23 | 04 | 2015 | Praxis | 0 | 5536 |
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Aktion Gertenzwerg
Fliegenfischen am zugewachsenen Bach? Eine interessante Sache. Die richtige Ausrüstung und Wurftechnik verhindern den allzu häufigen Kontakt mit Büschen und Ästen. Zugleich wachsen die Chancen auf andere Kontakte – mit Forellen.
Auf Fliegenfischermessen werde ich auffallend oft auf Bachtipps und spezielle Ruten für diese Pirsch angesprochen. Gern gebe ich dann weiter, was ich in vielen Jahren gelernt habe. Dies will ich nun auch hier tun. Kein Gartenzwerg, nein: ein Gertenzwerg, die viel zitierte Bachrute – sie ist der Schlüssel zum Erfolg. Gleichwohl haben nur wenige Fliegenfischer eine solche Gerte in Besitz. Grund: Der Trend geht zu längeren Allroundern. Und es stimmt natürlich, dass eine echte Bachrute eine Anschaffung für ganz spezielle Zwecke ist. Ich würde jedoch sagen: Eben deswegen muss man eine haben.
Das Bachgerät
Die ideale Rutenlänge liegt für meine Begriffe bei 6 oder 7 Fuss (180 bis 213 Zentimeter), und die perfekte Schnurklasse ist: # 4. Steht auf der Rute die Angabe # 3/4, so empfiehlt sich stets die Montage der 4er-Schnur, in schwimmender Version. Die Wurfdistanz ist immer kurz, die leichtere Leine lädt oft die Rute nicht richtig auf. Weight Forward (WF) oder Double Taper (DT)? Das macht keinen grossen Unterschied. Ich rate zu einer WF-Schnur, da wir zur Rute vom Typ Bachzwerg eine ganz kleine, leichte Rolle benutzen, damit optisch und gewichtsmässig alles passt. Und eine dicke DT lässt sich nur mühsam (oder gar nicht) auf eine kleine Fliegenrolle spulen. Die Schnurklasse 4 hat den Vorteil, universell einsetzbar zu sein – für Trockenfliege, Nymphe und eben auch noch für kleinere Streamer. Solche Streamer dürfen zusätzlich mit einem kleinen Goldkopf versehen sein, denn der Service per Rollwurf klappt immer noch gut. Mittelschnelle bis schnelle Kohlefaserruten sind bestens geeignet, denn sie bringen die Fliege punktgenau ins Ziel und verfügen über die nötige Portion Rückgrat für einen sicheren Drill.
Das Vorfach ist beim Pirschen auf engem Raum besonders wichtig. Die Standardlänge der handelsüblichen Fabrikate beträgt 9 Fuss (270 Zentimeter), und die meisten erfahrenen Fliegenfischer knüpfen beim Trockenfliegenfischen daran noch eine gut meterlange feine Spitze.
All dies ist für die Äschenregion genau richtig, aber unpassend für den Bach. Hier schlenkert und trickst man die Fliege an die fängigen Stellen, und das Vorfach sollte dazu besser kurz sein. Ein Tipp zum Selbstknüpfen: 100 cm 0,45er + 50 cm 0,40er + 25 cm 0,30er + 25 cm 0,25er. Für die Verbindungen benutze ich den Chirurgenknoten. Das dicke Ende des Vorfachs befestige ich per Nadelknoten an die Schwimmschnurspitze. Dieses Vorfach kann man, so wie es ist, sehr gut zum Streamerfischen nehmen. Ein kleiner Trick jedoch macht es vielseitiger. Dazu versehe ich das dünne Ende mit einem so genannten Pitzenbauer-Ring, benannt nach dem deutschen Erfinder Edgar Pitzenbauer. Sie sind in Fliegenfischer-Fachgeschäften erhältlich. Diese nützlichen Ringlein sind klitzeklein, extrem leicht und doch belastbar. So wirken sie als ideale Relaisstation zum Befestigen der Vorfachspitze. Sie kann nun schnell erneuert werden, zudem bleibt der Vorfach-aufbau unversehrt und wird nicht mit jeder Neumontage kürzer. Ideal! Gerade am Bach, wo die Spitze ständig erneuert wird, denn gelegentliche Hänger sind nicht zu vermeiden.
Der flache Rollwurf
Der wichtigste Wurf ist der Rollwurf, auch zum Trockenfliegenfischen. Dazu müssen wir die Fliege vor dem Fischen gut fetten. Zum Wurf: Besonders in schwierigem Terrain sollte der Rollwurf betont flach gehalten werden. Rutenweg und Leinenweg weichen vom üblichen Rollwurf, etwa mit einer 8-Fuss-Rute hoch über die Schulter geführt, deutlich ab. Während sich beim klassischen Rollwurf die Schnur grossrahmig überschlägt, gilt es hier, die Schnur dicht am Wasser zu halten. Besonders in der Endphase soll die Fliege eher ins Ziel «stechen» als sanft landen. Dieser Tipp gilt vor allem für die Präsentation unter Zweige und Büsche. Dorthin also, wo die guten Fische lauern. Vorteile der kurzen Gerte: Der Rutenweg ist von Natur aus weniger Raum greifend und deshalb sicherer. Bei der Aushol- und Vorwärtsbewegung touchiert die Rutenspitze selten das Geäst. Auch der Leinenweg ist deshalb flacher. Die Schnur rolliert selbst in engste Löcher der Vegetation. Die flache, enge Schlaufe macht es möglich. Die Fliege schlüpft unter dem Zweig hindurch, tupft in Ufernähe auf, etwas heftig gelegentlich, aber sie kommt ins Ziel. Treffer! Nun wird der Biss über kurz oder lang kommen. Ein Beispiel aus der Praxis: Kürzlich pirschte ich mit einem guten Freund an einem zugewachsenen Bach. Mein Gefährte war mit seiner 8,6 Fuss langen Allroundgerte der Klasse 5 unterwegs. Sie hatte sich schon oft bewährt, doch hier war Werner häufiger als ihm lieb war mit dem Lösen von Baumhängern beschäftigt. Ich servierte mit meiner Bachrute nach Herzenslust, genoss die Vorteile meiner richtigen Gerätewahl. Das Werfen machte Spass – flupp, wieder flach abgerollt und gut im Ziel, da konnte der Erfolg nicht lange auf sich warten lassen. Und so kam es dann, dass ich eine nicht alltägliche Bachforelle landen konnte. Einen richtig urigen Wildling, gut 50 Zentimeter lang, der zudem für meine Fotokamera kurz im besten Licht verharrte.
Fazit: Der Trend geht auch beim Fliegenfischen zur Zweitrute. Achten Sie darauf, dass Ihre Gerten nicht nur aus Standardlängen bestehen, also 8 bis 9 Fuss lang sind. Zumindest ein Zwerg sollte dabei sein. 6 oder 7 Fuss – nicht länger. Gönnen Sie sich eine Bachrute – es lohnt sich!
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