03 | 04 | 2019 | Schweiz | 0 | 4590 |
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Bedenken bei der Energiewende
Der Atomausstieg der Schweiz ist eine beschlossene Sache. Doch der Ausblick auf die Alternativen sorgt für Beunruhigung bei Atomgegnern.
Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, hapert es bereits bei der Skizzierung der anstehenden Energiewende, denn es ist unklar, wie die Schweiz ihre energietechnische Versorgungssicherheit mittels Inlandproduktion gewährleisten soll. Die ständerätliche Energiekommission, mehrheitlich aus Mitgliedern besetzt, die für eine «progressive» Energiepolitik stehen, möchte vom Bundesrat genauere Informationen dazu.
Noch ist nämlich unklar, wie der wegfallende Atomstrom ersetzt werden soll, schliesslich stocke die Windkraft, stagniere die Sonnenenergie und auch bei der Tiefengeothermie, die zum Heizen von Häusern verwendet wird, entwickelt sich nichts.
Profiteur Wasserkraft?
Also wird wohl oder übel die Wasserkraft herhalten müssen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Auf deren Ausbau pochen nun – wenig erstaunlich – die Wasserkraftbetreiber. Eine grosse Gefahr für die avisierte Versorgungssicherheit würden dabei Forderungen nach höheren Restwassermengen und verbesserter Fischgängigkeit bilden, denn deswegen dürfte in Zukunft weniger Wasser turbiniert werden. Überdies wirft der Wasserwirtschaftsverband (SWV) den Behörden vor, die ökologischen Anforderungen schleichend zu erhöhen. Die aus Sicht der Wasserkraft naheliegende Forderung wäre gleich eine doppelte. Zum einen gilt es, den Gewässerschutz zurückzubinden, und zum zweiten weitere Projekte in Angriff zu nehmen und unter dem Strich noch mehr Wasser an noch mehr Orten zu turbinieren. Ansonsten kann die Wasserkraft dem von Bundesrat und Volk erteilten Auftrag der Versorgungssicherheit keine Rechnung mehr tragen.
SWV fordert Gesetzeslockerung
Knapp 60 Prozent des Schweizer Stroms wird heute durch Wasserkraft produziert. Soll die Energiewende wie geplant umgesetzt werden, muss die Produktion noch zusätzlich gesteigert werden, von gegenwärtig 35?900 auf 38?600 Gigawattstunden. Um dies zu erreichen, bräuchte es bei der gegenwärtigen Gesetzeslage 50 neue mittelgrosse Wasserkraftwerke, so zumindest lauten die hauseigenen Berechnungen des SWV (denen das Bundesamt für Energie demnächst eigene Berechnungen gegenüberstellen wird). Bei der Wasserkraftanlage Chippis-Rhône beispielsweise drohen wegen der Fischgängigkeit Einbussen von 10 Prozent, entsprechend bläst das Walliser Kantonsparlament ins gleiche Horn und fordert ebenfalls, das Gewässerschutzgesetz zu lockern.
Der Bundesrat teilt die Kritik am Gewässerschutz (vorerst) nicht: Die Kantone würden das Gewässerschutzgesetz massvoll umsetzen, und – wie viele Fischer problemlos bestätigen können – die wirtschaftlichen und energetischen Interessen werden teilweise durchaus stärker gewichtet als ökologische Anliegen. Auch unterstreicht der Bundesrat die Bedeutung von ökologisch besonders wertvollen Lebensräumen, wie Auen, wo auf kleinen Flächen eine grosse Biodiversität zu finden ist.
Offene Ohren für Albert Rösti
Auch auf gutem Weg ist die parlamentarische Initiative von SWV-Präsident Albert Rösti. Wasserkraftbetreiber sollen im Rahmen von Neukonzessionierungen nur für neue Eingriffe in schutzwürdige Lebensräume Ersatz leisten müssen, nicht aber für Eingriffe, die vor Jahrzehnten in damals nicht geschützte Landschaften erfolgten, dies ganz ungeachtet der Spätfolgen. Hauptargument dürfte dabei vor allem das Geld sein, denn die Wasserkraftwerke sind «Big Business». Allein beim erwähnten Walliser Kraftwerk werden die Umweltmassnahmen auf 16 Millionen Franken geschätzt. Wenig erstaunlich haben denn die Energiekommissionen von National- und Ständerat Röstis Vorstoss bereits gutgeheissen; die Kombination von gutem Verdienst einerseits und dem nach wie vor geltenden Image von sauberer Wasserkraft andererseits vermag Mehrheiten quer über die politischen Lager zu schmieden. Dies natürlich auf Kosten der Natur und vor allem der Fische.
Es geht auch anders
Julia Brändle vom WWF Schweiz sagt: «Die Energiewende ist ohne Abstriche beim Gewässerschutz machbar.» Vor allem in der Nutzung von kleinen Solarstrom-Anlagen und einer gesteigerten Energieeffizienz von Geräten und Gebäuden sieht sie ein grosses Potenzial, welches natürlich am Geldbeutel der Wasserkraft-Betreiber vorbeigeht.
Optimismus ist für die Fische und ihren Lebensraum trotzdem nicht angesagt. Schliesslich dürfen sich die Wasserkraft-Betreiber eine gewisse Schützenhilfe vom Klimawandel und den ohnehin erschwerten Lebensbedingungen unter der Wasseroberfläche versprechen. Verschwänden die Bachforellen in absehbarer Zeit endgültig aus unseren Gewässern, spräche auch nichts mehr gegen eine vollständige Nutzung durch die Wasserkraftwerke.
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