der Fänge
Es stellte sich heraus, dass Besatz die Fänge der Fischer nicht messbar steigert. Wenn alle möglichen Einflüsse auf die Fänge berücksichtigt wurden, waren die Fänge in Flüssen ohne Besatz höher als in Flüssen mit Besatz. Der Spruch «Nur wer sät, kann auch ernten» mag für die Landwirtschaft zutreffend sein, für die Lachsfischerei in Grossbritannien ist er es aber eindeutig nicht. Auch wenn die Biologen nur diejenigen Flüsse mit Lachsbesatz untersuchten, änderte sich nichts an der Schlussfolgerung: In Flüssen mit hohen Besatzzahlen wurden nicht mehr Lachse gefangen als in Flüssen mit tiefen Besatzzahlen.
Der Lachs ist für Angler vielleicht der beliebteste Zielfisch überhaupt; traditionell wird den aufsteigenden Lachsen vor allem mit der Fliege nachgestellt. – Foto: E. Hartwich
Im schottischen Fluss Spey wurde die Wirksamkeit der geläufigen Besatzpraktiken noch genauer unter die Lupe genommen. Dort werden jährlich rund eine Million Lachsbrütlinge eingesetzt, die Kosten belaufen sich auf 150?000 Franken. Mit genetischen Methoden wurde nun gezeigt, dass im Jahr 2009 insgesamt nur 45 von 8626 Rückkehrer aus dem Besatzprogramm stammten. Ein einziger Rückkehrer kostete das River Spey Fishery Board also fast 3500 Franken, die 8581 Fische aus der Naturverlaichung waren gratis!
Der Grund für das schlechte Abschneiden liegt wohl nicht an der Herkunft der Lachse, denn die Fischereimanager auf der Insel legen Wert darauf, nur mit lokalen Fischen zu arbeiten. Aber auch diese Fische passen sich durch Evolution sofort an die künstlichen Bedingungen in der Brutanstalt an (siehe Petri-Heil 6/2015, Seite 42). Zudem lernen sie Verhaltensweisen, die zwar in der Brutanstalt nicht aber in der Natur nützlich sind und kommen so in der Natur trotz lokaler Herkunft schlechter zurecht als Wildfische. Werden diese Fische nun in sehr grosser Anzahl in sich natürlich fortpflanzende Populationen eingesetzt, überleben trotz mangelhafter Anpassungen ein paar wenige von ihnen und kreuzen sich später mit Wildfischen. So werden die Lebensraumanpassungen der Wildfische verdünnt, dadurch haben auch die Wildfische weniger Nachkommen und schliesslich kann Besatz zu sinkenden statt zu steigenden Erträgen führen. Die Forscher fanden Hinweise, dass in Grossbritannien mit den Lachsen genau dies geschieht.
Mögliche Alternativen
Besatz hat in den 62 untersuchten Lachsflüssen in Grossbritannien keinen messbaren fischereilichen Nutzen gebracht. Die von Besatz ausgehende Gefahr für Wildlachse sollte deshalb auch nach einer Interessenabwägung von Naturschutz, Fischerei und Wirtschaft nicht in Kauf genommen werden. Durch eine Änderung der Besatzpraxis könnte jedes Jahr viel Geld gespart werden, welches zum Beispiel in Lebensraumaufwertungen investiert werden könnte. Dadurch würde die Verfügbarkeit von geeigneten Lebensräumen erhöht und es würden wohl schon bald mehr Lachse aus dem Meer zurückkehren. Ganz nebenbei würde dies auch das Risiko für die Verbreitung von Krankheiten oder für negative genetische Effekte auf Wildlachse deutlich reduzieren.
Dieser Artikel basiert auf einer Studie von Kyle Young, die in der Fachzeitschrift «Fisheries Management and Ecology» erschienen ist.
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