26 | 09 | 2022 | Reisen | 0 | 5674 |
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Gran Canaria | Das Big Game
Am 26. und 27. August fand das «II Open Internacional de Pesca de Altura de Gran Canaria» statt. «Petri-Heil»-Redaktor Ruben Rod und der Berner Fotograf Jürg Ramseier besuchten den Hochseefischen-Event, bei dem die Skipper der Kanaren mit ihren Schiffen um Marline und grosse Thunfische wetteifern.
Die Hochseefischerei auf den Blauen Marlin und grosse Thunfische gilt als eigene Liga, fern von der Welt der normalen Fischer. Mein Bild von dieser Fischerei setzt sich bisher zusammen aus den in Berichten und im Internet kursierenden Bilder gigantischer Meeresriesen, die mit Schaum und Getöse aus dem Wasser springen oder aufgehängt über den Köpfen der stolzen Fänger am Pier baumeln. Und natürlich Ernest Hemingway, der diese Fischerei unsterblich gemacht hat. Entsprechend gespannt und mit kühnen Erwartungen besuchen wir die Inseln mitten im Atlantik und den in hohen Tönen angepriesenen Big-Game Event in Pasito Blanco, der als Pionier in Sachen Catch & Release der prestigeträchtigen Spitzenprädatoren gilt, lange bevor sich diese Praxis weltweit durchsetzte und vielerorts zur Vorschrift wurde.
«Gran Canaria Blue», die Plattform der Anbieter von aquatischen Aktivitäten auf Gran Canaria, und der Puerto Deportivo Pasito Blanco als Ausführer des Events legen Wert auf den Erhalt der aquatischen Fauna. Nicht nur die Sportfischerei ist davon abhängig, sondern auch viele weitere Attraktionen wie die «Adventure Submarine», das U-Boot Erlebnis in Puerto de Mogán. Die Kanaren sind das Ziel vieler und teils sehr unterschiedlicher Träume. Während sich die anderen Gäste im «Marina Suites» ihren Traum von hervorragendem Essen und einem Infinity Pool erfüllen, lassen wir uns auf die Big-Gamer und das Meer ein.
An Bord der «Fish On!»
Am ersten Tag des Wettbewerbs begleiten wir Pedro Betancor, dessen Schiff «Fish On!» ich anfangs Jahr bereits besuchte (siehe «Petri-Heil» 4/22). Für beide Tage des Events wurden er und sein Matrose Pipe von Jørn und John gechartert, zwei langjährigen Fischerfreunden aus Dänemark. Schon seit 25 Jahren kommen sie jedes Jahr mit ihren Familien nach Gran Canaria und leisten sich das Hochseefischen, während es sich ihre Familien am Strand gutgehen lassen. Doch diesmal machen sie zum ersten Mal an einem Hochseefischen-Wettbewerb mit und können es kaum erwarten. Jagdfieber und Spannung liegen in der Luft, als die Flotte der teilnehmenden Boote in der Morgensonne um 09.15 Uhr bei Pasito Blanco hinaus aufs Meer braust, dem erhofften Punktegewinn mit einem Marlin oder grossen Thunfisch entgegen.
Mitteleuropäische Fischereisachen gewohnt, kann ich mich nicht sattsehen an den riesigen Multirollen, den millimeterdicken Monofilschnüren und den bunten Kona-Heads. Die 5 geschleppten Köder werden überraschend nahe, keine 20 Meter vom Heck entfernt, im schäumenden Fahrwasser des Bootes mit 12 bis 15 km/h über die Oberfläche gerissen. Beim Eintauchen hinterlassen sie einen Luftblasenstreifen im Wasser und veranstalten Radau wie Riesen-Popper. Ich stelle mir vor, wie sich dahinter eine Bugwelle aufbaut, ehe ein grosses Schwert die Wasseroberfläche durchbricht und das Wasser explodiert. Jürg bringt sich mit der Kamera schon mal in Stellung, um einen epischen Kampf von Mann gegen Fisch optimal verewigen zu können. In dieser Erwartungshaltung verharren wir schliesslich dem Wellengang trotzend lange Stunden bis Ablauf der Zeit um 17.30 Uhr. «No show» heute.
Fish ’n’ Beer
Den zweiten Tag des Wettbewerbs verbringen wir auf dem Schiff «Orca» der britischen Familie Collins. Vater Philipp, seine Tochter Charlotte sowie die Brüder Jack und Ben nehmen als Familiencrew am Wettbewerb teil und sind zuversichtlich. Denn am Tag zuvor ist es ihnen gelungen, einen grossen Fisch an den Haken zu bekommen. Leider hat er sich ausgeklinkt, ehe sie ihn ans Boot gebracht haben. Für den Punktegewinn muss man den Fisch nicht aus dem Wasser holen, denn es gilt der Videobeweis mit Fisch am Vorfach innerhalb der Wettbewerbsfrist.
Auf ihrem geräumigen Boot lässt es sich gut aushalten und unsere Erwartungen sind nun bescheidener. Aber dass auch diesmal Stunde um Stunde ohne einen Biss vergeht, ist schon ein ziemlicher Dämpfer. Kurz nachdem wir einen Trupp Delfine neben dem Boot beobachten können, erhalte ich von der «Fish On!» ein Fangvideo von einem schönen Marlin, den Jørn herandrillen kann. Wir freuen uns riesig darüber und gönnen unserer Crew vom Vortag diesen Erfolg. Jürg fragt Charlotte, die angefressenste Grossfischjägerin an Bord: «Are you frustrated?», darauf sie: «Yes, let’s drink some beer!» «And if you get fish?» – «Then let’s drink beer too!»
Bilanz
Die zwei Wettbewerbstage resultieren schliesslich in (anerkannten) 15 releasten Marlins auf 38 Booten. Das Rennen um die ersten drei Plätze machen schliesslich die Boote «El Pirata», «Max Mar» und «Reel Escape». Sie hatten das Glück, vor den anderen Booten einen der begehrten Schwertträger überzeugend und korrekt dokumentieren zu können. Ich frage die Skipper, mit welchen Chancen sie üblicherweise rechnen, wenn sie eine Ausfahrt auf Marlins machen. Die Schätzungen bewegen sich zwischen «one of five times» und «one of three». Wer sich die kostspieligen Ausfahrten auf die prestigeträchtigen Riesen des Meeres leistet, muss also hauptsächlich mit Schneidertagen rechnen. Die Seeforellen lassen grüssen.
Glanz und Gloria
Im Rahmen des «II Open Internacional de Pesca de Altura de Gran Canaria» wird im Hafen von Pasito Blanco auch ein Wettfischen für Kinder veranstaltet und anlässlich der Preisverleihung findet ein gehobenes Dinner für die Teilnehmer und Angehörigen im La Punta Yacht Club statt. Die Skipper, ihre Familien und die teils langjährigen Kunden kennen sich offensichtlich gut, es wird viel gelacht und gestikuliert. Auch optisch fällt die Gemeinschaft auf und die versammelten Kinder, Männer und Frauen wirken wie aus einem Modekatalog entsprungen. Anwesend sind auch Politiker wie die Gesundheitsministerin oder der Tourismusverantwortliche und Vertreter vom spanischen Fernsehen und Radio. Es ist offensichtlich, was für einen hohen Stellenwert die Sportfischerei und der Tourismus hier haben. Mit der grossen Kelle wird angerührt und kein Aufwand gescheut, den Anlass im besten Licht erscheinen zu lassen.
Vom Fischen leben
An Bord der «Fish On!» führe ich ein Gespräch mit Pedros rechter Hand Pipe. Er wurde in einer Fischerfamilie geboren und begann bereits als Jugendlicher kurz nach Abschluss der Schulzeit für 10 Jahre auf einem «Pole and Line» Fischerboot zu arbeiten, wobei er zigtausende Bonitos und viele andere Meeresräuber, darunter auch Marlins und grosse Thunfische, gelandet hat. Inzwischen ist er seit gut sechs Jahren auf der «Fish On!» und unterstützt Pedro dabei, seinen Klienten aus aller Welt unvergessliche Fänge zu ermöglichen. Auf den Unterschied zwischen der früheren und seiner jetzigen Arbeit angesprochen, antwortet Pipe mit einem Grinsen «much more action». Auf den kommerziellen Booten, wohlverstanden. Er zuckt mit den Schultern, beides ist Fischen und er kann davon leben. Sein älterer Bruder betreibt auch ein Charterboot und ist als gebuchter Skipper beim Wettbewerb mit dabei. Dasselbe auch bei Pedros Bruder. Die Anziehung der Meeresgiganten auf Sportfischer sichert hier die Existenz etlicher Fischerfamilien. Doch der Unterhalt eines hochseetauglichen Bootes und des Fischereimaterials sind teuer und die gestiegenen Treibstoffpreise machen ihnen zu schaffen. Für die Arbeit des Skippers und seiner Crew bleibt schliesslich nicht viel übrig, trotz der hohen Preise.
Wie Heli-Skiing
Dass wir eine Flugreise auf uns genommen haben, in einem nachts hell erleuchteten Hotelkomplex schlafen und den ganzen Tag auf dem Meer Diesel verbrennen, beschäftigt uns beim Abendessen. Angesichts der sich aktuell verschärfenden Klima- und Energiekrise können wir diese Widersprüche nicht ignorieren, ebenso wenig alle anderen. Nicht alle Skipper der Kanaren können am Wettbewerb teilnehmen, denn sie müssen knallhart kalkulieren. Charterboote, die keine zahlenden Klienten gefunden haben, bleiben fast alle im Hafen. Das Hotel fordert die Gäste auf, die Klimaanlage abzuschalten und mit dem Wasser sparsam umzugehen. Jürg vergleicht den treibstoffintensiven Schleppfischwettbewerb mit Heli-Skiing und ich muss ihm recht geben. Ob man auch mit abgeschalteten Motoren von driftenden Booten mit Köderfischen am Kreishaken um die Spitzenprädatoren wetteifern könnte? Ich stelle mir vor, dass die Kanaren dereinst mit solar- oder biotreibstoffbetriebenen Flugzeugen erreicht werden können; dass die industrielle Fischerei mit international operierenden Trawlern und Langleinen Geschichte ist und die Fischer der Inseln von ihren Kleinbooten gut leben können. Und dass die angereisten Sportfischer die wieder zahlreichen Meeresgiganten auf Sicht anwerfen können!
Fischer-Info
Der Sporthafen Puerto Deportivo Pasito Blanco veranstaltet den grössten Big-Game Wettbewerb der Kanaren und informiert auf seiner Webseite über den Anlass: pasitoblanco.com
«Gran Canaria Blue» vermittelt attraktive Angebote Gran Canarias auf und unter Wasser: www.grancanariablue.com
Warum nicht mal in einem richtigen U-Boot abtauchen? Dieses Erlebnis lässt sich auf Gran Canaria buchen unter: atlantidasubmarine.com
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