24 | 03 | 2025 Video | DiversesText & Fotos: Roland Kurt | Video: stock.adobe.com 2824
24 | 03 | 2025 Video | Diverses
Text & Fotos: Roland Kurt | Video: stock.adobe.com 2 824

Fisch des Jahres 2025:
Zander–Hochzeit

Der Berner Roland Kurt forscht über die Unterwasser-Akustik der Süsswasserfische («Petri-Heil» berichtete in Ausgabe 5/2020) und gewann dabei auch faszinierende Einblicke in das Liebesleben der Zander.


Viele Jahre lang habe ich die Zander während der Laichzeit im Berner Moossee unter Wasser gefilmt, zahlreiche Experimente durchgeführt und mit Unterwassermikrofonen belauscht. Dabei zeigte sich, dass spezielle Fischlaute während der Zander-Hochzeit eine entscheidende Rolle spielen.

Die Laichzeit der Zander beginnt im Berner Moossee im April, sobald die Wassertemperatur 12 Grad erreicht. Die Männchen suchen in ein bis drei Metern Tiefe nach einer Stelle mit festem Untergrund für ihre Laichgrube. Mit kräftigen Schwanzschlägen säubern sie diesen Bereich, indem sie ihn durch schnelles Hin- und Herbewegen ihrer Schwanzflosse aufwirbeln. Auffallend ist, wie schreckhaft und ängstlich viele Zandermännchen zu diesem Zeitpunkt noch sind. Immer wieder flüchten sie kurz, kehren aber bald zu ihrem vorbereiteten Gelege zurück. Nun müssen die Männchen die Weibchen auf sich und ihr Nest aufmerksam machen – und dabei setzen sie besondere Locklaute ein.

 Mit einem Hydrophon wird die geheimnisvolle Welt der Geräusche unter Wasser hörbar.

Mit einem Hydrophon wird die geheimnisvolle Welt der Geräusche unter Wasser hörbar.


Das Männchen ruft

Die Zandermännchen locken die Weibchen mit kraftvollen, knurrenden Balzlauten zu ihrem Nest. Diese Geräusche erinnern an das Röhren eines Hirschs oder das Knurren eines Hundes. Es sind langgezogene Laute, die bei grösseren Zandern bis zu sechs Sekunden ohne Unterbruch andauern können. Die knurrenden Rufe von kapitalen Milchnern sind auffallend laut und sehr tief, wobei die tiefste Frequenz häufig am Ende des Lautes liegt. Die Balzlaute der kleinerer Zandermännchen sind dagegen leiser und höher in der Frequenz. Zudem weisen sie kurze Unterbrechungen auf, die an Morsezeichen erinnern. Die abgegebenen Fischlaute unterscheiden sich erheblich in Lautstärke, Struktur und Frequenz – Unterschiede, die vermutlich eine wesentliche Rolle spielen. Stundenlang und unermüdlich rufen die Milchner vom vorbereiteten Nest aus nach einem reifen Weibchen, in der Hoffnung, dass es schliesslich auf ihn und sein Liebesnest aufmerksam wird. Diese eindrücklichen Balzgeräusche wirken auf die weiblichen Zander wohl wie stimulierende Musik und verfehlen offensichtlich ihre anziehende Wirkung nicht.

 Hier hat ein Zandermännchen ein solches  Nest als Gelegeplatz angenommen und bewacht  die wertvollen Eier. Diese sind sehr klein und kleben am Untergrund (hier an den Tannennadeln und dem Geäst).

Hier hat ein Zandermännchen ein solches Nest als Gelegeplatz angenommen und bewacht die wertvollen Eier. Diese sind sehr klein und kleben am Untergrund (hier an den Tannennadeln und dem Geäst).


Botschaften

Die Lockgeräusche der männlichen Zander weisen den laichbereiten Rognern selbst in Dunkelheit oder trübem Wasser sicher den Weg zum Partner und dem Nest. Doch die Balzlaute haben auch einen stark selektiven Charakter – denn sie liefern dem Weibchen wertvolle Informationen über den jeweiligen Lautproduzenten. Anhand dieser Geräusche können laichbereite Weibchen bereits aus der Distanz die Grösse, Aggressivität und Stärke eines potenziellen Partners einschätzen und eine erste Vor­auswahl treffen. Milchner mit langanhaltenden und tiefen Locklauten signalisieren dem Weibchen möglicherweise einen starken Partner mit guten Erbanlagen für den Nachwuchs. Und nicht nur das: Diese Signale deuten auch auf einen aktiven Laich- und Brutschützer hin, was ein Zandermännchen für die Rogner besonders attraktiv macht. Die Balzlaute der Männchen sind so laut, dass sie selbst bei sanften Wellen, leichtem Regen und vom Gewässergrund aufsteigenden Gasblasen noch deutlich für die Weibchen und mein Hydrophon hörbar bleiben.



Drei Hydrophon-Aufnahmen von Zandern während der Laichzeit:

Zander Balzlaute (Locklaute) von verschiedenen Zandermännchen.


2 langgezogene Balzlaute (Locklaute) von einem grossen Zandermännchen. Damit lockt das Männchen, das laichbereite Weibchen zu seinem Nest.

Zander-Abwehrlaute (Drohlaute). Damit verscheucht der Zandermilchner Laichräuber, welche seinem Nest zu nahe kommen.



Wählerische Weibchen

Die weiblichen Zander sind nicht nur wählerisch bei der Wahl des Laichpartners, sondern auch bei der Stelle der Eiablage. Da die Fischeier sehr lichtempfindlich sind, ist es wichtig, den Laich an einem Gelege abzulegen, wo möglichst wenig direktes Sonnenlicht hingelangt. Der eigentliche Laichakt dauert schliesslich nur kurz, und das Weibchen verlässt das Nest bald nach der Eiablage. Von diesem Moment an übernimmt das Zandermännchen die Bewachung des Nests und behütet die kostbaren Eier.

 Selbstgebaute Nester als Laichhilfe für die Zander im Moossee.

Selbstgebaute Nester als Laichhilfe für die Zander im Moossee.


Fürsorge

Während der Laichzeit werden viele Zandermännchen zu fürsorglichen und mutigen Beschützern. Mit aufgerichteter Rückenflosse halten sie auf ihrem Gelege Wache und achten aufmerksam auf mögliche Laichräuber. Wie der Sekundenzeiger einer Uhr bewegen sie sich langsam und ruckartig über die Laichgrube, stets mit wachsamem Blick auf ihre Umgebung. Durch diese kontinuierlichen Schwimmbewegungen direkt über dem Fischlaich entstehen leichte Verwirbelungen im Wasser. Diese befreien den Rogen von feinen Schmutz­partikeln und sorgen für eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr­. Rund acht Tage lang bewacht das Männchen sein Nest mit dem kostbaren Inhalt. Während dieser Zeit unterliegt es einer natürlichen Fresssperre, damit es den Fischlaich oder die geschlüpfte Brut nicht versehentlich selbst frisst.


Hau ab!

Die Zandermännchen versuchen, mögliche Laichräuber durch drohendes Aufrichten ihrer Rückenflosse und wildes Kopfschütteln vom Nest fernzuhalten. Oft genügen diese Drohgebärden bereits, um Eindringlinge in die Flucht zu schlagen. Reicht das nicht aus, geht das Zandermännchen zum Angriff über und attackiert den Störenfried mit vollem Körpereinsatz. Manche Laichräuber sind besonders hartnäckig und nähern sich trotzdem immer wieder dem Nest. In solchen Fällen setzen die Zander auch akustische Abwehrlaute ein – und zwar so laut, dass fast jeder Gegner die Flucht ergreift! Mit diesen Drohlauten gehen die Milchner jedoch sparsam um, da diese starken Geräusch-Emissionen möglicherweise dem Nachwuchs schaden könnten. Vor allem im trüben Wasser und während der Nacht lassen sich diese extrem lauten Abwehrgeräusche in den Laichgebieten mit dem Unterwassermikrofon aufnehmen.

 Dieser Zander verscheucht einen aufdringlichen Krebs.

Dieser Zander verscheucht einen aufdringlichen Krebs.

Live erlebt

Ein Zandermilchner schwimmt sein Nest ab, als er plötzlich am Rand einen Signalkrebs entdeckt – dreist genug, um auf das Gelege zu klettern. Langsam nähert sich der Laichschützer und attackiert entschlossen den Eindringling. Der Krebs ergreift mit einer flinken Rückwärtsbewegung die Flucht, während der siegreiche Zander inmitten einer kleinen Staubwolke zurückbleibt. Diesen Vorfall hat der aufmerksame Fisch nicht vergessen – noch Tage später suchte er immer wieder an derselben Stelle nach dem Krebs.



Unterschiedliche Aggressivität

Bei meinen Untersuchungen konnte ich immer wieder grosse Unterschiede in der Aggressivität nesthütender Zandermännchen beobachten. Dabei ist nicht nur die Grösse entscheidend – sowohl unter grossen als auch kleinen Exemplaren gibt es auffallend «mutige» Milchner. Die Aggressivität scheint also zu einem wesentlichen Teil vererbt zu werden, weshalb solche Zander vermutlich auch aggressivere Nachkommen hervorbringen.

Diese wehrhaften Zander attackieren Eindringlinge sofort – selbst riesige Hechtgummis werden mit kräftigen Stössen und Bissen aus dem Nest befördert. Besonders entschlossene Laichschützer greifen sogar Taucher oder Schwimmer an und beissen in Kameras, die ihnen zu nahe kommen.

Ängstliche Milchner hingegen verschwinden bereits bei der geringsten Störung und lassen ihr Gelege schutzlos zurück. Solche Fische sind vermutlich schlechtere Laichschützer und bieten ihren Eiern weniger Sicher­heit vor Räubern.

 Wenn wir auch weiterhin solche prächtigen Fische landen wollen, müssen wir die Laichzeit des Zanders respektieren und diese Art im April und Mai schonen.

Wenn wir auch weiterhin solche prächtigen Fische landen wollen, müssen wir die Laichzeit des Zanders respektieren und diese Art im April und Mai schonen.


Laichzander schonen

Aggressive Zandermännchen wehren während der Nestverteidigung alles ab, was in ihre Nähe kommt. Als Petrijünger schaden wir uns selbst, wenn wir diese guten Laichschützer von den Nestern wegfangen – denn zurück bleiben dann vorwiegend die ängstlicheren Individuen. Es ist anzunehmen, dass das langfristig Folgen hat: Nicht nur bleibt der Nachwuchs durch die schutzlos ausgelieferten Gelege aus, sondern es gibt auch tendenziell mehr zurückhaltende Zander, die weniger aggressiv veranlagt sind, und der begehrte Raubfisch lässt sich dadurch (noch) schwerer fangen. Gönnen wir dem Zander also seine wohlverdiente Ruhe während seiner Laichzeit im April und Mai – auch an Gewässern, wo es keine gesetzliche Schonzeit gibt.
                  

 Mit einem Hydrophon wird die geheimnisvolle Welt der Geräusche unter Wasser hörbar.

Mit einem Hydrophon wird die geheimnisvolle Welt der Geräusche unter Wasser hörbar.

2 Kommentare


Bruno

24 | 03 | 2025

Ich muss mich oft Fremdschämen für Fischerkollegen, welche schwarze Zandermännchen vor die Kamera halten und noch stolz sind, wenn sie massenweise Zander in der Laichzeit fangen.


Janine Braun

24 | 03 | 2025

Lieber Roland

Herzlichen Glückwunsch. Wunderbarer Bericht zum Zander. Einzig ein kleines Dankeschön an Tinu und Robert wäre nicht falsch gewesen ???? . Wir wissen ja, dass du dank Robert Zugang zum See während der Schonzeit hattest. Letztes Jahr habe ich versucht Aufnahmen zu machen, aber ausserhalb der Schonzeit ist der See definitiv zu trübe. Tinu hat erzählt, wieviele Stunden ihr über mehrere Jahre hinweg benötigt habt, um die tollen Aufnahmen realisieren zu können. Wenn ich Tinu lausche, stelle ich mir jeweils vor, wir bereits Tinu sein Wissen zum Zander mit dir geteilt hat und wie es auch dich massgeblich zu einem guten Fischer geformt hat. Hoffentlich trägt dein Bericht dazu bei, dass der Zander auch in weiteren Teilen der Schweiz in Zukunft ein Schonmass geniessen kann. So kann Tinus Traum von der Einbürgerung des Zanders vielleicht doch noch in Erfüllung gehen.

Komm doch mal auf ein Moossee Zanderfilet bei Tinu vorbei, dann könnten wir noch weiter fachsimpeln.

Liebe Grüsse Janine
Wie du ein weiterer Lehrling von Tinu


Schreibe einen Kommentar:

Anzeige
Anzeige
Zurück zur Übersicht

Das könnte Dich auch interessieren: