[LiveScope-Verbot:]</br>Wie denken die Hersteller?
11 | 10 | 2023 Schweiz | Produkte | DiversesInterview: Nils Anderson 44104
11 | 10 | 2023 Schweiz | Produkte | Diverses
Interview: Nils Anderson 4 4104

LiveScope-Verbot:
Wie denken die Hersteller?

Die LiveScope-Technologie schlägt hohe Wellen und polarisiert. Bereits haben einige Kantone ein Verbot erlassen. Wir haben Jan Volk, Vertriebsleiter beim führenden Echolot-Hersteller Garmin ein paar Fragen zur neuen Technik gestellt.


«Petri-Heil»: Jan Volk, erklären Sie uns kurz die Unterschiede eines neuen LiveScope-Sonars gegenüber der herkömmlichen Sonar-Technologie.

Jan Volk: Die LiveScope-Technologie macht es möglich, Fische und andere Unterwasserobjekte in Echtzeit – also in der Bewegung – zu sehen. Dies ist der grosse Unterschied zu herkömmlichen Sonarsystemen, die lediglich eine historische Ansicht der Unterwasserumgebung bieten. So lassen sich mit etwas Übung Fischarten und -grössen erkennen. Dadurch wird es möglich, sofortige Entscheidungen basierend auf den aktuellen Unterwasserbedingungen zu treffen.

Diese neue Technologie hat bei der Einführung international Wellen geschlagen und auch Anerkennung in Form von Innovationspreisen erhalten. Gerade bei den Profi-Events im europäischen Raum – zum Beispiel bei den Luremasters oder WPC – findet man kaum noch Boote ohne Live-Sonar. Wir haben weltweit eine steigende Nachfrage nach LiveScope-Produkten. Viele Bootsangler, die bereits Technik auf ihren Booten haben, ergänzen diese durch ein Live-Sonar. 

Der Anspruch, hochwertige Produkte zu entwickeln, die ein wesentlicher Bestandteil des Lebens unserer Kunden sind, spiegelt sich auch in der Mission von Garmin wider. Wir sind hauptsächlich in Consumer-Märkten tätig, in denen die Anwender ihrem Hobby oft mit viel Leidenschaft nachgehen. Hierbei möchten wir sie unterstützen, gerade auch mit Innovationen. 

 

Es gibt und gab ja immer wieder Neuerungen in der Angelbranche, doch selten löste eine neue Entwicklung eine so pointierte Abwehrhaltung aus. Ist LiveScope dermassen revolutionär und damit quasi das Chat-GPT der Angler? 

Wenn wir uns die revolutionären Entwicklungen der Sonartechnik in den letzten Jahrzehnten ansehen, stellen wir fest, dass diese Technologien heute ein fester Bestandteil auf Booten geworden sind, seien es nun Echolote mit Side-Scan und Down-Scan oder die CHIRP-Technologie. Als neueste – und ja, auch revolutionäre – Entwicklung in der Sonartechnik brachte Garmin 2020 als Erster die LiveSonar-Technik auf den Markt. Wie andere Innovationen auch, war und ist sie begleitet von der Diskussion, ob diese Art von Technologie zum Angeln notwendig sei. Heutzutage wird über CHIRP oder Side-Scan kaum noch gesprochen, da sie feste Bestandteile der Echolote auf Booten und nicht mehr wegzudenken sind. Bei Technologie ist es jedoch wichtig, mit einem offenen und positiven Mindset heranzugehen und die Technik auch selbst zu testen. Nur so können fundierte Diskussionen und Lösungsansätze entstehen, welche die gesamte Angelgemeinde akzeptiert.

 

Es gibt auf unseren grossen Seen einige junge Angler, die mit moderner Technologie innert wenigen Jahren hunderte grosser Raubfische gefangen haben. Eine Zahl, für die bis vor kurzem in der Regel kein Menschenleben ausreichte. Zurücksetzen hin oder her – dass da Ängste aufkommen, ist doch nachvollziehbar?

Ja. Aber das Thema ist nicht die Technik, sondern der Anwender. Darum bin ich auch davon überzeugt, dass ein Verbot der Technik nicht zielführend sein kann, sondern dass wir bestrebt sein müssen, Spielregeln zu definieren, so dass einzelne Anwender die Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, nicht so leicht missbrauchen können. Leider tragen diese wenigen Angler mit solchen Aussagen nicht dazu bei, den Dialog zu fördern. Die deutlich grössere Gruppe von Anwendern weiss mit der Technik umzugehen und Fanglimits zu respektieren. 

 Hightech auf dem Boot: Auf grossen Bildschirmen können die Fischbewegungen dank LiveScope in Echtzeit beobachtet werden.

Hightech auf dem Boot: Auf grossen Bildschirmen können die Fischbewegungen dank LiveScope in Echtzeit beobachtet werden.


Angeln ist bekanntermassen ein Naturerlebnis. Kritiker monieren nun, dass es sich mit solcher Technologie schon fast zum Computerspiel wandle und man nicht mehr aufs Wasser, die Witterung usw. achte, sondern nur noch auf den Bildschirm. Wir haben auch mit Anglern gesprochen, denen das «Live-Scopen» die Freude am Fang genommen haben und die deshalb damit wieder aufgehört haben. Was entgegnen Sie auf Einwände dieser Art?

Es wird immer Angler geben, die traditionell angeln möchten. Und das ist auch gut so. Genauso gibt es aber auch viele Bootsangler, die technikaffin sind und unter Anwendung der neusten Technik angeln möchten. Viele Angler sind schon jahrelang auf dem Wasser, und das LiveScope ist ein Puzzleteil beim Angeln, macht jedoch noch lange nicht das Puzzle komplett. Angler, die LiveScope bereits nutzen, berichten von einem deutlich besseren Verständnis für Fische und ihre Verhaltensweisen. Darüber hinaus kann der Zielfisch sehr genau beangelt werden und ein Fang von nicht massigen Fischen erheblich reduziert werden. Zudem werden mit dem Live-Sonar Informationen von aktuellen Unterwasserbedingungen geliefert, die bei Entscheidungen miteinbezogen werden können, und ergänzen so die Witterungsbetrachtung über Wasser perfekt.

 

Nun haben die Fischereikommissionen in der Zentralschweiz Verbote ausgesprochen, welche in erster Linie von den Hobbyfischern selbst angestossen wurden. Sie kritisieren das Verbot als vorschnell und ebenso die einseitige mediale Berichterstattung dazu. Können Sie das erläutern?

Ich würde mir wünschen, dass man unter Einbeziehung derjenigen, die die Technik nutzen, nach Lösungen sucht, über Befürchtungen spricht und einen Rahmen bzw. Spielregeln ausarbeitet, damit beide Fraktionen ihrem Hobby nachgehen können. Meine eigene Erfahrung ist leider, dass Personen mit Entscheidungskompetenz Gesprächsangeboten oder Technikvorführungen eher ablehnend gegenüberstehen, da Meinungen oft schon gebildet sind.

Für die Berichterstattung gilt im Grunde das Gleiche. Auch hier sollten immer beide Seiten beleuchtet werden, damit sich die Angelgemeinde aber auch Entscheidungsträger ein eigenes Bild zum Thema machen können. Das Thema LiveScope bekommt, getrieben durch seine atemberaubenden Bilder, zwar viel Aufmerksamkeit – es finden aber gefühlt eher die kritischen und ablehnenden Stimmen Gehör als diejenigen, die vermittelnd argumentieren und darauf aus sind, gemeinsame Lösungen zu finden. Zwei Punkte möchte ich gerne noch ergänzen.


 

Jan Volk
Vertriebsleiter Garmin

«Angler, die LiveScope bereits nutzen, berichten von einem deutlich besseren Verständnis für Fische und ihre Verhaltensweisen.»


Und die wären?

Die Jugend ist für den Erhalt der Fischerei von grosser Bedeutung, und die heutige Jugend ist sehr technikaffin. Wird ein Hobby nicht unattraktiv, wenn technische Neuerungen vorab verboten werden, anstatt diese als Möglichkeit zu sehen, Angeln an sich attraktiver zu machen? Das Thema Sonartechnik und Echolote ist ein absolut nachgefragtes Thema und Schulungen und Vorträge dazu sind immer schnell ausgebucht, gerade auch von jüngeren Anglern.

Ein weiterer Punkt, der oft vergessen wird, ist der wissenschaftliche Einsatz der Technik. Fischbestandaufnahme, Verhaltensforschung, Habitatstudien, Umweltüberwachung und Fischereimanagement sind hier einige Stichworte.

 

Angenommen, das Verbot bleibt bestehen und greift weiter um sich. Könnte da überhaupt eine sinnvolle Unterscheidung zwischen LiveScope und Nicht-LiveScope gezogen werden?

Das Überwachen und Durchsetzen solcher Verbote ist sicherlich schwierig und nicht zuletzt auch kostenintensiv. Umso wichtiger ist es, hier einen guten Mittelweg zu finden, mit dem alle gut leben können.

 

In Deutschland ist anscheinend ein Mittelweg gefunden worden. Wie sieht dieser Weg aus? 

Grösstenteils ist das Fischen mit LiveScope in Deutschland nicht eingeschränkt, da es ja grundsätzlich auch Fang­limits und Reglementierungen an den Seen gibt. Wie immer entscheidet aber der Angler über dessen Einhaltung. Als positives Beispiel möchte ich die Müritzer Seenplatte anführen. Hier darf in der Nacht (eine Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde vor Sonnenaufgang) nur noch vom festverankerten Boot geangelt werden. Somit ist ein gezieltes Anfahren und Suchen des Fischs nicht mehr möglich. Der Angler darf jedoch trotzdem seine Technik auf dem Boot einsetzen. Am Tag muss ein Treibanker ausgebracht werden. Somit wird nicht die Technik reglementiert, sondern der Rahmen für die Nutzung gesetzt. Aus unserer Sicht ist das ein positiver Weg. 

 

Die Entwicklung der Technik mit Verboten aufzuhalten ist ein Kampf gegen Windmühlen. Werden sich LiveScope-Sonare in naher Zukunft sowieso durchsetzen?

Durch die LiveScope-Technologie ist eine neue Art des Fischens entstanden, bei welcher der im Freiwasser stehende Fisch gesucht und direkt angefahren wird: das pelagische Fischen. Diese Art des Fischens wird nicht wieder verschwinden, sondern unserer Ansicht nach weiter zunehmen. Das heisst aber nicht, dass das Angeln vom Ufer aus ausstirbt und zukünftig nur noch mit LiveScope gefischt wird. Nein. Jeder sollte sein Hobby so ausüben können, wie es ihm Spass macht – solange er sich an die entsprechenden Regeln hält. Genau das sollte unser aller Ziel sein. Miteinander statt gegeneinander.



Aktuell

Klage gegen LiveScope-Verbot im Vierwaldstättersee

Auf die per 1. September 2023 in Kraft getretene Verordnung «Verbot LiveScope auf dem Vierwaldstättersee» haben sich rund 50 Fischer aus der ganzen Schweiz zusammengeschlossen und per 14.9.2023 beim Bundesgericht termingerecht eine Gemeinschaftsklage eingereicht, die durch eine renommierte Anwaltskanzlei ausgearbeitet wurde. 

Mit der Klage will man diversen Punkten entgegenwirken. Gemäss der Gemeinschaftsklage gründe das Verbot unter anderem auf Willkür, es fehle die Verhältnismässigkeit, und das Verbot führe zur Enteignung von Privatbesitz. Zudem seien mit dem Verbot falsche Tatsachen gegenüber der Öffentlichkeit suggeriert worden.

Viele Angler haben beträchtliche Summen in die neuen Technologien investiert. Durch das Verbot müssten die Boote unter hohem finanziellem Aufwand rückgebaut werden. Gemäss den Klageführenden kommt dies einem Angelverbot gleich.

 

4 Kommentare


Mark Schlecht

12 | 10 | 2023

Toller Bericht. Weiter so.
Wie ich in einem früheren Zeitpunkt schon angedeutet habe, macht ein Verbot keinen Sinn. Sensibilisieren heisst das Zauberwort. Aber wie es Jan schon gesagt hat, leider sind die Entscheidungsträger oftmals schon besessen davon ein Verbot durchzuziehen ohne nur einen vernünftigen Grund zu haben. „Neid“ würd ich verstehen, aber nicht eine vernünftige Antwort respektive Grundlage kann gegeben sein und schon ist ein Verbot durchgesetzt. Erstaunlich war für mich dazumal schon, dass der Regierungsrat es unterschrieben hatte. Diesem sollte ja genau korrektes Vorgehen bekannt sein… aber da sieht man wie die Welt schon die Realität verloren hat. Wie wäre es in Zukunft mit einem Berichte Verbot wenn keine Studien dazu vorhanden wäre? Da wäre die Welt viel einfacher. Ein Verbot nützt niemandem und kann kaum rückgängig gemacht werden. Überlegt euch dies zuerst. Gerne höre ich Feedbacks dazu. Gruss Mark.


Thomas Eckert

12 | 10 | 2023

Ich bin absolut für ein Verbot für die „Sportfischer“ ob - diese Geräte für die Berufsfischer nützlich wären, entzieht sich meiner Kenntnis.


Seebecki

12 | 10 | 2023

Die Politik kommt ja nicht einfach so darauf, solche Technologien zu verbieten. Initiatoren sind leider nicht selten Fischervereine, die ihre Kontakte spielen lassen und dann Tierschutzgründe geltend machen. Das sind oft dieselben, die mit 14 Schleppzügeln stundenlang den See rauf und runter beackern, innerhalb der Uferschutzzone notabene.
In der von Neid und Missgunst geprägten Schweizer kleinkrämerischen Fischer-Szene offenbart sich längst nicht nur beim Thema Live-Scope (welches ich nicht benutze) ein tiefer Graben. Hier im Kanton Zürich gibt es etliche motivierte Jungfischer, die sich gern in einem Verein einbringen würden. Spätestens beim Thema "Releasen von Fischen" vs. "Alles abeschlah" tut sich dann wieder der selbe Graben auf. Viele Vereine sind wenig aufgeschlossen und gesprächsbereit. Alles Neue ist sowieso suspekt (ausser Dropshot). Das sind dann dieselben Geriatrie-Vereine, die sich larmoyant über zu wenig Nachwuchs beklagen, von ihren jungen, arbeitstätigen und mit Kindern gesegneten Mitgliedern aber Präsenz bei X gesellligen Anlässen verlangen und Ihnen über die kantonale Gesetzgebung hinaus X Vorschriften machen wollen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Fischen noch weiter reglementiert wird. Generation Instaposer trägt das ihrige dazu bei.


Lukas B

06 | 12 | 2023

Viele Angler versuchen kapitale Raubfische zu fangen, doch im Unterschied zu anderen Methoden erlaubt ein Live-Scope Sonar, diese gezielt zu suchen und zu befischen.
Das ist ja auch das Haupt-Verkaufsargument - viele der Social Media Posts, die Jan Volk hier kritisiert, werden ja direkt als Werbung durch die Hersteller gefördert. Diese nun im Interview zu verurteilen ist das nichts als heuchlerisch.
In unseren tiefen Voralpenseen waren die meisten grossen Raubfische bisher durch ihren Lebensraum im Freiwasser ziemlich gut vor der intensiven Befischung geschützt. Auch beim Schleppfischen im Freiwasser ist es nicht einfach so einen Fisch an den Haken zu bekommen, geschweige denn zu landen.
Und wir sind uns ja einig, dass das Live-Scope hier ungeahnte neue Möglichkeiten bietet.
Dabei wäre ein Schutz dieser wichtigen Laichtiere unbedingt nötig. Entnahmefenster, welche diese Tiere anderweitig schützen würden, fehlen meines Wissens nach auf allen grossen Schweizer Seen. Doch selbst wenn Entnahmefenster verbreitet wären, ist das Freilassen je nach Jahreszeit und Fangtiefe nach wie vor kritisch.
Unsere Gesetzgebung ist darauf ausgelegt, dass man eben nicht steuern kann, welcher Fisch genau anbeisst. Aber eine geschonte Fischart gezielt zu fangen und dann mit dem Argument der Hege wieder freizulassen gilt bei uns als Tierquälerei - und das nicht zu unrecht, weil dies für kein Fisch ein Vergnügen ist um sein Leben zu kämpfen.

Also haben wir eine Situation, bei welcher wichtige Laichtiere, welche 15 Jahre zum abwachsen brauchen, gezielt entnommen werden, was man im Sinne der Bestandserhaltung nicht will, oder das sie gezielt gefangen und wieder freigelassen werden, was man im Sinne des Tierschutzes nicht will.

Ich kann also nachvollziehen, weshalb hier Handlungsbedarf gesehen wird. Soll man hier wirklich zuwarten in der Hoffnung, dass jeder schon Vernunft und Augenmass einsetzt und die kapitalen Fische nicht befischt? Das ist doch nicht realistisch?!


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