23 | 12 | 2020 | Schweiz | 0 | 5702 |
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Geschichte der Walliser Fischerei
Zur Wahrung der Interessen der Fischerei und zur Eindämmung des Fischfrevels wurden vor rund 100 Jahren im Oberwallis die ersten Fischervereine gegründet. Ein Blick zurück mit «Petri-Heil»-Mitarbeiter Jean-Louis Borter.
« … So kam es, dass der Staat der Fischerei keine grosse Aufmerksamkeit mehr schenkte; die Fischerordnungen waren viel zu schlaff und wurden ebenso gehandhabt, bis endlich i. J. 1798 die Fischerei in der Schweiz für frei erklärt wurde. Nun begann erst recht eine Raubfischerei, die in kurzer Zeit den Fischbestand auf das bedenklichste schädigte. (…) Später führten dann sämtliche Stände Gesetze oder Verordnungen ein; allein auch diese einander vielfach widersprechenden Bestimmungen vermochten nicht eine rationelle Bewirtschaftung der Gewässer herbeizuführen.» Mit diesen Worten umreisst im Jahr 1898 Theodor von Liebenau die fischereiliche Situation in der Schweiz. Fischfrevel war also vor 100 und mehr Jahren, genauso wie der Jagdfrevel, ein Problem, wobei viele Taten aus der Not heraus infolge Nahrungsmangels erfolgten. Um die Jagd unter Kontrolle zu bringen, wurden anfangs 1900 die ersten Jagdvereine gegründet. Und die gleiche Strategie wurde bei den Fischern angewendet. So ist das erste Walliser kantonale Fischereigesetz vom 14. Mai 1915 datiert. Darin wurden vermutlich die Berechtigungen und Patente geregelt. Mit der Gründung von Vereinen versuchte man über die soziale Kontrolle die kantonalen Gesetzesvorgaben einzuhalten.
Vor 100 Jahren gegründet
Der Verein Visp wurde als erster Oberwalliser Fischerverein von 15 Sportfischern und Freunden der Fischerei am 12. April 1920 gegründet. Heute zählt die grösste Sektion des Kantons über 500 Mitglieder und wird von einem neunköpfigen Vorstand unter der Leitung von Richard Meichtry geführt. Der Verein Brig wurde fünf Jahre später gegründet. Bereits ein Jahr später schloss man sich dem Schweizerischen Fischerei-Verband an. Zusammen mit den Visper Kollegen setzt e man sich aktiv für Gewässerschutzmassnahmen ein. So wurde zum Beispiel der Bau eines Auffangdamms der Karbidschlammdeponie in Eyholz erreicht. Den verschiedenen Anliegen bezüglich der Kraftwerke und der Gewässerverschmutzung wollte man kantonal mehr Gewicht verleihen. Deshalb schloss man sich mit den Unterwalliser Kollegen zusammen und gründete am 14. Juli 1928 in Sitten den Walliser Kantonalen Sportfischer-Verband WKSFV. Die Oberwalliser Einmischung in Unterwalliser Angelegenheiten kam aber bei diesen nicht so gut an. Es stand sogar die Gründung eines Oberwalliser Verbands zur Debatte. Dabei ist aber zu bemerken, dass eigentlich die Westschweizer Eisenbähnler vom Kreis Lausanne, welche Brig als Dienstort hatten, erst wirklich die Sportfischerei ins Oberwallis brachten. So sind zum Beispiel die Protokolle des Fischervereins Brig von 1929 bis 1947 in französischer Sprache verfasst.
Probleme der Industrialisierung
Die Aufgaben des WKSFV waren damals – wie auch noch heute – den Lebensraum von Wassertieren, Wasserpflanzen und bedrohten Fischarten zu schützen. Zudem soll der Verband die Fischerei fördern und die Interessen der aktiven Walliser Fischer vertreten. Bereits vor 90 Jahren, beim Bau des Stauwehrs in Susten, bekam man erstmals die Machtlosigkeit bei der Zusammenarbeit mit Staat und Kraftwerkbetreibern zu spüren.
Die zunehmende Industrialisierung brachte erste Verbauungen der Gewässerläufe und Gewässerverschmutzungen mit sich. Bei der ersten grosse Rotten-Regulierung von 1863 bis 1897 wurde der Fluss eingedämmt und dort begradigt, wo sein Lauf zu windungsreich war. Die zweite Periode der grossen Arbeiten begann 1936 und dauerte 25 Jahre. Die Dämme wurden dabei bis zu einem Meter erhöht. Ferner setzte man Bagger ein, die das im Flussbett abgelagerte Material herausholten. Diese Massnahmen hatten einen starken Einfluss auf die Fischerei. Man setzte damals noch auf die natürliche Vermehrung, die zu dieser Zeit, bei der geringen Anzahl Fischer, anscheinend genügte. Die stetige Abnahme der Wasserqualität wirkte sich aber negativ auf die Bestände aus.
Walliser Besatzpioniere
Um dem Rückgang der Fischbestände entgegenzuwirken, wurden schon früh erste Aufzuchtversuche gestartet. Im Frühjahr 1929 wurden 120?000 Regenbogenforellen-Eier zwischen Reckingen und Oberwald eingesetzt. Beim Kontrollfischen drei Jahre später stellte der damalige eidgenössische Fischereiinspektor Dr. G. Surbeck fest, dass sich die Fische in quantitativer und qualitativer Hinsicht sehr gut entwickelt hatten. 1943 wurden schliesslich Regenbogenforellen zu einem Preis von CHF 3.– das Kilo eingesetzt.
Im Jahr 1930 wurden in der Visper Brutanstalt «Lonza» erstmals 149?000 Brütlinge von selbstabgestreiften Bachforellen-Eiern erzeugt. Der Aufzuchtversuch des Briger Vereins im Entwässerungskanal in Glis-Gamsen scheiterte, weil im Winter zu wenig Wasser floss.
In den Kriegsjahren erhöhte sich die Zahl der Fischer massiv. Der Fischersport diente nicht nur zum Ausgleich der täglichen Sorgen. Der Hauptgrund war sicher die Fischbeute als willkommene Ergänzung der rationierten Nahrungsmittel. Mit dem stetigen Mitgliederzuwachs stieg das Bedürfnis nach eigenen Aufzuchtanlagen. Zahlreiche Versuche in natürlichen Entwässerungskanälen in der Rottenebene scheiterten. Gründe waren: Ungünstige Witterung, Vergiftungen und Wegreissen der Schutzgitter gegen das Eindringen von grossen Fischen. Ende der 1940er-Jahre wurden die kantonalen Aufzuchtanlagen in Baltschieder und Vernayaz erbaut. Ebenfalls wurde eine beratende kantonale Fischereikommission ins Leben gerufen. Ein Versuchskanal von 54 m Länge bildet den Start zur heutigen Fischzucht «Tünnel» der Sektion Brig. Inzwischen haben fast alle Sektionen eine Aufzuchtanlage erstellt.
Immer wieder grosse Schäden
Die schweren Unwetter von 1987, 1993 und 2000 haben in den Anlagen grossen Schaden, ja zum Teil Totalschaden verursacht. Doch die Fischergilde lässt sich nicht unterkriegen: In zahlreichen Helferstunden mit Maschinen- und Manneskraft wurden Geröll und Schlamm weggeräumt. Vor allem im Jahr 1993 erlitt fast der gesamte Fischbestand in den Bächen und Flüssen Totalschaden. Verdankenswerterweise kam auch Hilfe von der «Üsserschwiz»: So spendete die Fischerzunft Aarau 3000 Jährlinge für den Wiederbesatz. Und wie die Prognosen vorsehen, werden wir in Zukunft immer wieder mit solchen Ereignissen rechnen müssen. Es zeigt sich, dass neue Arbeiten fällig sind, um die Risiken zu vermindern.
Alte Zeiten, grosse Fische
Seit bald 50 Jahren frönt Martin Millius aus Naters der Fischerei. Bereits als Primarschüler nahm ihn sein Vater oft zum Angeln mit. Er ist in Baltschieder aufgewachsen. Westlich des Dorfes gab es mehrere Entwässerungskanäle, die das Ackerland entsumpften. Diese Wasserleiten flossen in den Rotten, woraus bei Hochwasser die Forellen zahlreich in diese ruhigen Gewässer hinaufstiegen. «Um unser Sackgeld aufzubessern versuchten Schulkameraden und ich, selber Fische zu fangen. Unser Trick war einfach und genial: Ausgerüstet mit Weidekorb und langen Stöcken haben wir die Entwässerungskanäle abgesucht. Sobald eine Forelle sich versteckte, haben wir etwas unterhalb den Weidekorb in den Kanal gelegt. Mit den Stöcken haben wir dann den Fisch in den Korb hineingescheucht.»
Mit 14 Jahren kaufte ihm dann sein Vater das erste Patent und eine neue Rute. Von da an war er legal jede freie Minute an irgendeinem Gewässer am Fischen. Es wimmelte nur so von kolossalen Fischen. Die Kläranlagen waren erst im Aufbau, das Abwasser floss zum grossen Teil noch ungeklärt in das nahe Gewässer. Er erinnert sich, dass man unterhalb des Schlachthauses in Brig immer einzelne kapitale Forellen erbeuten konnte.
Grosse Aufgaben in Zukunft und Vergangenheit
Die Herausforderungen für die Fischerei in der «Rotten Republik» waren in den letzten 100 Jahren enorm. Aber mit Beharrlichkeit, Anstrengung, Ausdauer und Weitsicht schafften es unsere Vorfahren, die Fischerei zu fördern und am Leben zu erhalten. Dafür gebührt ihnen ein herzlicher Petri Dank. Möge etwas von ihren Weisheiten auf die zukünftigen Generationen überschwappen. An Herausforderungen wird es nicht fehlen. Als Beispiel sei nur die dritte Rottenkorrektion hervorgehoben: Mit diesem Jahrtausend-Bauwerk will man die Begradigungen und Eindämmungen der letzten fünf Generationen teilweise wieder rückgängig machen. Dabei gilt es zu bedenken: Den Rotten zu bändigen ist fast so schwer wie einen Urtypen der Dreizehnsterne-Republik zu zähmen!
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