Ist die Bachforelle noch zu retten?
12 | 11 | 2024 SchweizText & Fotos: Ruedi Hauser 4791
12 | 11 | 2024 Schweiz
Text & Fotos: Ruedi Hauser 4 791

Ist die Bachforelle noch zu retten?

Die Bachforelle ist im Schweizer Mittelland vom Aussterben bedroht. Aber auch in den alpinen Bächen setzen die vermehrt auftretenden Hochwasser dem Bestand zu. Gleichzeitig empfiehlt das BAFU einen Besatzstopp.


Im Jahr 2023 veröffentlichte das BAFU eine Schrift mit dem Titel «Fischbesatz in der Schweiz – Synthese der Erfolgskontrolle». In der Zusammenfassung schreiben die Verfasser: «Die Übersicht über die Schweizer Wirkungskontrollen von Fischbesatzmassnahmen ab 1981 zeigt, dass Besatz nicht dazu geeignet ist, die Wildfischbestände nachhaltig zu stützen. Um die Fischvielfalt in unseren Gewässern zu erhalten, wird empfohlen, diese Praxis baldmöglichst einzustellen und die Wiederherstellung der Lebensräume zu fördern.»

Ich erlaube mir, diese Studie und die Empfehlung des BAFU kritisch zu hinterfragen. Sie umfasst vor allem die Fliessgewässer und damit die Bachforellen. Interessant ist, dass nicht untersucht wurde, wie sich ein Besatz auf die Fänge auswirkt. Fischereistatistiken wurden nicht verwendet, wenn sie keine Angaben zum Angleraufwand enthielten. Damit fliessen jahrzehntelange erfolgreiche Besatzstrategien, zum Beispiel im Kanton Uri, gar nicht in die Betrachtungen ein.

Inzwischen arbeiten viele Kantone mit der vom Büro Fischwerk Luzern entwickelten Methode, den fischereilichen Zustand der Fliessgewässer zu erheben, Defizite der Lebensräume zu analysieren und entsprechende Massnahmen zu treffen. Dieses Tool ist umfassend und soll über einen Entscheidungsbaum auch die Frage beantworten, ob die Empfehlung des BAFU, auf den Besatz zu verzichten, umgesetzt werden soll.

Meine folgenden Aussagen beschränken sich ausschliesslich auf die Gebirgsbäche der Alpen. Die Daten, die ich verwende, stammen aus den Bergbächen des Kantons Uri und sind öffentlich. Im Übrigen stütze ich mich auf mehr als 40 Jahre praktische Mithilfe bei der fischereilichen Bewirtschaftung meines Kantons, davon 20 Jahre als Präsident des Urner Fischereivereins.


Klimawandel schafft neue Fakten

Seit etwa zehn Jahren wird der Einfluss der globalen Klimaerwärmung auf unsere Fischgewässer immer offensichtlicher. Im Mittelland vor allem durch die Erhöhung der Wassertemperatur und in den Alpen durch das fast regelmässige Auftreten von Winterhochwasser.

An einigen dieser Tage bin ich zum Schächen gegangen und habe gesehen, wie sich die Wasser­mas­sen rumpelnd talwärts ergossen. Da braucht es weder eine Studie noch eine Abfischung, um festzustellen, dass die in der Kiessohle abgelegten Eier weggespült worden sind.

 

Schächen
Messstation Galgenwäldli, Abflussmenge in m3/s

 

Eine ähnliche Situation lässt sich an den Messungen der Reuss bei Andermatt feststellen, was den Schluss zulässt, dass in diesen Jahren die Naturverlaichung flächendeckend dem Hochwasser zum Opfer fiel. Dabei muss einschränkend gesagt werden, dass es im Kanton Uri einige wenige Gebirgsbäche gibt, in welchen die Verlaichung praktisch jedes Jahr unbesehen der Wasserführung stattfindet. Es handelt sich aber in allen Fällen um kleine Quellbächlein, die nur über einige hundert Meter ab der Quelle in das Hauptgerinne fliessen. Das kann man von Auge beobachten. Die Anzahl der Fische, die so aufkommen, ist aber entsprechend gering. Sie können den Bestand im Hauptgerinne kaum so stärken, dass eine attraktive Fischerei möglich ist. Wenn die Laichablage am Oberlauf stattfindet, können sich die Fische immerhin nach unten verteilen. Ein Laichbächlein im Unterlauf ist für den ganzen Rest des Gewässers in der Regel irrelevant, weil ein Bergbach oft aus einer Aneinanderreihung von Wanderhindernissen besteht. Im Mittelland ist die Situation diesbezüglich ähnlich. Sich selbsterhaltende Populationen kommen in Kleingewässern vor, die kaltes Wasser führen. Die Bachforelle führt ein Nischendasein. Oft wird der Bestand durch Gänsesäger und Kormorane zusätzlich dezimiert. Somit werden auch diese kleinen intakten Lebensräume für die Fischerei bedeutungslos.

Zu beanstanden an der Studie des BAFU sind die Daten, die weit vor den Auswirkungen des Klimawandels erhoben worden sind. Es gibt meines Wissens keine Studien, die die Winterhochwasser in den Bergbächen der Alpen behandeln. Meine Erhebungen könnten ein erster Ansatz sein. Es ist zu hoffen, dass die Fischereibiologen den Faden aufnehmen.

Für bedenklich halte ich die Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit gemäss allgemeinem Sprachverständnis bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten der nachfolgenden Generationen nicht eingeschränkt werden. Die Bewirtschaftung mit Fischbesatz wird seit mehr als 100 Jahren betrieben und hat die Möglichkeiten unserer Generation in keiner Weise eingeschränkt. Wenn eine Bewirtschaftung nur als nachhaltig gilt, wenn auf Besatz verzichtet wird, ist diese neue Definition zu eng gefasst.

Meine These: Die Bachforelle lässt sich grossflächig nur in den Bergbächen erhalten, und dies nur mit Fischbesatz. Weil auch die Sommerhochwasser dem Fischbestand zusetzen, sollte die Besatzmenge auf die Grösse der Gewässer und deren Nahrungsangebot abgestimmt werden.

 Bergbäche sind zuweilen eine Kaskade an Wanderhindernissen und trotzdem ein perfekter Lebensraum für unsere Bachforellen.

Bergbäche sind zuweilen eine Kaskade an Wanderhindernissen und trotzdem ein perfekter Lebensraum für unsere Bachforellen.


Schlusswort aus Graubünden

Nach Abschluss der Gewässeranalysen nach den Vorgaben des BAFU veröffentlichte das Amt für Jagd und Fischerei Graubünden die Besatzstrategie 2025. Zitat: «Das Besatzkonzept 2025 ist ein klares Bekenntnis dafür, dass der Kanton Graubünden den Fischbesatz nach wie vor als eines von drei Standbeinen des fischereilichen Managements sieht». Ich bin mir sicher, dass weitere Bergkantone wie Wallis, Tessin, Bern und Uri zum gleichen Schluss kommen werden. 

 

4 Kommentare


Mik

12 | 11 | 2024

Hallo zusammen. Zitat: 'Meine These: Die Bachforelle lässt sich grossflächig nur in den Bergbächen erhalten, und dies nur mit Fischbesatz.' Und dann zeigt ihr das Bild einer 'Vollpackung' und einen 'Bräntenangler'. Wow. Wer den Begriff Nachhaltigkeit als negativ behaftet sieht, aber solche Bilder veröffentlicht, debattiert am Thema vorbei. Ist aber nur meine Meinung.
Vielleicht hätte der Titel, des im Grossen und Ganzen guten Artikels, einfach direkt darauf hingewiesen werden, dass es sich nur um Erfahrungen des Autors im Kanton Uri handelt.
Gruss
Mik


Anonym

13 | 11 | 2024

Die Anglerlobby wird sowieso immer am wenigstens unterstützt. Würden wir so unterstützt werden unseren Bauern, dann hätten wir einen viel viel viel besseren Bestand an Fischen. Der einzige Weg ist Massenrenaturierungen wo es überall möglich ist. Kraftwerke mit Fischtreppen und noch viele andere Punkte die seit Jahren offen sind aber nicht gemacht werden.


Jo

14 | 11 | 2024

Es ist Zeit für die Regenbogenforelle, zumindest im Mittelland!


Michi

18 | 11 | 2024

Es ist bedauerlich zu sehen, dass erneut mit großer Anstrengung versucht wird, den Fischbesatz zu rechtfertigen und gleichzeitig die Studie des BAFU in ein schlechtes Licht zu rücken. Ein Beispiel dafür ist die Behauptung: „Interessant ist, dass nicht untersucht wurde, wie sich ein Besatz auf die Fänge auswirkt.“ Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Der Einfluss des Besatzes auf die Fänge wurde sehr wohl untersucht. Im Abstract der Studie heißt es ausdrücklich: „Im besten Fall steigen die Fänge der Fischer.“

Darüber hinaus zeigt eine Grafik auf Seite 18 des Berichts die CPUE (Catch per Unit Effort) von Freizeitanglern vor dem Besatzstopp und drei Jahre danach. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass es keinen signifikanten Unterschied in den Fängen gibt. Diese Daten belegen, dass der Besatz nicht automatisch zu einer Verbesserung der Fangmengen führt.

Es wäre im Interesse aller Beteiligten, dass Fischer und Forscher enger zusammenarbeiten. Letztlich haben wir ein gemeinsames Ziel: ein funktionierendes Ökosystem und einen stabilen Fischbestand, der auch zukünftigen Generationen die Möglichkeit zum Angeln bietet. Ein respektvoller, faktenbasierter Dialog und eine konstruktive Zusammenarbeit sind der Schlüssel, um dieses Ziel zu erreichen.


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