19 | 04 | 2021 | Schweiz | 6 | 14582 |
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Gewässerportrait Vierwaldstättersee
Der Vierwaldstättersee gilt als einer der schönsten und abwechslungsreichsten Seen der Schweiz. Unser Autor Robin Melliger zeigt die vielen Facetten seines Hausgewässers und dessen Eigenheiten.
Verträumt schauen wir den feinen Bewegungen des Wassers zu, bis die Sonne scheinbar im Wasser versinkt und sich in den schönsten Farben an der Oberfläche spiegelt. Kaum ein anderer Schweizer See bietet so viele unterschiedliche Buchten und Abschnitte. Während die Luzerner Bucht eher ruhig wirkt, ist der Urnersee bekannt für grosse Wellen und starke Winde. Der See geniesst dank den zahlreichen Becken, den attraktiven Uferzonen und der einzigartigen Umgebung internationale Berühmtheit und wird auch gern mal als schönster See Europas betitelt. Auf der glatten Oberfläche des auf 433 m ü. M. liegenden Sees entsteht fast täglich ein atemberaubendes Farbspiel aus blauem Himmel, grünem Wald und grauen Felswänden.
Das Klima rund um den Vierwaldstättersee ist mehrheitlich mild. Da der See durch die Berge geschützt ist, gibt es, abgesehen vom Urnersee, keinen regelmässig hohen Wellengang. Am Seeufer gedeihen auch südländische Pflanzenarten, wie zum Beispiel die Hanfpalme, Feigen, Yuccas, Zypressen, Opuntien oder Edelkastanien. Mit den legendären Raddampfern der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV), einige davon älter als die Titanic, lässt sich der See in einer mehrstündigen Ausfahrt erkunden. Auf dem See kann man wunderbar seine Ruhe finden, vom stressigen Alltag abschalten und gleichzeitig auch Spass haben.
Luzern, die hechtreiche Stadt
Der Name Vierwaldstättersee stammt von den vier Urkantonen (Waldstätten) Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern, die den See umgeben. Es wird vermutet, dass sich der Name der Stadt «Luzern» aus dem lateinischen Wort «Luciaria» ableitet. Der erste Teil «Lucius» ist die lateinische Bezeichnung für den Hecht, die Endung «aria» ein Ort, an dem etwas in grossen Mengen vorkommt. Die ursprüngliche Bedeutung des Namens Luzern wäre folglich «Ort, wo sich Hechte in grosser Zahl aufhalten».
Am Ende der letzten Eiszeit vor rund 12 000 Jahren bildete sich der Vierwaldstättersee als Gletscherrandsee. Die erste dokumentierte Siedlung datiert auf eine Zeitspanne zwischen 4000 und 3100 v. Chr. Seither war der Vierwaldstättersee pausenlos besiedelt, was auch der Fund römischer Bauwerke zeigt. Schon seit jeher war auch der Handel auf dem Wasserweg von Bedeutung, der ehemalige Handelshafen in Stansstad gibt davon Zeugnis ab.
Mit einer Fläche von 114 km2 ist er der viertgrösste See der Schweiz. Die Reuss als Hauptzufluss bei Flüelen im Urnersee trägt 40 % zum Durchfluss des gesamten Gewässers bei. Nebst der Reuss treiben drei weitere grössere Zuflüsse den Seedurchfluss an: Die Engelberger Aa in Buochs (NW), die Sarner Aa bei Alpnachstad (OW) und die Muota in Brunnen (SZ). Der Seeabfluss wird in der Stadt Luzern über das Nadelwehr künstlich reguliert. Die Aufenthaltszeit des Wassers im See beträgt rund 3,4 Jahre. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Becken im See. Der Urnersee durchmischt sich ziemlich rasch wegen der windigen Verhältnisse, ebenso der Alpnachersee, der als Nebensee-Becken des Vierwaldstättersees betrachtet werden kann. Die geringe Tiefe in diesem Seeabschnitt unterscheidet ihn in charakteristischer Weise vom Rest des Sees. Das Gersauer- und Vitznauerbecken werden wiederum durch die windgeschützte Lage weniger gut durchmischt. Eine vollständige Zirkulation gibt es hier nur alle paar Jahre. In der Gersauerbucht befindet sich 214 Meter unterhalb der Oberfläche die tiefste Stelle des Sees.
Der See, der alles kann
Der erste Fisch, den ich gefangen habe, konnte ich bei der Glasi Hergiswil mit meinem Vater überlisten. Dieses einschneidende Erlebnis veränderte mein Leben komplett. Ich gab meine wenig erfolgsversprechende Fussballkariere auf und investierte viel Zeit ins Fischen. Nun fische ich hier seit bereits 10 Jahren. An diesem See konnte ich meinen ersten Oberflächen-Biss verzeichnen, fing eines meiner grössten Egli, habe die Metermarke für den Hecht zum ersten Mal knacken können und vieles mehr. Attraktiv ist die Vielzahl an Möglichkeiten, ohne weit Strecke machen zu müssen. Stehen die Fische eher flach, bietet der Alpnachersee tolle Stellen, um Hecht und Egli nachzustellen. Wenn sie in den kälteren Wintermonaten abtauchen, befischt man in unmittelbarer Nähe die tieferen Bereiche.
Der See eignet sich dank der vielen Strassen und Wege ausgezeichnet für die Uferfischerei. Auf dem Boot hat man hingegen die Freiheit, verschiedenste Spots zu befischen, und mit einem grösseren Boot scheinen die fischereilichen Möglichkeiten schier unerschöpflich. Allerdings unterscheiden sich die Fischereivorschriften kantonal und teils von Bucht zu Bucht deutlich.
Zu sauberes Wasser?
In den letzten Jahrzehnten wurden die Abwasserreinigungsanlagen ausgebaut, und seither hat sich die Phosphorkonzentration auf einem niedrigen Wert eingependelt. Da der tiefe See mit seinen steil abfallenden Ufern eine grundsätzlich nährstoffarme Charakteristik zeigt und eine tiefe Algenproduktion aufweist, ist das Wasser fast rund ums Jahr äusserst klar. Einzig der Alpnachersee weist eine stärkere Trübung auf. Dies dürfte mit dem Zufluss der Sarner Aa und der überdurchschnittlich hohen Nitratkonzentration im Gewässer zusammenhängen, die der Alpnachersee durch den Einfluss der Landwirtschaft erhält. Gemäss dem Wasserforschungsinstitut Eawag sind die Sauerstoffwerte auf bis zu 100 Meter Wassertiefe im Durchschnitt recht gut. Jedoch ist eine Abweichung der Sauerstoffwerte in den verschiedenen Becken des Sees möglich, was auf die unterschiedlichen Windverhältnisse zurückzuführen ist. Der Vierwaldstättersee sei ein Beispiel für einen ursprünglich nährstoffarmen See, der von Beginn der 1950er- bis Mitte der 1990er-Jahre eine Phase mit überdurchschnittlicher Nährstoffbelastung durchlaufen hat, so Eawag. Heutzutage entspricht die Fischfauna des Sees wieder derjenigen eines nährstoffarmen Sees.
Die Berufsfischer sind der Meinung, dass die Seen ruhig etwas «schmutziger» sein könnten. «Schmutziger» heisst mehr Nährstoffe, vor allem mehr Phosphor. Sie plädieren dafür, die Leistung der Kläranlagen kontrolliert zu reduzieren, damit mehr Nährstoffe in die Gewässer gelangen. Dies würde zu einem produktiveren Gewässer führen und möglicherweise würde gar die Artenvielfalt erhöht werden. Wird der Phosphorwert jedoch zu hoch, resultiert ein zu starkes Algenwachstum, dessen abgestorbene Biomasse auf den Seegrund sinkt und dort abgebaut wird. Diese Abbauprozesse verbrauchen viel Sauerstoff, was wiederum zu einem drastischen Rückgang der Fische führt, die grundnah ihre Eier ablegen, namentlich Felchen und Saiblinge. In den nährstoffreichen Seen wie dem Sempachersee und dem Baldeggersee wären heute ohne künstliche Aufzucht keine Felchen mehr vorhanden.
Grösste Saiblingsdichte
Die Fischfauna des Vierwaldstättersees entspricht derjenigen eines sogenannten «oligotrophen Sees», also eines Gewässers, welches in Folge des geringen Nährstoffangebots eine eher schwache organische Produktion aufweist. Trotzdem bietet der Vierwaldstättersee Lebensraum für 34 verschiedene Fischarten. Die Felchen sind im Vergleich zu anderen oligotrophen Seen eher untervertreten, während die Seesaiblinge äusserst zahlreich vorkommen. In allen von der Eawag untersuchten Alpenrandseen weist der Vierwaldstättersee die grösste Dichte an Seesaiblingen auf. Der ausschliesslich im getrübten und verhältnismässig flachen Alpnachersee vorkommende Zander zeigt auf, wie vielseitig der See ist. 2011 traute der Berufsfischer Gottfried Hofer aus Meggen seinen Augen nicht, als er einen knapp einen Meter langen Stör in einem seiner Netze vorfand. Dieser «Sensationsfang» ist nicht auf der Liste der 34 im See lebenden Fischarten. Der Stör wurde sehr wahrscheinlich im See ausgesetzt. Trotz des allgemein guten Fischbestands benötigen einige Arten zusätzlich Hilfe in Form von Besatzmassnahmen.
Einsatz für die Seeforelle
Wer mit Optimismus an eine Sache rangeht, kann einiges erreichen. Simon Rohrer ist Präsident der Seefischer Nidwalden; der Verein setzt sich stark für den Vierwaldstättersee ein. Den jährlichen Fischbesatz organisieren die drei Vereine Seefischer Nidwalden, FV Weggis und FV Vierwaldstättersee gemeinsam. Heute sind es vor allem Seeforellen. Jedes Jahr werden tausende Jungfische im See und in den Seezuflüssen eingesetzt. Grossgezogen werden die Jungfische vom Berufsfischer Hofer in Meggen, der dafür von den drei genannten Vereinen einen finanziellen Beitrag erhält. Neben dem Besatz in den Bächen über die Frühlings- und Sommermonate trifft man sich dabei jedes Jahr an einem Novembertag beim Berufsfischer, um die Seeforellen im Vierwaldstättersee einzusetzen. Ein reger Austausch zur jeweils am 26. Dezember stattfindenden Seeforelleneröffnung darf dabei natürlich nicht fehlen. Die Seeforelle ist seit jeher ein wichtiger Fisch im Vierwaldstättersee, der das biologische Gleichgewicht im See zusammenhält.
Wenn es nach Simon Rohrer geht, sollte man sich aber nebst dem Besatz auch vermehrt auf die umliegenden Fliessgewässer konzentrieren, die die Strömung und Nahrungszufuhr des Sees mitregulieren und wichtige Laichgründe einiger Fischarten bieten: «Man sollte sich für die Renaturierung dieser Fliessgewässer am Vierwaldstättersee einsetzen. Der Bund, aber auch die Kantone sollen die Wichtigkeit dieser teils gut geeigneten Aufstiegsgewässer erkennen und sie besser für die sensiblen Salmoniden passierbar machen.» Und weiter: «Vorbildlich ist sicher die Arbeit des Kantons Uri und des Urner Fischereivereins. Sie unterstützen die Tätigkeiten im Rahmen der Forellenaufzucht und auch der Renaturierungen stark.» Nebst der Seeforelle werden auch weitere Seefische wie Albeli, Balchen, Hechte und Seesaiblinge unterstützt. Der von den Laichtieren abgestreifte und anschliessend befruchtete Laich wird durch die Fischereiverwaltung in den Fischzuchtanlagen aufgezogen und dem Urnersee anschliessend zurückgegeben, was übrigens auch von den anderen Kantonen praktiziert wird. Auch werden oft tote Bäume versenkt, um den Fischen mehr Schutz sowie Laichgründe zu bieten. Der Vierwaldstättersee geniesst im direkten Vergleich mit anderen Voralpenseen einen ausgezeichneten Bestand an Albeli, Felchen und Saiblingen.
Trotzdem merkt man einen deutlichen Bestandesrückgang, wenn man die heutige Situation mit derjenigen der 1980er- und 1990er-Jahre vergleicht. Tatsache ist aber auch, dass heutzutage der See bis in grosse Tiefen gut mit Sauerstoff versorgt ist und sich somit die Fische viel stärker verteilen, als dies früher der Fall war. Dies führt zu einer schwierigeren Befischung. Das Wasser im Vierwaldstättersee ist gemäss Simon Rohrer heute in einem natürlicheren Zustand als damals. Aber natürlich müsse man die Situation weiter beobachten und bei zu geringem Nährstoffgehalt die richtigen Massnahmen ergreifen.
6 Kommentare
Antworten an: Giuseppe Puglisi
Robin | 03 | 05 | 2021 |
Vele Dank :) Freut mich, dass der dir gefällt!
Renggli Josef | 21 | 04 | 2021 |
Super gemacht! Dein stolzer Opa
Rita Nicora | 22 | 04 | 2021 |
Interessanter Bericht.
Antworten an: Rita Nicora
Robin | 03 | 05 | 2021 |
Danke Rita :)
Albert Deak | 18 | 10 | 2024 |
Katastrophe für den Seeforellenbestand im Vierwaldstättersee, durch exzessive Besatzmassnahmen wurde die gesamte alte Population ruiniert, was heute im See schwimmt sind meist Hybriden. In 2008 forderte ich die Koorporation in Luzern auf, mit der Züchtung von Seeforellen aufzuhöre, statdessen eine funktionable Fischtreppe zu bauen, am Uferger genüber der nicht-funktionierenden, und den Fokus auf Laichplatz-Förderung legen. Sie hatten mich ignoriert, der Reuss -Seeforellenstamm ist kollabriert und stehen kurz vor dem aussterben. Und überlegen sollten sich die verantwortlichen, bei Fischereisaison Eröfnnung auf sxhwache Seeforellen Kelts fischen ? in England oder Schweden, als Beispiel genannt, sind Kelts (Rückkehrer) geschützt. Die Reuss-Seeforelle hat eine spezielle Eigenschaft, die andere Stämme nicht haben, sie schwimmt in die entgegene Richtung ins Laichgebiet, also abwärts. Dies ist möglicherweise daraus zu resultieren, dass es sich um Meerforellen handeln muss, denen die Rückreise von der Reuss über den Rein wurde durch Verbauungen verwehrt ist, alternativ nahmen sie den Vierwaldstättersee als Lebensraum an. Ein gutes Beispiel dafür ist der Vätternsee in Schweden mit ihrem Süsswasser-Lachsstam. Meerforelle und Seeforelle unterscheiden sich nur durch ein einziges Gen, durch dieses können sie Salz ausscheiden, aber genauso gut im Süsswasser leben. Auf alten Fotos gefangener Seeforellen in der Reuss ist diese Therorie belegt. Wie die Verantwortlichen der Mörrum in Schweden erkennen musste, dass Zucht von Salmoniden mehr Schaden als Nutzen anrichten, haben sie nach Jahrzehnten die Zucht eingestellt und den Fokus auf den Erhalt der Laichplätze gelegt. Hybridisierung der Lachse und Meerforellen ist seit dem rückläufig. Die Seeforelle auf dem Foto hier hat nichts mehr mit den ehemals wilden Seeforellenbestand im Vierwaldstättersee zu tun, sie sieht aus wie ein hybrider Mix von Lachsforelle, Seeforelle und irgendwas anderes. Die Verantwortlichen sollten sich ein Beispiel an der Mörrum nehmen und für möglichst viele Laichplätze in Flüssen und grossen Bächen sorgen und das Hybride-Züchten unterlassen. Niemand anders als die Fische selbst wissen besser welche genetische "Laichpartner" für einander geeignet sind . In der Schweiz ist es sehr schwer Verantwortliche zu überzeugen, die meinen, Fischbezatz sei die ultimarazo Lösung. Am Rotsee in Luzern konnte ich die Verantwortlichen in den 90er Jahren überzeugen, keine Hechtbrut mehr einzusetzen, dafür mehr Laichsubstanz und Laichstellen zur Verfügung stellen, wie Bäume im Wasser und vieles mehr. Der Hechtbestand hat sich seitdem wieder erholt und ist totz Befischungsdruck stabil geblieben.
A. Deak, dipl. hydr. Biologe
Giuseppe Puglisi
Super Bericht Robin! Liebe Grüsse Oneshotfishing