05 | 10 | 2022 | Diverses | 0 | 5674 |
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Das beste Fischerbuch
Hemingway, Clostermann, Ritz, Rindlisbacher, Richard, Mc Lane, Goddard, Roggo, Hogrebe, Petitjean – Autoren, die in den letzten Jahrzehnten fesselnde Fischerbücher unterschiedlichster Art geschrieben haben. Und nun ein Newcomer mit der unscheinbaren Sardine.
Hast Du ein persönliches «bestes Fischerbuch»? Dann beteilige Dich an unserer Umfrage am Ende dieses Artikels.
Literarisch betrachtet steht wohl Ernest Hemingway mit seinem «Der alte Mann und das Meer» über allen; er erhielt ja auch den Literatur-Nobelpreis für sein Werk. Pierre Clostermann faszinierte mich bereits als Jugendlicher mit seinen Kampfpilot-Geschichten und danach mit seinen spannenden Fischerabenteuern. Charles Ritz, der das wohl beste Fliegenfischerbuch verfasste: «Erlebtes Fliegenfischen».
Meine leider allzu früh verstorbenen Freunde Jules Rindlisbacher und Marc Richard, die wegweisende Angeltechnik-Bücher schrieben, ersterer über unsere Methoden in der Schweiz, der zweitgenannte über die Meerfischerei.
Der Amerikaner Mc Clane, der mit seinem umfassenden Lexikon eine wahre Fundgrube war, bevor das Internet-Zeitalter begann. Der Engländer Goddard, der erstmals die Fliege aus der Sicht des Fischs darstellte. Tryckare und Cagner schufen mit «Das grosse Buch des Angelns» ein kunstvoll illustriertes Werk, das von einem «Petri-Heil»-Übersetzungsteam ins Deutsche übersetzt wurde.
Michel Roggo aus Freiburg, der einmalige Bildbände herausgab. Johannes Hogrebe, der die Fischerei und Jagd in Kanada hautnah schilderte. Und Marc Petitjean, nochmals ein Freiburger, der ein epochales Werk über meine Lieblingsfliege schuf, die CDC (Entenhechel).
Daneben habe ich noch etwa 300 weitere Fischer- und Fischbücher gelesen. Schwierig zu sagen, welches nun das Beste ist. Über die Morchel, eine nicht leicht zu findende Frühlings-Delikatesse an unseren Bächen und Flüssen, ist es klar das neue Buch von Heinz Gerber – doch davon berichte ich in einer nächsten Ausgabe.
«Die Eloquenz der Sardine»
Dieser Titel des kürzlich in Deutsch erschienenen Buchs erstaunte mich. Zwar hatte ich vor Jahren Roland Kurts Vortrag und den Geräuschen der kommunizierenden Fische gelauscht. Aber nun die kleine Sardine als beredsam zu betiteln? Autor Bill François bekennt denn auch: «Die einzigen Tiere, denen ich auf gar keinen Fall begegnen wollte, waren Fische.» Eine Sardine, strahlend und zerbrechlich, befreite den Autor einst als Kind von seiner Angst vor Fischen und dem offenen Meer. «Sie bat mich, sie zu begleiten, und erzählte mir ihre Geschichte ...»
Seither ist Bill François nie wieder vollständig auf festen Boden zurückgekehrt. Seither lauscht er den Wundergeschichten der blauen Welt, die er uns in seinem betörenden Buch weitergibt.
Bill François studiert und forscht über die Hydrodynamik aquatischer Organismen. Aber er ist ein begnadeter Erzähler und vermag wissenschaftliche Erkenntnisse in einfachen Sätzen zu erklären:
«Die Sardinendichte in einem Schwarm liegt bei etwa fünfzehn Fischen pro Kubikmeter. Gemessen an der Grösse der Tiere ist sie damit vier Mal grösser als die Dichte an Menschen in einer U-Bahn zur Hauptverkehrszeit. Trotzdem schwimmt im Gegensatz zur U-Bahn fahrenden Menschen nie eine Sardine gegen den Strom, stört ihre Nachbarn oder verursacht Chaos oder Stau.»
Fische sind keineswegs stumm
Ihre Sprache ist im Gegenteil so vielfältig wie unsere Sinne es sind. Bill François lässt uns die unterseeischen Klänge hören, wo sich das Echo der Eisberge mit den Gesängen der Wale und dem Chor der Fische mischt. Er lehrt uns die Sprache der Farben und Düfte unter Wasser und erzählt vom Atlantischen Lachs, der noch in den Gewässern Grönlands den bretonischen oder spanischen Bach riecht, in dem er geboren wurde.
Vor allem die Buckelwale erziehen ihre Kinder über lange Zeit und reden unentwegt mit ihnen. Dank dieser Erziehungsmethode konnten sie so etwas wie eine Kultur hervorbringen. Jede einzelne Gruppe entwickelt Grundzüge einer Kultur, sprich, ein eigenes spezifisches Verhalten, das sie an die Nachkommen weitergibt und auf diese Weise aufrechterhält. So werden etwa die Gesänge der Buckelwale innerhalb einer Gruppe von Jahr zu Jahr weitergegeben. Dabei ergänzt oder variiert jeder Wal einige Strophen, die die anderen Mitglieder der Gruppe dann lernen, sodass sich die Lieder jedes Jahr verändern wie musikalische Trends oder wie auch die Sprache. Neue Themen kommen auf, andere gehen verloren, wieder andere wandeln sich.»
Unglaubliche Geschichten aus der Welt der Meere
«Plinius der Ältere, ein Gelehrter aus dem Alten Rom, schuf im Jahr 77 den Band IX seiner ‹Naturalis Historia›. Dieses prachtvolle Panorama führt die Meeresbewohner auf, die zu Zeiten der Römer die Gewässer bevölkerten. Plinius kam auf exakt 74 Fischarten und 30 Krustentiere!
Angeblich konsultierte er für sein Werk über 2000 Bücher von über 500 Autoren. Manche Passagen seines Werkes werden von der heutigen Wissenschaft bestätigt. Zum Beispiel hatte er schon vor 2000 Jahren erkannt, dass der im Mittelmeer lebende Schriftbarsch ein synchroner Hermaphodrit ist, sprich zugleich Männchen und Weibchen. Oder dass der Zitterrochen ovovivipar ist und seine Eier in der Gebärmutter ausbrütet.
Aber in Plinius’ Werken schwammen auch zehn Seemeilen lange Wale und im Indischen Meer lebten Schildkröten, mit deren Panzer man ein ganzes Haus hätte decken können. Auch wusste Plinius aus angeblich sicherer Quelle, dass die Tritonen, Amphibienmenschen, in den Grotten laut klappernd mit Muscheln spielten …
Die Wissenschaft formalisierte sich und im 18. Jahrhundert bildete sich die Taxonomie heraus. Damit eine Art anerkannt wurde, musste sie nun mit einem wissenschaftlichen Namen bezeichnet werden. Als einer der Ersten klassifizierte der Schwede Carl von Linné mit Hilfe eines formalisierten Verfahrens Tausende von Arten. Auf diese Weise verschwanden massenweise Meeresungeheuer, ein wahres Massaker an Fantasiewesen. Immerhin war der gestrenge Schwede auch mal für einen Ulk gut, nannte den Blauwal, das grösste Tier aller Zeiten, Balaenoptera musculus, ‹Mäuschenwal›.
Die grossen meereskundlichen Exkursionen des 19. Jahrhunderts machten den Meerungeheuern, die in der Vorstellung der Seefahrer jahrhundertelang das Meer bevölkerten, endgültig den Garaus. Die Skizzen wurden realistischer und detailgetreuer, bis sie von Fotografien abgelöst wurden.
Die heutigen Wissenschaftsschiffe, die den Meeresgrund erkunden, zeichnen DNA-Sequenzen von Lebewesen auf, die sie nicht einmal sehen können. Sie entnehmen dem Plankton mit Spezialnetzen Proben und fügen sogenannte Massensequenzierungen durch, die ihnen Einblick in das gesamte Erbgut der gefangenen Arten gewähren. So wurden noch auf dem Grund des Marianengrabens, des tiefsten Punkts der Weltmeere, in einer Tiefe von 10 900 Metern Fische beobachtet. Die Riesenkalmare, die einst auf Radierungen die Schiffe im Meer versenkten, wurden gefilmt und vermessen. Mit einem Mausklick können wir uns vom Sofa aus auf dem Computer Wale ansehen und erkennen auf den ersten Blick, dass sie mitnichten Inseln gleichen, wie das Seefahrer früher berichteten …
Letzten Schätzungen zufolge leben im Meer 2,2 Millionen Arten – die Milliarden Bakterienarten nicht mitgezählt – von denen der Mensch bislang allerdings noch keine zehn Prozent erfasst hat. Eines Tages werden die Menschen über die Gewissheiten unserer Zeit ebenso lachen, wie wir über das, was Menschen in der Vergangenheit glaubten. Da etwa 90 Prozent aller im Meer lebenden Arten noch unbekannt sind, gibt es indes genug Gelegenheit für Mythen und Träumereien auf leeren Blättern …»
Die traurige Gegenwart
Der Autor setzt sich aber auch mit der Gegenwart und der Zukunft auseinander. Er offenbart, wie der Zuchtlachs im Netzkäfig mit Granulatregen gefüttert wird, obwohl er eigentlich Tintenfische und Sardellen jagen müsste. Er schildert, wie der Kabeljau (Dorsch) – bis ins 20. Jahrhundert ein scheinbar unerschöpfliches Manna – von Schleppnetzen kahlrasiert wird. Bei zwei Millionen Tonnen gefangenem Fisch pro Jahr schmolz die herrliche Fülle, die die Menschheit sechshundert Jahre ernährt hatte, in nur einem Jahrzehnt dahin …
«15 000 Kilometer weiter östlich, in China, stechen Arbeiterinnen mit einer Nadel in einen ununterbrochenen Strom von Fischfilets, die auf einem Laufband an ihnen vorbeiziehen. Was sie den Tieren spritzen, wissen sie nicht, dem Industriegeheimnis sei Dank. Es ist ein Phosphatcocktail. Ebenso wenig wissen sie, wo der Fisch herkommt – aus dem fernen Nordatlantik – oder wo er hingeht – zu Marktständen in ganz Europa.»
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Doch Bill François berichtet über so viele wunderbare, skurrile und fast unglaubliche Begebenheiten unter Wasser, dass man das Buch immer lieber gewinnt, je weiter man auf den spannenden 234 Seiten kommt. Im Epilog erzählt er vom Maifisch, einer grossen Sardine, der früher genau wie die Lachse vom Meer die Ströme und Flüsse hinaufzog. In seine Heimatstadt Paris waren die letzten Maifische 1920 die Seine hinaufgekommen. Doch eines Abends im Frühsommer, ziemlich genau ein Jahrhundert später, kam der Anruf eines Fischerfreundes. Und tatsächlich sichteten sie zwischen den Strudeln silberne Blitze, grosse halbmondförmige Schwänze, lange bläuliche Rücken. Dutzende, ja Hunderte von Maifischen mitten in der Stadt Paris.
Die Eloquenz der Sardine
Bill François, Verlag C.H. Beck, München, ISBN 928 3 3 406 76690 9, CHF 27.–.
Erhältlich im «Petri-Heil»-Shop
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Unter den Einsendern verlosen wir 2 x Die Eloquenz der Sardine von Bill François.
1 | Petitjean | CDC
2 | Hogrebe | Im Paradies der Jäger und Fischer
3 | Roggo | Wasser.Schweiz
4 | Goddard | Die Forelle und die Fliege
5 | Mc Clane | Fishing Encyclopedia
6 | Cagner | Das Grosse Buch des Angelns
7 | Richard | Big Game Fishing
8 | Rindlisbacher | Erfolg an Fluss und See
9 | Ritz | Erlebtes Fliegenfischen
10 | Clostermann | Des poissons si grands…
11 | Hemingway | Der alte Mann und das Meer
12 | François | Die Eloquenz der Sardine
13 | Keines der aufgeführten, sondern ...
14 | Das Petri-Heil-Abo erübrigt die Frage nach dem Lieblings-Fischerbuch ;-)
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