01 | 06 | 2016 | Praxis | 0 | 6265 |
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Der Abendsprung
Sommerabende können dem Fliegenfischer die schönsten Erlebnisse bieten. Bei idealer Wasserführung klatscht und spritzt es an der Wasseroberfläche bis tief in die Nacht hinein.
Leider aber hält ein solcher Abend nicht immer, was er versprochen hat. Auch wenn die Rotgetupften ständig steigen, gelingt es oft nicht, sie an den Haken zu bringen. Das Angebot an Fliegennahrung ist an einigen Gewässern übergross, und viele Flugangler haben keine Ahnung, welche Fliegen die Fische eigentlich nehmen. Sie werden nervös, werfen bald nach links und bald nach rechts, ohne auch nur einen Anbiss. Was ist die Ursache des Misserfolgs?
Obwohl die Zeit des Abendsprungs kurz ist, sollten wir doch erst einmal einen Augenblick die Wasseroberfläche beobachten. Nicht alles, was da steigt, sind Forellen. Auch andere Flossenträger geniessen den abendlichen Fliegensegen. Alet, Nasen und auch Äschen narren recht häufig den eifrigen Werfer.
Die steigende Nase zum Beispiel zieht ständig weiter, und so werfen wir vielleicht eine Stelle an, an der sich kein Fisch mehr aufhält. Beobachten wir aber einen Platz, an dem ständig ein Fisch steigt, können wir auch in Wassern mit gemischtem Fischbestand mit einem Erfolg rechnen. Einfacher ist es natürlich, wenn wir in einem reinen Forellenwasser fischen. Hier zählt nur genaues und sauberes Werfen mit der «richtigen» Fliege. Was ich von der «naturgetreuen» Fliege halte, habe ich wiederholt gesagt. Hätte nur sie eine Wirkung, wäre nie eine «Bivisible» oder eine «Panama» gebunden worden. Allerdings gibt es Stunden, in denen nur eine Fliege mit einem ganz bestimmten Umriss genommen wird. Dies ist beim Abendsprung dann sehr häufig der Fall, wenn die Köcherfliegen zu Tausenden schwärmen.
Vielfach fängt dieser eine Köder
Nicht selten versagen alle unsere schönen Muster mit Ausnahme der Sedge. Man hat tagsüber mit der Entenhechelfliege oder mit der «Panama» Fische gefangen, bei hereinbrechender Dunkelheit aber werden diese Muster überhaupt nicht mehr beachtet. Wechseln wir dann auf die Sedge, so dürfen wir auf den Fang einer Kapitalen hoffen. Nun ist es aber nicht etwa so, dass dieser Fliegenwechsel stets zum Erfolg führen muss. Das natürliche Angebot ist ausserordentlich gross, und die lebenden Köcherfliegen reizen furchend und zappelnd die Getupften eher dem zum Anbiss als unser «toter» Köder.
Wer es aber versteht, steigenden Fischen die Sedge leicht furchend vorzuführen, wird auch mit den lebenden Fliegen konkurrieren können. Besonders in klarem und niedrigem Wasser sind die Fische sehr heikel. Steigen die Forellen bei hohem Wasserstand, nehmen sie meist jede gut angebotene Fliege. Voraussetzung ist nur, dass wir die Fliege in die nächste Nähe des steigenden Fischs bringen. Solange es noch einigermassen hell ist, verwenden wir hellere und grössere Typen. Nach Einbruch der Dunkelheit ist die Fliege nur noch unter besonders günstigen Umständen sichtbar. Es spielt dann im Allgemeinen keine Rolle mehr, ob sie heller oder dunkler gefärbt ist. Sie muss nur noch gross genug sein: Grösse 10 oder 12 (in kleineren Wassern Grösse 12 oder 14).
Dicht oder dünn gebunden?
Es gibt Gewässer, an denen auch ganz dicht gebundene Fliegen genommen werden. In anderen wiederum oder in bestimmten Strecken werden sie abgelehnt. Der Flugangler muss durch Erfahrung lernen, welche Muster in bestimmten Gewässerabschnitten gut sind. Als Grundsatz darf gelten: Ruhige und glatte Züge verlangen eher dünner gebundene Fliegen, während in rasch fliessenden und wilden Strecken auch dichtgebundene Muster gut genommen werden.
Kann man weiterfischen, wenn man die Fliege nicht mehr sieht? Diese Frage wird von vielen Anfängern gestellt. Wenn wir nicht gerade Neumond haben oder eine dichte Wolkendecke den Himmel verdunkelt, liegt auf der Wasseroberfläche ein schwacher Lichtschein. Das können wir uns zunutze machen. Gegen den Schein blickend, sehen wir das Ablegen oder Abheben von Schnur und Vorfach. Dies weist uns den Weg zum steigenden Fisch. Es ist klar, dass eine helle Schnur für den Abendsprung günstiger ist als eine dunkelgrüne oder braune. Dass die Fabrikanten überhaupt noch dunkle Fliegenschnüre herstellen, wundert mich manchmal.
Nachts fängt man die Grossen
Wer bei vollkommener Dunkelheit weiterfischen will, muss sich auf sein Gerät verlassen können. Nachts sind die Fische bedeutend weniger scheu, daher werfen wir einfach an jene Stellen, die uns erfolgversprechend erscheinen, und ändern nach jedem zweiten Wurf die Wurfweite. Einmal wird doch etwas hängen bleiben!
Das Fischen in der hereinbrechenden Nacht bietet uns die Chance, eine der alten Standforellen mit der Fliege zu erbeuten. Tagsüber steht die Kapitale in ihrem Unterstand und lässt sich meist weder durch Löffel noch durch Würmer betören. Sie wäre ja auch nicht so gross geworden, wenn sie auf jeden Köder hereingefallen wäre. Gegen Abend aber wird die Grosse unruhig, verlangt doch ihr leerer Magen sein Recht. Ist die Strömung bei ihrem Versteck stark, begibt sie sich in ruhigeres Wasser.
Mit Vorliebe schwimmt sie in die Nähe des Ufers, wo sie ohne grosse Anstrengung Nahrung finden und aufnehmen kann. Auf Fliegen steigen die ganz grossen Forellen meist nur kurze Zeit. Es kann vorkommen, dass sie sich an einem Abend nur zwei oder dreimal an die Oberfläche bemühen. Wer ihren Standort kennt, wartet den ersten Sprung ab und setzt ihr dann schnell die Fliege vor. Da diese Zeit kurz ist, müssen wir uns sehr beeilen. Nichts ist aufregender, als wenn es plötzlich nach einem Anbiss auf der dunklen Wasseroberfläche mächtig klatscht. Solche Augenblicke sind Höhepunkte unseres Fischerlebens, und sie bleiben uns unvergesslich.
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